Aktive Senioren Bietigheim-Bissingen „Weihnachten früher war anders“

Von Gabriele Szczegulski
Wie war Weihnachten in ihrer Jugend? Theresa Lessnig-Wagner, Hella Seubert, Carmen Stephan, Christel Bausenhart, Renate Wendt und Ottmar Wagner (von links) erzählen im Enzpavillon von ihren Erinnerungen an das Weihnachtsfest. Foto: /Martin Kalb

Der Vater im Krieg, die Familie durch eine Mauer durch Deutschland getrennt, Lebensmittel gab es nur auf Ration – Senioren erzählen im Enzpavillon von ihren Erinnerungen.

Weihnachten war anders, aber immer schön, früher war nicht alles besser, aber markanter in den Erinnerungen“, sagt Theresa Lessnig-Wagner (86). Erstaunlich, so sagt Hella Seubert, sei gewesen, vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit, „welche Anstrengungen unsere Mütter unternommen haben, um es uns schön zu machen“.  

Mütter wollten ihren Kindern etwas Schönes bieten

Und so sind die Erinnerungen der sechs Bietigheim-Bissinger Senioren, die sich im Enzpavillon zusammengefunden haben, durchweg schöne – dank der Mütter oder Großeltern. „Man war einfach kreativ, um den Kindern an Weihnachten etwas Schönes zu bieten“, sagt Christel Bausenhart (84). Theresa Lessnig-Wagner wuchs in Bad Neuenahr auf. Ihr Großvater kam aus Aachen und hatte Verbindungen zur Schokoladenfabrik Stollwerck in Aachen. „Da ist er vor Weihnachten hin und hat Bruchschokolade besorgt, mitten im Krieg, was waren wir glücklich“, erzählt sie.

Hella Seubert, die während des Zweiten Weltkrieges ein junges Mädchen war, erinnert sich, dass die Mutter die Lebensmittelmarken über Wochen gespart hatte, damit sie Weihnachtsplätzchen backen konnte. „Und ich habe Sperrholz gesammelt und meiner kleineren Schwester einen Puppenwagen gebaut“, sagt sie.

„Wir hatten keine Wünsche, wir waren über alles froh, was wir bekommen haben“, sagt Christel Bausenhart. Nach dem Krieg habe ihre Familie Care-Pakete von Verwandten aus den USA zu Weihnachten bekommen, mit Orangen, Schokolade, Kaugummi. „Ich habe zum ersten Mal eine Orange gesehen. Und weil die so bitter waren, haben wir sie in Zucker getaucht, das war ein Geschmackserlebnis“, so Bausenhart. Die Senioren erzählen von selbst gemachten Filz-Pantoffeln oder Schuhen aus alten Autoreifen, die die Eltern ihnen schenkten, aber auch vom Bügeln des Lamettas für den Weihnachtsbaum. Immer war es ein Glöckchen, das die Kinder auch während Notzeiten in die Stube rief, zur Bescherung. Anschließend ging es in die Christmette, „da durfte auch ich als Jüngste endlich mal lange aufbleiben“, so Lessnig-Wagner.

Den Weihnachtsbaum im Wald „besorgt“

Ihr schönstes Geschenk war eine Puppe, deren Einzelteile der Großvater auf dem Schwarzmarkt besorgt hatte. „Arme, Beine und Kopf waren aus Zelluloid und hatten Schlafaugen“, sagt sie. Warum diese Augen rollten, wollte der Bruder wissen und holte sie aus ihren Höhlen. Der Großvater reparierte sie mit Hölzchen, „seitdem hatte die Puppe Glupschaugen“, sagt Lessnig-Wagner.

Renate Wendts (78) schönste Erinnerung an ein Weihnachtsgeschenk sind die lang ersehnten Rollschuhe, die die Bietigheimerin bekam und mit denen sie sofort „den Enzsteig hinunter gerollt bin und natürlich bin ich hingefallen“, sagt sie. Für die Jungs, ging ein Traum in Erfüllung, wenn sie eine Märklin-Eisenbahn bekamen. „Nur leider bin ich in der DDR aufgewachsen, ich bekam eine vom Großvater selbst gemachte Holzeisenbahn“, sagt Ottmar Wagner.

Renate Wendt erinnert sich noch an ein Weihnachten, als es an Heiligabend an der Tür klingelte und ihr, dem Teenager, eine Schallplatte gebracht wurde, mit dem Song „In the Mood“ von Glenn Miller. „Ich weiß bis heute nicht, wer mir diese Schallplatte geschenkt hat“, so Wendt.

Den Weihnachtsbaum, den hat man sich im Wald „besorgt“ und „gehofft, dass der Förster einen nicht erwischt“, sagt Wagner und auch die fünf Frauen wissen von nächtlichen Besuchen ihrer Väter, Großväter oder Onkel im Wald mit der Axt.

Der Weihnachtsmann kam im Osten, im Westen das Christkind

„Bei uns hatte es damals immer Schnee an Weihnachten und da war es gefährlich, den grünen Baum rumzutragen, also hat man ihn in einen Sack gesteckt“, sagt Wagner. Er habe sich auch als Kind immer gewundert, dass der Vater am Heiligen Abend immer weg gewesen sei. „Er singt in der Kirche, hieß es“, so Wagner. Und dann sei der Weihnachtsmann gekommen, obwohl der Vater nicht da war und habe Missetaten der Kinder gewusst, die er doch gar nicht wissen konnte.

Während in der DDR der Weihnachtsmann kam, war es in Süddeutschland das Christkind, das die Geschenke brachte. Dennoch, eines war gleich: Weihnachten war etwas Besonderes, in dessen Mittelpunkt stand, die Kinder zu erfreuen. Carmen Stephan (69) ist den 1960er-Jahren in der DDR aufgewachsen. „Es gab nicht viel, aber meine Mutter sammelte Lebensmittel, sodass Weihnachten etwas Besonderes wurde“, sagt sie. Einmal habe sie sich Materialien zum Sticken gewünscht, die schwer zu bekommen waren. „Ich weiß nicht, wo meine Mutter die her hatte“, sie habe die ganzen Weihnachtstage nur gestickt. „Bis heute ist Sticken mein liebstes Hobby“, so Stephan. Zu essen gab es in Ost und West Kartoffelsalat und Saiten-, Wiener oder Bockwürstchen. Auf den Tisch kam auch der Weihnachtsstollen, den die Verwandten aus Leipzig schickten. „Weihnachten war immer schön, heute ist es nur leider zu sehr konsumlastig“, sagt Carmen Stephan, „manchmal hat man den Eindruck, die Kinder freuen sich gar nicht mehr richtig“.

 
 
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