Eigentlich mag ich Besuch, aber...“, sagt Axel Dornemann. Das „Aber“ sei der Grund für sein neuestes Buch. „Besuch kommt von Heimsuchung“ heißt das und versammelt auf 138 Seiten, was Schriftsteller, Philosophen und andere übers Besuchen und Besuchtwerden äußerten, von Nestroy bis Kafka, von Schopenhauer bis Tschechow.
Autos aus Sachsenheim „Besuch kommt von Heimsuchung“
Axel Dornemann nimmt in seinem neuesten Buch das Phänomen Besuch augenzwinkernd aufs Korn.
Etwa anderthalb Jahre habe er an dem Buch gearbeitet, erzählt der 72-Jährige. Das Internet nach Sentenzen und Geschichten übers Besuchen und Besuchtwerden durchforstet, Sprichwörterbücher, Lexika und andere Nachschlagewerke gewälzt. Heraus kam nach seinen eigenen Angaben das erste Buch über das Phänomen „Besuch“ überhaupt.
Gastfreundliche Germanen
Das ist umso erstaunlicher, da das Thema die Menschen offenbar sei Jahrtausenden beschäftigt. So findet sich in Dornemann Kompilation unter anderem eine Textstelle des römische Historikers Publius Cornelius Tacitus, der die überbordende Gastfreundschaft der Germanen lobt.
Davon ist bei den Nachkommen nur bedingt etwas übrig, wie sich aus verschiedenen Beiträgen herauslesen lässt. Das könnte allerdings mit dem komplizierten Regelwerk zusammenhängen, das Besucher und Besuchte umgibt.
Das setzt schon ein, lange bevor der Gast auf die Haustürklingel drückt – nämlich beim Putzen der Wohnung. Denn die wird üblicherweise vorher auf Hochglanz gebracht. „Das war auch der Ausgangspunkt des Buchs“, erzählt Axel Dornemann. Im Lokalradio habe eine Pfarrerin davon erzählt, dass sie für den Besuch aufräume und putze – oder bei Zeitmangel das Licht im Wohnzimmer dimme.
Dämpfen sollte man beim Besuch offenbar auch die Hoffnung auf gute, unterhaltsame Gespräche. „Die sind ja oft quälend und nichtssagend“, sagt Axel Dornemann. Den Eindruck hat man jedenfalls, wenn man die entsprechenden Textstellen in seinem Buch liest.
Das ist übrigens bei Weitem nicht das erste, das der Sachsenheimer veröffentlicht hat. Denn Buch hat er gewissermaßen im Blut. Er promovierte über Tolstoj und Kafka, war als Lektor tätig und leitete drei Jahrzehnte lang den Stuttgarter Hiersemann-Verlag. Nebenher gab er eine ganze Reihe literarischer Anthologien heraus. Dazu zählen nachdenkliche und heitere Bücher über das Lob des Müßiggangs oder „Unversöhnliche Bürokratiegeschichten von Comenius bis Stephen King“, aber auch die umfangreiche Kompilation „Heimwehgeschichten“ über Flucht und Vertreibung der Deutschen Ende des Zweiten Weltkriegs.
Eine heimatvertriebene Stimme findet sich auch im aktuellen Band wieder: Sigismund von Radecki (1891 bis 1970), den Dornemann sehr schätzt. Der deutsch-baltische Schriftsteller, Übersetzer und Feuilletonist seziert in „Der Besuch“, was dabei typischerweise ab- und schiefläuft.
Alle lästern über den Besuch
Was in der Geschichte jedoch fehlt, ist das Besuchsnachleben. Sobald der Besuch aus dem Haus sei, rede man darüber, sagt Axel Dornemann. Und da kommt die unaufgeräumte Wohnung wieder ins Spiel. Und das Gastgeschenk. Das Essen. Die Gespräche. Kein Wunder, dass Besuch nicht immer als reine Freude empfunden werde, sagt Axel Dornemann.
Er plädiert daher für eine entspanntere Besuchskultur: „Wir sollten die Regeln etwas lockern und weniger Brimborium ums Essen und Trinken machen. Belegte Brote und ein Bier tun es auch.“ Die Frage ums Gastgeschenk ist ja schon geklärt: Dafür gibt es ja jetzt das passende Buch.