Das Kulturjahr in Bietigheim-Bissingen: „Das Publikum ist verunsichert“

Von Uwe Mollenkopf
Zu den Kulturveranstaltungen, die 2021 stattfanden, zählt das Gastspiel „Hyperion“ mit dem Landestheater Tübingen im Juni im Kronenzentrum.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Stefan Benning, der Leiter des Kultur- und Sportamts, blickt auf ein von Corona geprägtes Kulturjahr zurück. Die Abonnements gingen seit Pandemiebeginn um 25 Prozent zurück.

Insgesamt 180 Karten hatte das Bietigheim-Bissinger Kulturamt für den Nachholtermin des Musik-Kabaretts „Berta Epple“ am 27. November in der Kelter verkauft. Dann verschärfte das Land die Corona-Auflagen, und am Ende kam weniger als die Hälfte der Karteninhaber. Dies, obwohl für die Veranstaltung noch die alten Bedingungen galten und die städtischen Mitarbeiter deshalb jeden einzelnen kontaktiert hatten, wie Stefan Benning, der Leiter des Kultur- und Sportamts, am Dienstag beim traditionellen Pressegespräch der Stadt vor Weihnachten exemplarisch für das abgelaufene Kulturjahr 2021 schilderte.

Unbeschwertheit fehlt

Es gebe „eine große Verunsicherung, vor allem auch beim Publikum“, erklärte Benning in seiner Bilanz. „Das kulturelle Leben lebt entscheidend von der Unbeschwertheit“ – doch die sei angesichts der Corona-Situation weg. Angesichts der Auflagen, aktuell der 2G-Plus-Regel, sei für viele die Schwelle erreicht, bei der sie wegblieben. So sei auch bei den Kultur-Abonnements der Stadt seit Pandemiebeginn trotz vieler treuer Abonnenten ein Rückgang von 25 Prozent zu verzeichnen. Derzeit sind es knapp 600. Die Kultur gehöre ebenso wie der Sport zu den von der Pandemie hart getroffenen Bereichen. Künstler, Agenturen, Veranstalter, Besucher – alle litten darunter, so Benning.

Das aus seiner Sicht größte Problem ist die mangelnde Planungssicherheit. Es sei ärgerlich, wenn Veranstaltungen relativ kurzfristig aufgrund neuer Bestimmungen abgesagt oder verschoben werden müssten, sagt der Amtsleiter. Im Jahr 2021 traf es von 67 Veranstaltungen 41, die storniert wurden. Jetzt im Dezember alle außer einer. Die Gesamtbesucherzahl betrug nicht ganz 4000. Zum Vergleich: 2018 verzeichnete Benning inklusive von zehn Sommerkonzerten und drei Tagen „Wunderland“ 39 000 Besucher bei Veranstaltungen. Auch wenn die Pandemie einmal überwunden sei, werde es wohl Jahre dauern, bis die Normalität früherer Jahre wieder erreicht sei. Es finde eine „Entwöhnung“ statt, bedauert Benning. YouTube ersetze zunehmend das „Kultur-Live-Erlebnis“.

Die Aussichten für 2022: unsicher, zumindest, was den Jahresbeginn betrifft. Für Sommer stehen dagegen auch große Veranstaltungen wie „Live unterm Viadukt“ mit den Rappern Rin und Bausa und das „Best of Music“ (an zwei statt drei Tagen) im Veranstaltungskalender. Doch was letztlich stattfindet, wird sich erst noch zeigen. „Wir bereiten uns vor und entscheiden dann, ob etwas durchführbar ist“, sagt Oberbürgermeister Jürgen Kessing.

Bugwelle durch Verschiebungen

Aufgrund der vielen Verschiebungen ist der Veranstaltungskalender 2022 sogar wieder voller. Die Stadt schiebe eine „enorme Bugwelle“ vor sich her, sagt Stefan Benning. Bis Juni seien 40 Veranstaltungen geplant, davon zehn durch Verschiebungen. OB Kessing befürchtet, dass man irgendwann etwas rausstreichen müsse. Auch, weil es durch die Bugwellen anderer Kommunen dann ein Überangebot gebe.

Immerhin: Etwas Positives hatte der Kultur- und Sportamtsleiter dann doch auch noch im Gepäck. So sei die Corona-Flaute in den Kultereinrichtungen genutzt worden, um die Digitalisierung der Angebote weiter voranzutreiben. Bei den Museen ebenso wie bei der Musikschule. Auch das Stadtarchiv, bislang digital noch schwach aufgestellt, habe nachgezogen: Am Montag wurde dort die neue Internetseite freigeschaltet (siehe Infokasten).

 
 
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