Ausbilder aus dem Landkreis zum Erzieherinnenmangel „Ausbildungsverkürzung ist ein Schuss in den Ofen“

Von Gabriele Szczegulski
Es gibt zu wenig Erzieher und Erzieherinnen, sodass auch im Landkreis Ludwigsburg Gruppen in Kitas nicht öffnen können oder sogar schließen müssen. Foto: /Daniel Naupold

Kita-Gruppen schließen oder können gar nicht erst aufmachen: Der Fachkräftemangel ist deutlich spürbar. Um mehr Erzieher zu generieren, will die Politik die Ausbildung von drei auf zwei Jahre verkürzen.

In allen Kommunen ist es ein Thema: Erzieher und Erzieherinnen für Kitas sind Mangelware. Teilweise müssen Gruppen tageweise schließen oder verkürzt öffnen. „Der Fachkräftemangel ist brutal spürbar im Kita-Bereich“, sagt Michael Kleemann Abteilungsleiter für den Bereich Erziehung und Pflege in der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg.

In der Berufsfachschule des Landkreises Ludwigsburg werden die Erzieherinnen ausgebildet. Der Grund für den Mangel an Personal in den Kitas ist für ihn klar: „Er ist hausgemacht. Die Kitas sprießen seit einigen Jahren aufgrund des Rechtsanspruchs für jedes Kind auf einen Kindergartenplatz aus dem Boden.“ Die Menge an Auszubildenden, so Kleemann, sei nicht kleiner geworden, aber: „Selbst wenn sich noch mehr um eine Ausbildung bewerben würden, wir an der Mathilde-Planck-Schule könnten nicht mehr aufnehmen, wir sind am oberen Rand der Auslastung.“

Mehr Fachklassen könne der Landkreis in der Berufsfachschule nicht öffnen, denn zum Erzieherinnenmangel käme auch noch der Lehrermangel an qualifizierten Pädagogen hinzu. Eine Verkürzung der Ausbildungszeit, wie sie von politischer Seite vorgeschlagen wurde, lehnen Fachverbände wie auch Ausbilder wie Michael Kleemann aus Qualitätsgründen ab. „Eine Verkürzung der Ausbildung um ein Jahr wäre ein Schuss in den Ofen“, so Kleemann. Eine Verkürzung würde weniger Praxiszeit sowie weniger fachliches Wissen bedeuten und den Beruf abwerten, ist sich Kleemann sicher. „Zudem würde die pädagogische Qualität leiden“, sagt er.

Der praxisorientierte Weg ist attraktiver

Zwei Ausbildungswege werden in der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg angeboten: der klassische Weg mit einer dreijährigen Ausbildung, wobei zwei Jahre an der Schule verbracht werden, inklusive einem Tag pro Woche in der Ausbildungsstätte, sowie einem Anerkennungsjahr. Hierfür kann das sogenannte „Meister-Bafög“ beantragt werden. Bei einer Verkürzung, so Kleemann, würde das Anerkennungsjahr wegfallen, es gebe also kaum Praxis-Kenntnis für die Auszubildenden.

Der zweite Weg ist die Praxis-integrierte Ausbildung (Pia), die, so Kleemann, mittlerweile dem klassische Weg den Rang abläuft. Nach einem Berufspraktikum in einer Kita sind die Auszubildenden mindestens zwei Tage pro Woche, eher mehr, in der Ausbildungsstätte, bei der sie einen Ausbildungsvertrag haben, die restlichen Tage in der Schule. Während beim klassischen Weg die Azubis lediglich im Anerkennungsjahr eine kleine Bezahlung bekommen, erhalten sie während Pia ein tariflich geregeltes Ausbildungsgehalt von 1100 bis 1300 Euro pro Monat – drei Jahre lang. „Alleine das ist ein Riesen-Argument für die praxisintegrierte Ausbildung“, so Kleemann. Würde man diese auf zwei Jahre verkürzen, würde auch hier der Praxis-Anteil weniger.

Vor zehn Jahren sei die klassische Erzieher-Ausbildung an der Schule dreizügig gewesen. Pia startete vor zehn Jahren mit einer Klasse, mittlerweile hat sich das Verhältnis umgedreht. Insgesamt sind es 90 Schüler in der Pia-Ausbildung, 30 in der klassischen. „Pia ist viel attraktiver, nicht nur für Schüler, die nach der Mittleren Reife zu uns kommen, sondern auch für Quereinsteiger, für eine Zweitausbildung oder für Hochschulabbrecher“, so Kleemann. „Nicht nur das Gehalt sei ein Argument für Pia, auch die praxisnahe Ausbildung. Durch die häufige Anwesenheit der Auszubildenden in den Kitas können diese schon während der Ausbildung „qualifiziert mitarbeiten“, was ihnen Selbstbewusstsein gebe und der Kita eine verlässliche Hilfe.

Eine Lösung ist die Akademisierung

Rechtlich sei der Abschluss beim Pia-Weg einem Meisterbrief gleichzusetzen und heißt „Bachelor of Professional in Sozialwesen“. „Das ist auch eine qualitative Aufwertung des Berufs“, sagt Kleemann. Denn: die Absolventinnen sind anschließend befähigt, ein Studium aufzunehmen. „Eine Lösung für den Fachkräftemangel ist die Qualifikationserhöhung durch Akademisierung“, so Kleemann, auf der anderen Seite die Praxisnähe, die bei Pia gegeben sei.

Dem pflichtet Prof. Dr. Jens Müller, Studiengangleiter BA Bildung und Erziehung im Kindesalter und für Berufspädagogik für Sozial- und Gesundheitsberufe an der Evangelische Hochschule Ludwigsburg (EH), bei. Der Beruf müsse aufgewertet werden, was die Qualifikation, die Rahmenbedingungen und das Gehalt betreffe, anstatt ihn durch weniger Fachkompetenz und einer verkürzten Ausbildungszeit abzuwerten.

„Die Träger der Einrichtungen müssen etwas tun, damit überhaupt Personal generiert werden kann und jemand den Beruf erlernt“, sagt er. Bislang sei der Beruf der Erzieherin, mit einem weiblichen Überschuss, „kein Lebenszeit-Beruf“. „Kaum eine Mitarbeiterin bleibt bis zur Rente in der Kita, weil die Rahmenbedingungen für Ältere denkbar schlecht sind, hier muss der Arbeitgeber etwas an den Rahmenbedingungen verändern“, so Müller. Man könne nicht nur „einen unglaublichen Aufbau an Kitas und Plätzen organisieren, aber in der Kita nichts verändern“, sagt er. Müller ist zuständig an der EH für den seit 13 Jahren bestehenden akademischen Sonderweg des Studiums Bildung und Erziehung, nach dessen Ende die Absolventen als Erzieher in die Einrichtungen können, Leitungs- oder beratende Funktionen übernehmen können. Während des Studiums gibt es Praxisblöcke von mehreren Wochen in Kitas. „Das Studium wurde im Zuge der Einführung der Vorschule in den Kitas nach europäischem Vorbild gestaltet, Deutschland hinkt in der Akademisierung des Erzieherberufes nach“, so Müller.

EH und PH kooperieren für das Studium

Das Studium ist eine Kooperation von EH und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (PH). „Egal an welcher der beiden Hochschulen man sich eingeschrieben hat, man studiert exakt das gleiche, die Studenten werden zum Teil an der EH und zum Teil an der PH unterrichtet“, so Müller. An der Evangelischen Hochschule gibt es 60 Studienplätze, an der Pädagogischen Hochschule 120, sodass pro Semester 180 künftige Erzieher studieren können. Und die Nachfrage nach diesen Plätzen sei sehr hoch und könne kaum bedient werden.

Die Absolventen seien nach dem Studium in der Lage, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu bringen, durch die nicht nur die Kinder profitieren, sondern auch das Personal, da die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen durch neue Theorien verbessert werden können. Dadurch könne man Personal auch halten, wenn beispielsweise ältere Erzieherinnen eigene Aufgabenbereiche übernehmen.

Philipp Ziegler, Geschäftsbereichsleiter der Kinder- und Jugendhilfe auf der Karlshöhe in Ludwigsburg, merkt in der Praxis den Fachkräftemangel „knallhart“. „Noch können wir die Betreuung in den Wohngruppen für Kinder und Jugendliche voll gewährleisten“, sagt er und betont, dass Pia-Auszubildende „eine große Bereicherung sind, weil sie regelmäßig mehrere Tage am Stück in der Einrichtung sind.“

Insgesamt hat die Karlshöhe in Zieglers Bereich acht Auszubildende, davon vier Pia-Azubis und vier Erzieherinnen im Anerkennungsjahr. „Künftig wird wohl der Anteil der Pia-Azubis mehr werden“, sagt er. „Es scheint so, als ob die Berufsanfänger zur Pia-Ausbildung tendieren und wir passen uns dem an.“

 
 
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