Altlasten in Sachsenheim und Markgröningen Zuckersirup gegen Schadstoffe

Von Martin Hein
Bis 2018 wurde das Wasser der Seepfadquelle in diesem Container mit Aktivkohlefilter von Schadstoffen gereinigt. Seit knapp zwei Jahren zersetzt direkt in Bohrungen eingefüllte Melasse die Schadstoffe - mit messbarem Erfolg.⇥Foto: Foto: Oliver Bürkle

Seit Jahrzehnten muss das kontaminierte Wasser der Sachsenheimer Seepfadquelle gereinigt werden. Ein Ende der Maßnahme ist nicht in Sicht. In Markgröningen gibt es einen ähnlichen Fall.

Früher stand auf dem Eichwaldgelände die Radaranlage der amerikanischen Nike-Raketen-Basis mit der weit sichtbaren großen Kuppel. Heute wuchern an dieser Stelle Brombeeren, Bienen summen. Ein Biotop, möchte man meinen, aber weit gefehlt.

Nichts deutet darauf hin, dass an dieser Stelle seit Jahrzehnten Wasser gereinigt werden muss. Ein sonnengebleichter gelber Stahlcontainer offenbart das Malheur. Bis 2018 wurde in diesem Container das Wasser der Seepfadquelle mit einem Aktivkohlefilter von Schadstoffen gereinigt, die immer noch im Boden stecken und mühsam beseitigt werden müssen. Inzwischen setzt man große Hoffnungen auf ein neues Verfahren. Ein Ende der Schadstoffbekämpfung ist dennoch nicht in Sicht.

Schadstoffe entdeckt

Viele Jahre förderte früher dort eine Pumpstation aus der Seepfadquelle Trinkwasser für Großsachsenheim. Mitte der 1980er-Jahre stieß man nach aufwendigen Untersuchungen auf Schadstoffe, die sich vom Bereich der ehemaligen Raketenstation über das Trinkwasser bis hin zur Quelle ausgebreitet haben. Offensichtlich hatten die ehemals dort stationierten amerikanischen Soldaten  über einen langen Zeitraum den Boden mit in Lösungsmittel enthaltenen leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) verunreinigt. Vermutlich war LHKW als Bestandteil in Kaltreinigern enthalten, mit denen die Soldaten Motoren gereinigt haben.

1986 hat die Stadt Sachsenheim die Seepfad-Quelle von der Wasserversorgung abgekoppelt. Nach zahlreichen Bohrungen konnte der Ursprung der hohen Schadstoffbelastung schließlich auf den Bereich der ehemaligen Raketenstation eingegrenzt werden. Bis 2018 hat die Reinigung bereits rund 260 000 Euro gekostet.

Nach Auskunft des Sprechers der Stadt Sachsenheim, Matthias Friedrich, ist die Grundwasserreinigung nach wie vor notwendig. Im Grundwasserpegel wird immer noch ein Schadstoffanteil von 50 Mikrogramm pro Liter gemessen, an der Quelle direkt beträgt der Schadstoffgehalt 10 Mikrogramm pro Liter, was dem Trinkwassergrenzwert entspricht.

Melasse gegen Schadstoffe

Eine weitere Reduzierung der Schadstoffe war mit der Reinigung durch Aktivkohle nicht zu erreichen. 2018/2019 habe man in Abstimmung mit dem Landratsamt Ludwigsburg die Filtration auf ein mikrobiologisches Verfahren umgestellt. Tanja Ewald, die stellvertretende Geschäftsführerin des Zweckverbands Eichwald, erklärt, dass im Rahmen eines Pilotprojekts bei diesem sogenannten ENA-Melasse-Verfahren in vier Bohrungen insgesamt etwa 500 bis 1000 Liter eines zwei- bis fünfprozentigen honigartigen dunkelbraunen Zuckersirups eingefüllt werden. Diese Aktion wird zwei bis dreimal jährlich wiederholt. Bei dem Verfahren des Instituts für Biotechnologie an der Universität Wien, werden die Schadstoffe mikrobiell abgebaut, bisher mit messbarem Erfolg, so Tanja Ewald. Die für den Abbau erforderlichen anaeroben Verhältnisse hätten sich stabilisiert und die Schadstoffkonzentration sei weiter rückläufig.

Die Kosten für das erste Jahr nach der Verfahrensumstellung, lagen bei rund 26 000 Euro. Derzeit kostet das neue Verfahren jährlich rund 13 000 Euro. Nach Auskunft von Tanja Ewald, trägt der Zweckverband die Kosten. Im Herbst werde man mit dem Landratsamt die Situation neu bewerten und die weitere Vorgehensweise absprechen.

Die kontaminierte Seepfadquelle ist im Landkreis kein Einzelfall. In Markgröningen hat man 1980 festgestellt, dass die ehemalige Trinkwassererfassung der Auquelle mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verunreinigt ist.

Chlorierte Kohlenwasserstoffe wurden nach Auskunft des Landratsamts, in den 1960er- bis Anfang der 1980er-Jahre in großem Umfang als Reinigungs- und Entfettungsmittel beispielsweise in der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt. Unsachgemäßer Umgang führte offensichtlich dazu, dass diese Stoffe in den Boden gelangten und die Quelle bis zum heutigen Tag verunreinigen.

Grenzwert überschritten

Der zulässige Grenzwert von 10 Mikrogramm pro Liter wurde in den 1980er-Jahren mit 2000 Mikrogramm pro Liter deutlich überschritten. Seit 1980 muss das Wasser über Aktivkohlefilter gereinigt werden. Immerhin konnte die Schadstoffkonzentration reduziert werden. Aktuell liegt die CKW-Konzentration nach Auskunft des Landratsamts im Bereich zwischen 10 und 100 Mikrogramm pro Liter. Da bisher kein Verursacher eindeutig nachgewiesen werden konnte, werden die Kosten der Quellwasserreinigung vom Land Baden-Württemberg übernommen. Die Kosten für die Erkundung und Reinigung der Auquelle belaufen sich inzwischen auf rund 750 000 Euro. Insgesamt fielen bislang Sanierungskosten von deutlich über einer Million Euro an.

3500 Verdachtsfälle im Kreis

Die Seepfadquelle und die Auquelle sind nicht die einzigen Altlasten-Problemfälle im Landkreis. Vom Landratsamt wurden im gesamten Kreis über 3500 Verdachtsflächen erfasst. Alles Altstandorte und Altablagerungen, die  je nach Gewerbebranche unterschiedlich stark belastet sein können.

 
 
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