Albrecht Reimold von Porsche im BZ-Interview Zentrales Pilotcenter ist „ein Riesenvorteil“

Von Mathias Schmid
Beim neuen Pilotcenter im Gewerbepark Eichwald geht es sichtbar voran. Mitte 2022 soll es hier losgehen. ⇥ Foto: Helmut Pangerl

Porsche-Vorstandsmitglied Albrecht Reimold spricht im BZ-Interview über die Bedeutung des Eichwalds für Porsche, Zukunftspläne und Nachhaltigkeit.

Porsche wird am Standort Eichwald größer und größer. Mit dem Pilotcenter für neue Prototypen verändert sich auch die Qualität am Standort. Bisher war hier nur die Porsche-Logistik aktiv. Im Interview mit der BZ spricht Albrecht Reimold, Porsche-Vorstand für Produktion und Logistik, über die Bedeutung des Eichwalds für Porsche, Zukunftspläne und Nachhaltigkeit.

Welche Rolle spielt der Eichwald in der Gesamt-Planung von Porsche?

Albrecht Reimold: Der Gewerbepark Eichwald ist der Sitz der Porsche Logistik GmbH. Sie ist die zentrale Drehscheibe für sämtliche Ersatzteile – ganz gleich ob für historische 911 oder den neuen elektrischen Taycan. Gleichzeitig erfolgt von dort die Steuerung der weltweiten Ersatzteillogistik. Insofern übernimmt der Standort eine zentrale Aufgabe und spielt eine wichtige Rolle für unsere Kunden. Das Unternehmen agiert als eigenständige Tochtergesellschaft und kleinere Einheit sozusagen wie ein Schnellboot besonders effizient und setzt innovative Technologien im logistischen Bereich ein.

Neu kommt jetzt ein Pilotcenter für Prototypen. Wie kam es dazu?

Bisher waren wir beim Thema Pilotcenter eher zerklüftet. Einige Funktionen waren in Weissach, andere in Hemmingen, Zuffenhausen und Ludwigsburg angesiedelt. Wir haben uns entschieden, alles zusammenzuführen, um größere Synergieeffekte zu realisieren. Sachsenheim hat sich angeboten, weil dort bereits die Logistik für Prototypenteile und die technische Entwicklung ansässig ist. So können wir auch im Rahmen der Nachhaltigkeit Transportwege und Zeit sparen. Zudem gibt es hier noch Erweiterungsmöglichkeiten und der Standort liegt zentral zu unserem Stammsitz in Zuffenhausen sowie dem Entwicklungszentrum in Weissach.

Was wird dort konkret geschehen?

Bevor ein neues Fahrzeug in die Serienfertigung geht, muss es vom Entwicklungsstand auf Produktionsstand gebracht werden sowie Hunderttausende von Testkilometern zurücklegen. Diese Prototypen und Baustufen-Fahrzeuge werden nicht auf Serienanlagen gefertigt, sondern im sogenannten Pilotcenter. Wie derzeit beispielsweise die nächste Generation des Macan, die in Ludwigsburg, Zuffenhausen und Leipzig entsteht. In Zukunft geschieht das zentral auf einer Fläche, sodass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser voneinander lernen können. Es wird immer wichtiger, den Ablauf komplett durchzuspielen und nicht nur sequenziell hintereinander zu agieren. Im Eichwald wird das ein Riesen-Vorteil sein.

Im Eichwald werden also komplette Prototypen zusammengebaut?

Genau. Sie werden dort nicht nur gefertigt, sondern auch analysiert: Wie wirken sich verschiedene Komponenten aufeinander aus? Warum gibt es beim Fahren akustische Themen und wie können wir diese optimieren? Sowas wird in der Vorserie herausgearbeitet und dann mit Maßnahmen belegt, sodass sich die Fertigung später darauf konzentrieren kann, den Teilefluss und den Zusammenbau möglichst effizient zu gestalten. Die wesentlichen Probleme müssen abgestellt werden, bevor ein neues Modell in Serie in die Fabrik geht. Wir müssen heute schneller agieren als noch vor ein paar Jahren. Früher hat Porsche vielleicht ein neues Modell pro Jahr präsentiert, jetzt sind es zwei bis drei. Die Welt ist schneller geworden. Deshalb müssen wir auch die Organisation effizienter gestalten.

Wann geht das Pilotcenter an den Start?

Wir sind schon regendicht. Mitte 2022 wird das Pilotcenter in Betrieb gehen. Der Standort bietet dann hochtechnologische Arbeitsplätze für Ingenieure und gewerbliche Mitarbeiter, die sich dann mit der Herstellbarkeit unserer neuen Produkte beschäftigen. Wichtiger denn je ist für uns auch das Etablieren und In-Serie-Bringen von neuen, innovativen Technologien. In der Fabrik für unseren ersten elektrischen Sportwagen, den Taycan, haben wir beispielsweise das klassische Fließband durch fahrerlose Transportsysteme ersetzt. Das haben wir zuerst im Pilotcenter gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Fertigung erprobt.

Wie viele Arbeitsplätze entstehen im Pilotcenter?

Das hängt auch immer von den aktuellen Projekten ab. Im Rahmen der Porsche-Arbeitswelten werden dort auch Mitarbeiter für einige Monate arbeiten und dann wieder zurück an ihren angestammten Arbeitsplatz gehen. Verantwortet wird das Pilotcenter von der Produktion; der Austausch und die Zusammenarbeit ist aber ressortübergreifend mit Fachleuten der technischen Entwicklung, Beschaffung und Baureihenorganisation. So bringen wir das Wissen aller Fachbereiche und Ressorts zusammen. Im Schnitt werden dort 100 bis 150 feste Mitarbeiter beschäftigt sein, zeitweise aber auch mal mehr als 200. Und es geht nicht nur um die Hardware, sondern auch um die Software unserer Fahrzeuge, die künftig immer wichtiger wird.

Der Eichwald wird aber kein reines E-Pilotcenter?

Nein. Dort werden sämtliche neuen Modelle zur Serienreife gebracht.

Gleichzeitig wird das Hochregallager erweitert. Zudem hat Porsche weitere Optionsflächen. Was ist der langfristige Plan im Eichwald?

Zunächst einmal möchten wir das Pilotcenter fertigstellen. Für die Porsche Logistik GmbH haben wir natürlich immer weitere Gedanken. Mittlerweile sind wir in der Ausbaustufe fünf. Das weitere Hochregallager, das sich gerade ebenfalls im Bau befindet, deckt die Kapazitäten ab, die wir derzeit benötigen. Im Sinne der Nachhaltigkeit arbeiten wir auch an uns selbst: Beispielsweise mit dem sogenannten Streckengeschäft. Konkret bedeutet das, dass wir Ersatzeile erst gar nicht in Sachsenheim konsolidieren, sondern direkt vom Lieferanten in die Distributions-Zielbahnhöfe und dann in die weltweiten Märkte schicken. In der Ablauf-Optimierung gibt es noch viel Potenzial, um Sachsenheim nicht immer noch größer zu machen.

Bürgern der Eichwald-Kommunen ist die Gewerbesteuer, die vom Gewerbepark abfließt, zu gering. Was kann Porsche hier zukünftig leisten?

Porsche gehört zum Volkswagen-Konzern. Insofern führt die Porsche Logistik GmbH wie auch die Porsche AG keine Gewerbesteuer direkt an den Eichwald ab. Steuerschuldner gegenüber sämtlichen Städten und Gemeinden für den gewerbesteuerlichen Organkreis ist die Volkswagen AG. Mein Wissensstand ist, dass stetig Gelder geflossen sind. Neben der Gewerbesteuer sollten Sie aber auch die Arbeitsplätze nicht außer Acht lassen, die wir schaffen. Aktuell beschäftigt Porsche dort 650 Mitarbeiter, dazu kommen Arbeitsplätze bei diversen Dienstleistern.

Ein weiteres Thema ist der Flächenverbrauch. Könnte Porsche seine Flächen noch effizienter nutzen?

Effizienz ist immer unsere Maxime. Deshalb gehen wir auch in die Höhe und in die Tiefe: Die Hochregallager im Eichwald sind 30 Meter hoch und gehen teilweise ins Erdreich hinein. So versuchen wir, die Umweltauswirkungen möglichst gering zu halten. Des Weiteren kümmern wir uns um die Biodiversität und nutzen eine hohe Anzahl an Quadratmetern für Photovoltaikanlagen. Wir sind ein Pionier nachhaltiger Mobilität und wollen 2030 bilanziell CO2-neutral sein.

Viel Platz nehmen Parkplätze ein. Gibt es Planungen für Parkhäuser?

Soweit ich weiß, noch nicht. Aus meiner Sicht geht es mehr darum, dass wir für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst effiziente Shuttle-Systeme anbieten: Fahrgemeinschaften oder Shuttle-Verkehre für die einzelnen Schichten. Man muss den Personenverkehr grundsätzlich effizienter machen.

Gibt es solche Shuttle-Services schon für den Eichwald?

Aktuell noch nicht, aber das ist unser Anspruch.

 
 
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