Abschied vom Rathaus Der Mann mit der Pfeife geht

Von Jörg Palitzsch
Volker Godel verlässt nach 24 Jahren das Ingersheimer Rathaus. Er hat, wie schon seine Vorgänger Karl Braun und Martin Maier, die Gemeinde geprägt. ⇥ Foto:

Der langjährige Bürgermeister Volker Godel geht  in den Ruhestand. Am Dienstag leitet er seine letzte Gemeinderatssitzung.

Es könnten sich unzählige Fotos aus dem Archiv ziehen lassen, auf denen Volker Godel zu sehen ist. Nach 24 Jahren als Bürgermeister von Ingersheim, dies sind immerhin etwas über  200 000 Stunden, hat sich vieles angesammelt. Vieles, an das sich Godel gerne erinnern wird, vieles aber auch, das er gerne vergessen wird.

Ein Bild wird man, wenn man jahrelang mit ihm zu tun hatte, nicht vergessen. So hatte Godel in seiner Laufbahn immer eine Konstante – seine Pfeife. In einer Ledertasche, die er stets  bei sich trägt, sind  drei Ersatzpfeifen, Streichhölzer und ein Pfeifenreiniger. Wenn es bei Ratssitzungen  gegen 21 Uhr ging, bemerkte man eine gewisse Unruhe, auch Gereiztheit. War die Sitzung vorbei, ging der Bürgermeister ohne Umwege in sein Büro, zündete die gestopfte  Pfeife an, und die Welt sah wieder ein wenig besser aus.

Es konnte sein, dass Godel ein interessantes Gespräch langsam auslaufen ließ, um seine Pfeife rauchen zu können. Und wenn er mal seine Ledertasche irgendwo liegengelassen hatte, sie dann vom Finder erhielt, sah die Welt auch wieder besser aus.

So folgte Volker Godel  in den vergangenen Jahren  stets einem Ratschlag Albert Einsteins: „Bevor man eine Frage beantwortet, sollte man immer erst seine Pfeife anzünden.“ Den Grund lieferte Einstein gleich mit. So trage Pfeiferauchen zu einem einigermaßen objektiven und gelassenen Urteil über menschliche Angelegenheiten bei. Und diese Angelegenheiten löste Godel während seiner Amtszeit in großer Zahl.

Er selbst nennt als Beispiele die Sanierung der Schillerschule. Ein Alleinstellungsmerkmal im Landkreis ist für ihn  die neue  „Residenz Ingersheim“ der Evangelischen Heimstiftung mit ihren Einrichtungen, für die sich der Ingersheimer Bürgermeister bis zur Umsetzung stark gemacht hat und auch die Situation der Kinderbetreuung ist auf einem guten Level. Am Herzen lag ihm auch die Unterstützung eines Kinderheimes im bulgarischen Vidrare, in dem rund 100 geistig und körperlich behinderte Kind leben. An der Sanierung beteiligten sich neben der Gemeinde das DRK, die ehemalige Schiller International University und die Bietigheimer Zeitung.

Ein langer Atem und Mut zum
Widerstand ist nötig

Für Godel war immer klar, dass es für die Entwicklung der Gemeinde einen langen Atem braucht, dass man den Mut haben muss, Widerstand zu zeigen und vorausschauendes Agieren nötig ist.

Besonders wichtig war und ist ihm die Partnerschaft mit der elsässischen Gemeinde Ingersheim. Er betrachtete es als eines mit seinem Amt verbundenem Privileg, sich für die deutsch-französische Freundschaft einzusetzen und wird dies auch privat weiterführen. Diese Partnerschaft nahm  nach ihrer Gründung im Jahr 1999 kräftig Fahrt auf, was in erster Linie  in dem freundschaftlichen Verhältnis zu seinem damaligen elsässischen Amtskollegen Gérard Cronenberger begründet war.

So hat der Ingersheimer Verwaltungschef in den 24 Jahren seiner Amtszeit immer Beständigkeit gezeigt. Und steht damit in der Tradition seiner beiden Vorgänger. Karl Braun war vom 24. September 1945 bis zum 1. September 1964 im Amt und hatte die  schwierige Aufgabe, die zu über 30 Prozent  zerstörte Gemeinde Großingersheim wieder aufzubauen.  So wurden in seiner Amtsperiode  eine Schule und Kindergärten gebaut, Einkaufsläden eröffnet und Bauland erschlossen.

Brauns Nachfolger, Martin Maier, war von 1964 an insgesamt 32 Jahre im Amt. Er trieb den Zusammenschluss von Groß- und Kleiningersheim  voran, in seiner Amtszeit wuchs die Einwohnerzahl von 2400 auf 5000 – und dementsprechend die Infrastruktur.

Die Rahmenbedingungen haben sich verändert

Volker Godel konnte darauf aufbauen, wobei sich die Rahmenbedingungen sehr schnell veränderten. Vor allem die Zunahme des Straßenverkehrs und das Windrad führte in Ingersheim zu heftigen Diskussionen.  Aber auch die  Amtsführung Godels, die immer stärker als nicht genügend bürgeroffen  betrachtet wurde, geriet in die Kritik. Godel wurde im Laufe der letzten Jahre dann auch immer etwas dünnhäutiger und reagierte auf Einwürfe  verschnupft, während sich die beiden Protestgruppierungen WIR und MIT, getragen von den Unzufriedenen,  im Gemeinderat etablieren konnten. Als von dieser Seite aus dann auch der aktuelle Haushalt abgelehnt wurde, dankte er demonstrativ den zustimmenden Ratsmitgliedern, die damit sichtbar Verantwortung für die Gemeinde übernommen hätten.

Dieser Appell ist typisch für einen Bürgermeister, der Kritik durchaus ernst nimmt und auch zur Selbstbefragung nutzt.  Er ist auch typisch für einen Bürgermeister, der die Personalisierung in der Kommunalpolitik schnell erkennt, die sich jedoch immer stärker zum Schaden einer gemeinsamen Sache vor das eigentliche Thema schiebt.

So suchte Volker Godel in seiner langen Amtszeit vielleicht zu oft das harmonische Miteinander. Er klopfte selten auf den Tisch, sondern machte schlechte Zugeständnisse, wo man noch einen guten Kompromiss hätte finden können. Jetzt, nach 24 Jahren, wird er auch erkennen, dass er es nicht jedem hat recht machen können.

Trotz allem bleibt der Ingersheimer Schultes als ein kommunaler Macher in Erinnerung, wenn auch nicht jeder Federstrich ausgeführt werden konnte. Auf einen großen Abschied muss er in Zeiten von Corona verzichten. Dies wäre, so Volker Godel, auch nicht mehr zeitgemäß.

 
 
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