Atomkraftwerk in Neckarwestheim EnBW: Aus für Block II ist endgültig

Von sol
Das Kernkraftwerk in Neckarwestheim aus der Luft. Am 15. April soll es abgeschaltet werden. Foto: Martin Kalb

Am Samstag, 15. April, endet im GKN die atomare Stromproduktion. Eine erneute Inbetriebnahme des Atomkraftwerks ist danach nicht mehr möglich, sagt Jörg Michels, EnBW-Kernkraftchef.

Seit dem 3. Januar 1989 signalisiert die Dampfwolke über Block II in Neckarwestheim: Hier wird Atomstrom produziert. An diesem Tag wurde das jüngste Atomkraftwerk in Deutschland in Betrieb genommen. Mit der Stilllegung des Kraftwerks am Samstag, 15. April, wird auch die Dampfwolke verschwinden, dreieinhalb Monate nach dem ursprünglich angesetzten Termin, dafür aber diesmal für immer.

Es fehlen Mitarbeiter wie auch Brennelemente

Um die Stromversorgung in diesem Winter abzusichern, hatte die Berliner Koalition die Laufzeit der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bekanntlich noch einmal verlängert. Ein zweites Mal ist dies laut Jörg Michels, dem Geschäftsführer der EnBW-Kernkraftsparte, nicht möglich, die Diskussion darüber sei „unnötig“: Dazu fehlen die Mitarbeiter, von denen schon jetzt etliche den Beginn ihres Ruhestandes oder ihre Altersteilzeit verschieben mussten. Es fehlen die Brennelemente, die schon im Januar neu sortiert wurden, um überhaupt einen Weiterbetrieb zu ermöglichen. Und es fehlt die Betriebsgenehmigung, sobald das Kernkraftwerk die Genehmigung zum Rückbau erhalten hat und in Anspruch nimmt, führte Michels am Donnerstag gegenüber der Presse aus. „Wir sind an einem Punkt, an dem der Weiterbetrieb nicht möglich ist“, sagte er.

Schon die am 9. Dezember erfolgte Verlängerung des Betriebs war für EnBW eine große Herausforderung. Der „Masterplan“ für Block II, der zum 1. Januar wie die insgesamt vier baden-württembergischen Kraftwerksblöcke in Phillipsburg, Obrigheim und Neckarwestheim (Block I) in den Vorjahren stillgelegt und zurückgebaut werden sollte, wurde hinfällig. Vorausschauend hatte EnBW bereits im September 2022 mit den Vorbereitungen auf die damals diskutierte Laufzeitverlängerung für Block II begonnen. Mit den Mitarbeitern wurde eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen, eine Änderung des Genehmigungsverfahrens war notwendig. Der Zeitplan wurde umgestellt, und damit mussten und müssen die Verträge mit den beteiligten Firmen neu verhandelt werden, ein Prozess, der noch immer nicht abgeschlossen sei.

Das alles hat die EnBW einen „unteren dreistelligen Millionenbetrag gekostet“, sagte der EnBW-Geschäftsführer, genaue Zahlen nannte er aus Wettbewerbsgründen nicht. Doch es gibt auch Einnahmen: In den dreieinhalb Monaten der Laufzeit-Verlängerung werde Block II vermutlich mehr als 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren. Dem Unternehmen sei es jedoch nicht darum gegangen, Umsätze zu generieren, so Michels. EnBW habe vielmehr einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten wollen. Zudem sei der Strompreis gedeckelt worden.

Die Anlage wird„kalt gefahren“

Die Abschaltung des Kernkraftwerks ist ein Routineprozess, der sich über Stunden und Tage hinzieht. Die atomare Kettenreaktion in den Brennstäben wird verlangsamt, schließlich eingestellt, der gesamte atomare Kreislauf der Anlage wird „kalt gefahren“, wie sich Michels ausdrückte. Der Generator wird vom Stromnetz getrennt, die Turbinen in der Maschinenhalle abgeschaltet. Die Genehmigung zum Rückbau erwartet der Geschäftsführer noch vor dem 15. April. Mit dem eigentlichen Rückbau der Anlage kann das Energieunternehmen aber erst Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres beginnen. Viele einzelne Schritte von der Abkühlung der Anlage bis hin zur Dekontamination der Brennkammern und der Maschinenhalle müssen bürokratische und aufsichtsrechliche Verfahren durchlaufen.

Gesamter Rückbauprozessdauert zehn bis 15 Jahre

Die EnBW habe beim Rückbau von Obrigheim, Phillipsburg und GKN I schon viele Erfahrungen gewonnen. Dennoch werde der gesamte Rückbauprozess zehn bis 15 Jahre dauern. Die Gesamtkosten für Stilllegung und Rückbau aller fünf Blöcke bezifferte Michels auf neun Milliarden Euro. Wieviel davon auf GKN II entfalle, lasse sich nicht beziffern.

Ob die Verlängerung der Laufzeit überhaupt notwendig geworden sei? Er sehe sich nicht in der Lage, diese Frage eindeutig zu beantworten, entgegnete Michels. Der befürchtete Versorgungsengpass ist ausgeblieben, dazu habe auch der milde Winter beigetragen.

Sicher ist für ihn: Obwohl die Kernkraftwerke in Betrieb waren, musste im Winter Strom aus dem Ausland gekauft werden.

Atomkraftgegner feiern Abschaltung mit einem Fest

Über Jahrzehnte haben Atomkraftgegner ihre Protestmärsche organisiert: Manchmal sind sie zu Hunderten vom Kirchheimer Bahnhof aus zum GKN marschiert, manchmal waren es nur ein Dutzend, um dort gegen den Betrieb des Atomkraftwerks zu demonstrieren. Für sie ist die endgültige Abschaltung von Block II am Samstag, 15. April, ein großer Erfolg, macht Herbert Würth deutlich, einer der Organisatoren der Widerstandsbewegung.

Ein Erfolg, den die Atomkraftgegner an diesem Tag in der Zeit von 13 bis 16 Uhr mit einem Fest auf dem Parkplatz vor den Toren des GKN feiern wollen. Verschiedene Redner aus der Anti-Atomkraftbewegung werden auftreten, an Ständen wird über den Widerstand gegen den Betrieb des Atomkraftwerks und die Transporte von Atommüll in Castor-Behältern informiert. Zwischen dem Bahnhof von Kirchheim und dem GKN ist ein Bustransport organisiert, kündigt Würth an. Für ihn heißt es trotz der Abschaltung wachsam und weiter präsent zu bleiben. Die „Atom-Lobby“ werde darauf drängen, die Abschaltung rückgängig zu machen, fürchtet er. 

 
 
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