Abbau von Telefonzellen im Kreis Ludwigsburg Münzfernsprecher sind Geschichte

Von Helena Hadzic
Ein Basistelefon am Bietigheim-Bissinger Bahnhof – bald wird auch dieses verschwunden sein. Foto: /Oliver Bürkle

Bis Anfang 2025 baut die Deutsche Telekom auch im Kreis Telefonzellen ab. Derzeit sind bereits 90 Prozent aller Telefonzellen entfernt worden.

Eine einzige Telefonzelle kann zum Hauptschauplatz eines ganzen Films werden – das zeigt der Psychothriller „Nicht auflegen!“ aus dem Jahr 2002 mit Colin Farrell in der Hauptrolle. Ganze zwei Stunden verbringt er in einem klassischen Telefonhäuschen und telefoniert mit einem Fremden.

Diese Telefonhäuschen trifft man heute kaum noch an den Straßen an. Und wenn man sie entdeckt, sind diese meist zu öffentlichen Bücherregalen umfunktioniert worden. Sie sind nämlich schlicht und ergreifend „unwirtschaftlich“, sagt George-Stephen McKinney, Pressesprecher der Deutschen Telekom. Aus diesem Grund geht es den letzten Telefonzellen und Basistelefonen nun an den Kragen – sie werden abgestellt und abgebaut.

Bedarf ist stark rückläufig

Seit Jahren sei der Bedarf an öffentlichen Telefonzellen bundesweit rückläufig. Der Grund sei die „persönliche Telefonzelle“, die durch den Mobilfunk heute jeder zu jederzeit bei sich tragen kann. Seit Ende 2021 besteht daher mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes von Gesetzeswegen keine Verpflichtung zum Betrieb öffentlicher Telefone mehr. Bereits seit Jahren arbeitet die Telekom daran, nach und nach die Telefonzellen abzubauen und einzustellen im Einvernehmen mit den Kommunen, sodass bereits jetzt die nostalgischen Häuschen eine Rarität geworden sind.

Mehr als 90 Prozent der ehemals 160 000 Telefonzellen sind schon verschwunden, 12 000 Stück sind noch im Betrieb – diesen wird nun auch bis Anfang 2025 Stück für Stück der Hahn abgedreht. Besondere Auswirkung auf die Bürgerinnen und Bürger wird dieser Entschluss wohl eher nicht haben: Im Jahr 2021 wurde an 3800 Standorten, also an einem Drittel, der öffentlichen Telefonzellen kein einziges Gespräch geführt. In den genutzten Münzfernsprechern beschränken sich die Einnahmen auf wenige Euro im Monat – wenn überhaupt.

Hohe Unterhaltskosten

Stellt man diesem düsteren Ist-Zustand die Aufwendungen und Kosten gegenüber, wird das Verhältnis mehr als klar: Die Unterhaltskosten setzen sich aus den Betriebskosten, der Standmiete, der Reinigung sowie den Kosten für nötige Reparaturen wegen etwaiger Schäden, die unter anderem auch durch Vandalismus oder Diebstahl entstehen, so McKinney. „Das steht in keinem Verhältnis zu den Unterhaltskosten, die den Umsatz um ein Vielfaches übersteigen“, erläutert er.

Zudem sei es eine regelrechte Herausforderung, an Ersatzteile zu kommen. Diese werden kaum noch produziert oder seien in manchen Fällen gar nicht mehr erhältlich. Ein weiterer Vorteil sei mit Blick auf die derzeitige Energiekrise auch die Einsparungen durch die Abschaltungen. Ein öffentliches Telefon verbrauche – je nach Ausstattung der Telefonzelle oder des Basistelefons – zwischen 500 und 1250 Kilowattstunden jährlich, erklärt McKinney. „So lassen sich zwischen sechs und 15 Millionen Kilowattstunden jährlich einsparen“, resümiert er, „Das entspricht dem Stromverbrauch von mehreren Tausend Wohnungen“.

Seit dem 21. November ist jedenfalls die Münzzahlung bundesweit eingestellt, die Kartenzahlung dann ab Januar 2023, womit der gesamte Telekommunikationsdienst der öffentlichen Telefone stillgelegt wird.

Telefonzellen im Kreis

Doch wie viele nostalgischen Telefonzellen gibt es noch im Kreis? Eine Aussage über die Anzahl der öffentlichen Telefone möchte die Telekom derzeit nicht bekannt geben, aber viele dürften es nicht mehr sein. Anette Hochmuth, Pressesprecherin der Stadt Bietigheim-Bissingen, meint, dass sie seit Jahren nichts mehr von der Telekom gehört habe wegen der Telefonzellen, eine präzise Zahl habe sie deswegen auch nicht. Sie weiß aber, dass es noch ein Basistelefon am Hillerplatz beim Turm der grauen Pferde gäbe.

Ein weiteres ist am Bahnhof verortet. Auch in Tamm gibt es noch eine Telefonzelle am Bahnhof. In Ingersheim hingegen seien die letzten öffentlichen Telefone schon von Jahren abgebaut beziehungsweise abgestellt worden, so die Meinung von Harald Schnabel, Amtsleiter für Liegenschaften, Bau und Technik. Die letzte stand wohl an der Schillerschule. Was Bönnigheim betrifft, ist man sich in der Stadtverwaltung nicht sicher, ob es noch ein Modell gibt.

Anders in Sachsenheim – dort befindet sich noch ein richtiges Telefonhäuschen am Bahnhof und damit das einzige Modell in der Stadt, erzählt Kämmerer Lars Roller. Insgesamt 13 öffentliche Telefone habe es bis 2004 dort gegeben, davon sieben Basistelefone und sechs Häuschen. Im Jahr 2020 sind drei Stück unter der Leitung von Joachim Hussy, Vertreter der Telekom, abgebaut worden.

Eine Telefonzelle stand in der Heizenbergerstraße – diese habe im Jahr 2019 den Mindestumsatz unterschritten: „Ganze 69 Cent wurden in dem Jahr dadurch eingenommen“, lacht Roller. Auch das letzte Telefonhäuschen am Bahnhof hätte in diesem Zuge abgebaut werden sollen, aber dies lehnte die Kommune ab. Dieses hatte 2019 einen Umsatz von 1,73 Euro.

Aus Telefon wird SmallCell

Das Ende der Telefonzellen, wie wir sie kennen, ist jedenfalls durch die Telekom eingeläutet worden. Ein paar wenige werden weiterhin genutzt werden als „SmallCells“. Diese werden vor allem in städtischen Gebieten in die alten Telefonsäulen eingebaut. Damit sollen die Kapazitätsengpässe des Datentransfers abgedeckt werden.

Der Großteil des alten Raritäten wird aber fachgerecht entsorgt oder recycelt. Telefonzellen in einem guten Zustand hingegen werden zum Verkauf angeboten und landen vielleicht bei dem ein oder anderen Nostalgiker womöglich im Garten.

 
 
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