Mit seinem neuen Buch gibt Jörg Palitzsch „20 Antworten auf d2-d4“. Hinter dem Titel verbergen sich 20 Kurzgeschichten, die sich um das Schachspiel in Kultur und Alltag drehen – mal dramatisch, mal heiter, mal mörderisch, mal tiefgründig. Auf hundert Seiten entwickelt der Journalist, Musik- und Schachliebhaber aus Ingersheim unterhaltsame Fiktion rund um das Spiel der Könige.
Autor aus Ingersheim Warum man an verlorenen Partien wächst
Jörg Palitzsch aus Ingersheim hat 20 Kurzgeschichten rund um das Thema Schach geschrieben.
Mehr als nur Ablenkung
Dabei geht es ihm nicht nur um die Taktik bei den Eröffnungszügen: „Schach war ein Zufluchtskontinent und weit mehr als nur Ablenkung“, schreibt der Autor im Prolog des Buches. Darin gibt der 1958 Geborene Einblicke in seine Biografie, seine musikalische und cineastische Sozialisation und seine ersten Begegnungen mit dem Schachspiel, das für ihn zur Leidenschaft wurde. Schach ist für Palitzsch mehr als nur ein Brettspiel. Es wird zu einem Symbol für Moral und Verantwortung, Schuld und Erlösung, aber auch für Magie und Realität, wie er im Epilog verrät.
Auch seine Erzählungen pendeln zwischen Rätselhaftigkeit und Wirklichkeitstreue. Ob der Gemüsehändler, der Amelie in das Geheimnis des Narrenmatts einführt und damit eine Wandlung in dem Mädchen auslöst.
Oder der Schachroboter Robo, der seinem einsamen Erfinder Matthias Winter zunächst zu Ruhm und Ehre verhilft. Doch die Maschine ist reflektierter als der Mensch und hält dem Getriebenen den moralischen Spiegel vor. Als Winter die Konsequenzen seines Tuns nicht begreift, erteilt Robo seinem geistigen Vater eine harte Lektion und lässt im letzten Kampf gegen ihn den freien Willen über das bloße Gewinnen siegen.
Nüchtern, knapp und auf den Punkt gebracht führt Palitzsch in den jeweiligen Plot ein, bevor er den Leser mit einem Wendepunkt überrascht.
Verlorene Hoffnung
In „Die Toten von Schacham“ fordert ein Unbekannter die Bürger zu einer Partie Schach auf. „Wer siegt, erfährt etwas über seine Zukunft“, verspricht ein Schild auf dem Marktplatz. Und tatsächlich: Der eine oder andere lässt sich darauf ein, gewinnt das Spiel, verliert aber so viel mehr: den Glauben an und die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf Glück und Frieden. Die Folge: Tote und ein Dorf, das unterzugehen droht.
Immer wieder thematisiert Palitzsch in den Kurzgeschichten mit kulturpessimistischem Anklang die eigene Vergänglichkeit, Veränderungen in der Gesellschaft und das Altern.
In „Eine Niederlage ist ein Anfang“ lässt der Autor den weisen Großmeister Albert Beringer dessen Schüler vor den Folgen des Spiels mit Unglück bringenden Schachfiguren warnen. „Als ich das letzte Mal eine Figur verlor, verlor ich einen Teil von mir selbst“, sagt Beringer. Doch er habe dabei auch etwas gefunden: „Ich habe gelernt, dass Schach nur ein Teil des Lebens ist, nicht das Ganze.“
„An verlorenen Partien wächst man, heißt es“, schreibt Palitzsch im Prolog: „Dies ist nur zum Teil richtig, weil verlorene Partien auch immer etwas offenbaren: die eigene Verletzlichkeit und den hämischen Übermut des Gegners.“ Claudia Mocek
Infos zum Buch
Jörg Palitzsch: „20 Antworten auf d2-d4 - Das Schachspiel in Kultur und Alltag“, 100 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag. 14 Euro.