Am 8. März ist Weltfrauentag Helma Sick zeigt Frauen den Weg in die finanzielle Unabhängigkeit

Von Heidi Vogelhuber
In der Corona-Zeit leben alte Rollenbilder wieder verstärkt auf. Vor allem Frauen treten beruflich kürzer, um sich um die Kinder zu kümmern, oder managen Arbeit und Homeschooling parallel. ⇥ Foto: epd/Maike Gloeckner

Wie Familie und Beruf besser vereinbart und Frauen finanziell unab­hängig werden, erklärt Autorin Helma Sick in einem Online-Vortrag, organisiert von der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises und der VHS.

Knapp 18 Prozent der Rentner gelten in Deutschland als arm oder armutsgefährdet. Laut Statistischem Bundesamt sind Frauen über 65 mit einem Anteil von knapp 20 Prozent stärker armutsgefährdet als gleichaltrige Männer (15 Prozent). Das liegt an einer geringen Rente, oft verursacht durch die finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann und einer unzureichenden Altersvorsorge.

„Kinder sind so etwas wie Einkommens-Killer“, sagte Dr. Christian Sußner, Dezernent im Landratsamt Ludwigsburg, in seinen einführenden Worten zu einem Online-Vortrag, der von der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Ludwigsburg, Cynthia Schönau, und der Schiller-Volkshochschule initiiert wurde und am Dienstagmittag über die Online-Plattform Microsoft Teams kostenfrei angeboten wurde. In zwei Wochen, am Montag, 8. März, ist der diesjährige Internationale Frauentag. Symbolisch soll er für die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann stehen. In der Praxis ist die Gesellschaft in Deutschland aber noch alles andere als gleichberechtigt.

„Bevor wir Kinder bekamen, hat meine Frau mehr verdient als ich“, führte der Dezernent, der Landrat Dietmar Allgaier wegen einer Terminkollision vertrat, aus. „Das Unternehmen teilte ihr nach dem zweiten Kind mit, dass sie keine Zukunft mehr dort habe. Teilzeit bei einem leitenden Mitarbeiter hat dem Chef nicht gepasst“, berichtete Sußner den rund 80 Online-Teilnehmern.

In der aktuellen Corona-Zeit mit Homeschooling und Sorgearbeit in der Familie, die größtenteils von Frauen übernommen wird, leben alte Rollenbilder zusätzlich zu anderen Erschwernissen wieder verstärkt auf. Das ist das Stichwort von Helma Sick. Die Betriebswirtin und Sachbuchautorin gilt als Finanzexpertin, vor allem wenn es um die Finanzen von Frauen geht (siehe Infobox). Sie hat der Altersarmut bei Frauen den Kampf angesagt und berät Frauen, wie sie unabhängig für ihren Lebensunterhalt sorgen und fürs Alter vorsorgen können – trotz Kindern und Familie.

„Altersarmut bei Frauen ist kein Naturgesetz, sondern das Zusammenwirken von Diskriminierung“, wendet sich Sick an ihre Zuhörer. Das liege an viel zu schlecht bezahlten sogenannten „Frauenberufen“, aber auch an der „Blauäugigkeit der Frauen“, formuliert die Expertin ohne Umschweife. Entscheidungen, wie ein Kind zu bekommen oder Zusammenzuziehen, werden von Paaren gemeinsam getroffen, die negativen Folgen hingegen müssten oft von Frauen alleine getragen werden. Wenn Männer ihren Frauen vorschlügen, beruflich kürzer zu treten, klinge das gut gemeint, jedoch müsste der nächste Schritt der Frau sein, sich bei der Deutschen Rentenversicherung (kostenfrei) ausrechnen zu lassen, was sie das an Rente koste, wenn sie Stunden reduziere. Dann könne ein Ausgleich vereinbart werden, der in einen Sparplan für die Altersvorsorge der Frau einfließe. Wie ein Vertrag zur Liebe passe? „Liebe Frauen, seid besser jetzt unromantisch als ein Leben lang arm“, ist Sicks Antwort.

„Frauen können heute alles werden, sogar Bundeskanzlerin“, so die Autorin. „Trotzdem wählen viele junge Frauen ein Leben wie ihre Mutter oder Großmutter.“ Aussagen wie „Mein Kind ist mein Beruf“ und die Annahme, die Ehe sei ein ausreichendes Versorgungsmodell trotz der hohen Scheidungsrate (jede dritte Ehe wird geschieden, die durchschnittliche Ehedauer beträgt 15 Jahre), kann Sick nur schwer akzeptieren. „Frauen haben abstruse Vorstellungen, was ihnen nach einer Scheidung zusteht, ohne gearbeitet und eingezahlt zu haben“, sagt Sick und erinnert, dass das Ehegattensplitting, also das Modell eines (Haupt-)Verdieners und einer Hausfrau, ob mit oder ohne Kinder, von der gesamten Gesellschaft bezahlt werde.

Der Lebensunterhalt einer studierten Hausfrau, die nicht in die Krankenkasse eingezahlt, keine Steuern oder Sozialabgaben geleistet hat, koste nach 30 Jahren Ehe etwa eine halbe Million Euro. „Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn“, sagt Sick und ergänzt: „Diese staatlichen ‚Wohltaten’ sind kontraproduktiv für Frauen.“ Jährlich könnten 70 Milliarden Euro durch das Wegfallen des Ehegattensplittings eingespart und für moderne Familienmodelle eingesetzt werden, resümiert die Finanzexpertin. Wenn Frauen sich jedoch immer nur als Opfer sehen und jammern, stabilisiere das nur das System. „Es ändert sich nur, wenn Frauen und Männer sich dafür einsetzen und Frauen sich einen eigenen Lebensplan entwerfen, inklusive fairem Teilen von Kindererziehung, Beruf, Hausarbeit“, sagt Sick. Eine Befreiung aus der Opferrolle sei nur möglich, wenn Frauen nicht abhängig seien, „sondern die volle Verantwortung für ihr Leben übernehmen“, schloss die Referentin den Vortrag.

 
 
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