Akademietage „Die Eule beginnt ihren Flug in der Abenddämmerung“

Von Heidi Falk
Jürgen Wiebicke mit seiner „Eule der Minerva“ beim Vortrag im Kronenzentrum am Donnerstagmittag. Foto: /Martin Kalb

Jürgen Wiebicke sprach bei den Akademietagen als fünfter von sechs Rednern im Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen. Sein Thema „Zu viel Angst, zu wenig Zuversicht“ passte er den aktuellen Geschehnissen in der Politik an.

Den Mittwoch habe Jürgen Wiebicke mit einem Livestream zur Präsidentschaftswahl in den USA und Donald Trump begonnen, beendet habe er den Tag mit einem Livestream von Kanzler Olaf Scholz zum Aus der Ampelregierung. Es sei nicht üblich für ihn, so viel fernzusehen, erklärte er. Seinen Vortrag „Zu viel Angst, zu wenig Zuversicht?“ am Donnerstag könne er jetzt aber nicht halten, ohne die Ereignisse des Vortrags einzuflechten. Das führte dazu, dass Jürgen Wiebicke improvisierte.

Philosophische Fragen im Fokus

Wiebicke ist freier Journalist und Schriftsteller. Er kümmert sich allem voran um philosophische Fragen. Im Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen war er der fünfte von sechs Rednern im Rahmen der diesjährigen Akademietage. Diese sind eine Veranstaltung der Stadt Bietigheim-Bissingen, des Dachverbands für Seniorenarbeit Bietigheim-Bissingen und der Schiller-Volkshochschule Kreis Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit der BZ. „Sie waren ja hier und etwas beschützt“, sprach er das Publikum an, das größtenteils bereits am Mittwoch an den Akademietagen teilgenommen hatte. „Was sind die Köpfe der Philosophie, die uns in Krisenzeiten als Geländer dienen können?“, spannte er den Bogen zu seinem Vortragsthema und begann mit Immanuel Kants Frage: „Was ist Aufklärung?“

„Phänomen Trump“ auch hier

Die Antwort: Aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit herauszukommen. Die Wurzel eben jener Unmündigkeit sei Faulheit und Feigheit. Ein unaufgeklärtes Leben zu führen, könne sich für das Individuum aber gut anfühlen, die Mündigkeit abzugeben und sich wieder wie ein Kind zu verhalten. Diese Infantilisierung bedeute, sich nicht mit schwierigen (Welt-)Verhältnissen auseinandersetzen zu müssen. Dieses „Phänomen Trump“ gebe es aber nicht nur in den USA. „Hier heißen die Figuren anders“, so Wiebicke und weiter: „AfD-Wählen ist nichts anderes als wieder Kind werden zu wollen.“ Er hoffe jedoch sehr, „dass wir auch wieder in die Pubertät kommen.“

Mahatma Gandhi habe bereits gesagt, dass nicht Hass, sondern Angst der Feind sei. Derzeit befinde sich die Menschheit in einer Art Zwischenzeit, im Umbruch, so Wiebicke. Alte Werte und Lebensziele würden ausgemustert, es sei jedoch noch nicht klar, was folge. Diese Orientierungslosigkeit müsse erst einmal hingenommen und akzeptiert werden. Das bedeute nämlich nicht, nichts tun zu können, erklärte Wiebicke und brachte eine kleine Eulenfigur zum Vorschein. „Das ist Nippes, den ich einmal geschenkt bekommen habe“, sagte er. Die Figur stehe für die „Eule der Minerva“. Diese wiederum „beginnt ihren Flug in der Abenddämmerung“, schrieb der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel vor rund 180 Jahren. Abends nämlich seien die wesentlichen Ereignisse der Tages vorbei und man könne Geschehenes in der Rückschau betrachten. „Die Weisheit kommt leider immer ein bisschen zu spät“, so Wiebicke. Jedoch gebe es eben Zeiten für Zuversicht und für Besinnung. Mit neuen, mutigen Ideen voranzugehen, müsse sich in einer Art Wellenbewegung mit der Besinnung abwechseln.

„Krise“ bedeute im eigentlichen Wortsinn zu ent- und unterscheiden, was wichtig und was weniger wichtig ist. Dieser Wendepunkt sei „ein aktives Moment, wir sind nicht zum Zuschauen verdammt“, so Wiebicke.

Heidi Falk

 
 
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