71:71 nach Aufholjagd gegen Ulm Riesen sind beim ersten Remis seit 1975 die moralischen Sieger

Von Andreas Eberle
Riesen-Topscorer Marcos Knight (links), die Ulmer Gavin Schilling und Patrick Heckmann sowie Jonas Wohlfarth-Bottermann kämpfen um die Lufthoheit unter dem Korb. ⇥⇥ Foto: via www.imago-images.de

Ludwigsburg und Ulm trennen sich im ersten Halbfinalspiel 71:71. Im letzten Viertel macht das Patrick-Team einen Acht-Punkte-Rückstand wett.

Alles auf null. Wenn am Dienstag (20.30 Uhr/live auf Sport 1) die MHP Riesen Ludwigsburg und Ratiopharm Ulm im zweiten Halbfinalduell aufeinandertreffen, geht kein Team mit einem Vorteil aufs Feld. Am Sonntagnachmittag trennten sich die beiden schwäbischen Erzrivalen im Hinspiel 71:71. Es war das erste Remis in der Basketball-Bundesliga seit 1975. Mit einem Sieg am Dienstagabend würde Ludwigsburg erstmals in der Vereinsgeschichte ein Playoff-Finale um die deutsche Meisterschaft erreichen. „Nur der Himmel ist unsere Grenze“, waren die kühnen Worte von Aufbauspieler Jaleen Smith, nachdem die Barockstädter den Titelverteidiger und Gastgeber Bayern München im Viertelfinale ausgeschaltet hatten.

„Ugly“ („hässlich“) – mit diesem Adjektiv kommentierte Trainer John Patrick die heftig umkämpfte erste Begegnung gegen Ulm bei Magenta Sport und bekannte: „Wir können viel besser spielen.“ Als moralische Sieger durften sich seine Schützlinge trotzdem fühlen. Denn sie lagen nach 32 Minuten bereits mit 54:62 und acht Punkten hinten und schafften mit einer Energieleistung doch noch den Ausgleich.

Double-Double für Knight

„Wir geben nie auf. Wir gewinnen mit der Defense unsere Spiele. Das müssen wir noch besser machen“, stellte Marcos Knight fest. Der bullige 1,88-Meter-Guard war einmal mehr Ludwigsburgs Mann des Tages: Knight spielte erneut fast durch und schaffte wie schon zwei Tage vorher gegen die Bayern ein Double-Double, indem er 24 Punkte erzielte und sich 11 Rebounds erkämpfte. Bei Ulm tat es ihm Landsmann Derek Willis gleich. Dieser avancierte an seinem 25. Geburtstag mit 19 Punkten zum Ratiopharm-Topscorer und sammelte 14 Abpraller ein.

In der ersten Hälfte spielte sich allerdings zunächst ein anderer Korbjäger ins Rampenlicht: Nick Weiler-Babb. Der Shooting Guard der Riesen glänzte bis zur Pause mit 17 Punkten und drei erfolgreichen Dreierwürfen. „Das muss mein Spiel werden“ hatte sich Weiler-Babb bereits vor dem Derby selbst in die Pflicht genommen. Schließlich hatte er beim Finalturnier im Münchner Audi- Dome bisher meist im Schatten seiner US-amerikanischen Mitstreiter Knight, Smith und Thomas Wimbush gestanden.

Zumindest in den ersten 20 Minuten ließ der 24-Jährige seinen Worten auch Taten folgen. Am Ende war Weiler-Babb mit 21 Zählern nach Knight. der zweitbeste Ludwigsburger Scorer. Enttäuschend verlief der Sonntag dagegen für Wimbush (6 Punkte) und Smith (4) – beide konnten nicht an ihre bisher starken Leistungen anknüpfen. Auch Hans Brase, der nach seiner Knieverletzung ein Comeback feierte, blieb glücklos, gerade bei seinen Fernwürfen: Fünfmal probierte es der 26-jährige Flügelspieler aus der Distanz, fünfmal ging’s schief. Die Dreierausbeute der Riesen war aber generell katastrophal: Nur 4 von 29 Versuchen (14 Prozent) saßen. Bei Ulm lief’s mit 6 erfolgreichen Dreiern bei 27 Versuchen (22 Prozent) kaum besser.

Der heißlaufende Weiler-Babb führte die Mannen in Gelb zu einer 21:12-Führung nach dem ersten Durchgang. Mit zwei Dreiern innerhalb von 37 Sekunden zum 17:7 (8.) hatte er seinem Team kurzzeitig sogar einen zweistelligen Vorsprung beschert.

Ulm tat sich wie gehabt schwer mit der unangenehm physischen und aggressiven Ludwigsburger Spielweise. Schon in der regulären BBL-Runde hatte sich die Mannschaft von der Donau zweimal den Schneid abkaufen lassen: Im Oktober 2019 kassierte sie in der MHP-Arena mit dem 75:106 die höchste Saisonpleite, und im letzten Punktspiel vor dem Corona-Lockdown ging Ratiopharm Anfang März auch daheim mit 76:94 unter.

Doch diesmal nahm die Truppe von Trainer Jaka Lakovic den Kampf ab dem zweiten Viertel an – und das Heft des Handelns in die Hand. Spielerisch blieb auf beiden Seiten vieles Stückwerk, auch die Wurfquoten ließen zu wünschen übrig. Das Schwabenduell lebte von Einsatz und Intensität. „Das hat mich heute an Football oder Rugby erinnert“, sagte Ulms Bester Willis später.

Riesen-Coach Patrick ließ auch wieder drei seiner Youngsters ran: Radii Caisin bekam fast 23 Minuten Einsatzzeit und steuerte sechs Punkte bei, sein Sohn Jacob war rund acht Minuten auf dem Feld, und Lukas Herzog durfte gut drei Minuten mitmischen. „Wir fangen jetzt wieder bei null an“, stellte Riesen-Star Knight nach dem leistungsgerechten Unentschieden treffend fest. Für die zweite Halbfinalpartie am Dienstag ist ein weiterer Basketball- Krimi programmiert.

 
 
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