Akademietage Bietigheim-Bissingen Ein Philosoph auf der Suche nach Sinn und Glück

Von Helena Hadzic
Wilhelm Schmid hielt einen philosophischen Vortrag zum Thema „Arm und Reich“. Foto: /Werner Kuhnle

Wissenschaftler Wilhelm Schmid aus Berlin hat den letzten Vortrag an den Akademietagen in Bietigheim-Bissingen gehalten – und das Publikum zum Nachdenken angeregt.

Moderne Menschen suchen stets nach dem Glück. Einige finden es in ihrer Arbeit, andere in materiellen Dingen. Eine kurze Zeit stellen diese auch zufrieden – bis die Endorphine, also die Glückshormone, aufgebraucht sind.

Auf eine Zeit des Glücks tritt wieder das Unglücklichsein ein: Die Suche nach dem Glück oder auch nach dem nächsten Endorphine-Erlebnis scheint viele Menschen unglücklich zu machen, so die Annahme des Berliner Philosophen Wilhelm Schmid, der im Rahmen der diesjährigen Akademietage den letzten Vortrag gehalten hat. Mit dem Thema „Arm oder reich – die Suche nach Sinn und Glück“ will er den Nerv einer Gesellschaft treffen, die, so formulierte es der Philosoph, auf der Suche nach dem „Wohlfühl-Glück“ die nach dem Sinn wohl auf der Strecke gelassen hat. Der Frage nach der Sinnsuche wiederum sind 160 Interessierte gefolgt.

Gesellschaft fällt auseinander?

Schmid begann seinen Vortrag mit den Worten „Die Gesellschaft droht auseinander zu fallen“ – eine Vermutung, die wohl in den letzten Monaten einige Menschen aufgrund der vielen Krisen gehabt haben. Ungerechtigkeit und wirtschaftliche Unterschiede spalten die Gesellschaften in Arm und Reich – dabei haben diese eine Gemeinsamkeit. Beide Lager wollen verstanden werden, so Schmid. Er schlägt vor, mit Mitmenschen ins Gespräch zu kommen und sie zum Beispiel zu fragen: „Wie kommt es eigentlich dazu, dass sie hier sind?“

Der Perspektivwechsel erlaube es dem Fragesteller, einen Blick auf die andere Seite der Medaille zu werfen. Und da stelle man häufig fest, dass die Reichen und Glücklichen gar nicht so glücklich seien – auch sie haben Sorgen. „Die armen Reichen wissen in einer Beziehung nie, ob die Person nur auf das Geld aus ist“, erklärt Schmid. Und er geht noch weiter: Sich alles leisten zu können, entwerte auch alles. Dem Glück allerdings, sei dieser Zustand nicht zuträglich, denn ein Millionär wäre gerne Milliardär, und dieser wiederum Elon Musk, erläutert der Berliner. Sie alle hätten konkrete Vorstellung davon, was sie brauchen, um glücklich zu sein.

Unglück führt zu Entwicklung

Zeiten des Unglücklichseins seien demnach unvermeidbar. „Aber auch das hat einen Vorteil: Aus Unzufriedenheit entsteht Entwicklung – denn niemand will etwas verändern, wenn er rundum zufrieden ist.“ sagte Schmid. Daraus schließt er, dass nicht Glück elementar sei, sondern der Sinn. Die Frage Schmids, ob jemand schon einmal nach dem Sinn des Lebens gefragt habe, als er verliebt war, brachte die Zuhörerschaft zum Schmunzeln: denn die Liebe sei der Sinn, so der Philosoph. Menschen in ärmeren Gesellschaften, so seine Beobachtung und Erfahrung, seien deswegen glücklicher, weil sie sich wegen ihrer wirtschaftlichen Begrenzungen mehr ihren Mitmenschen zuwendeten. Und weil Liebe sinnvoll sei, gäbe sie den Menschen Energie und Kraft.

Freiheit und Grenzen

Aber auch in Beziehungen gäbe es Grenzen, wie etwa in einer Ehe. Die Überschreitung einer Grenze führt meist ins Unglück oder auch geradewegs in einen Rosenkrieg. Dies bezieht Schmid auf das große Ganze. Freiheit bedeutet für ihn, Grenzen zu setzen, wie beispielsweise beim Tempolimit auf Autobahnen. „Wenn die Gesellschaft also nicht im Kleinen zusammenfällt, dann auch nicht im Großen“, lautete sein Fazit.

In der anschließenden zehnminütigen Diskussion fragte eine Teilnehmerin, ob er auch über Menschen, die ums Überlegen kämpfen, sagen würde, dass sie glücklicher seien. Schmid antwortete mit der Gegenfrage, was man dagegen unternehmen könne.

 
 
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