Im Kreis fehlen derzeit laut Pestel-Institut rund 6000 Wohnungen. Um den weiter wachsenden Bedarf zu decken, müssten laut Andreas Veit jährlich 2000 Wohnungen gebaut werden. Der Vorstandsvorsitzende der Bürgergenossenschaft Wohnen und Landrat Dietmar Allgaier erklären im Gespräch mit der BZ, welche Ursachen der Mangel hat und wie die Bürgergenossenschaft Wohnen etwas Abhilfe schaffen will.
Bauen im Landkreis Ludwigsburg Hohe Baukosten, keine Gegenfinanzierung
„Das ist eine Giftmischung“, sagt der Vorstandsvorsitzender der Bürgergenossenschaft Wohnen, Andreas Veit. Gemeinsam mit Landrat Dietmar Allgaier erklärt er, warum im Kreis 6000 Wohnungen fehlen und was die Genossenschaft dagegen tun kann.
Während es in manchen Bundesländern viele Flächen gibt, die Menschen jedoch in die Zentren drängen, besteht der Kreis Ludwigsburg bereits aus einem hochverdichteten Raum. Neue Flächen für Wohnbau? Fehlanzeige. „Im Kreis gibt es einen Spagat zwischen Landschaftserhalt, Gewerbeflächen und Wohnraum“, sagt Allgaier.
Weiterhin hoher Bedarf
2009/2010 hatte der Verband Region Stuttgart einen Rückgang an Einwohnern prognostiziert. Doch diese Vorhersage sei nicht eingetroffen, der Kreis wächst nach wie vor. „Der Bedarf an Wohnungen ist aufgrund des weiteren Zuwachses nach wie vor hoch“, sagt der Landrat. Der Einbruch in der konjunkturellen Entwicklung 2023 habe die Situation verschärft.
Die Ampelregierung hatte beim Regierungswechsel angekündigt, bundesweit 400 000 neue Wohnungen pro Jahr schaffen. Von diesem ehrgeizigen Ziel sei sie weit entfernt, sagte Landrat Dietmar Allgaier.
Förderung plötzlich eingestellt
Vor drei Jahren habe es noch eine Hochphase des Bauens gegeben, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bürgergenossenschaft Wohnen und Geschäftsführer der Wohnungsbau Ludwigsburg, Andreas Veit. Damals seien zwar auch die Kosten vor allem im technischen Bereich gestiegen, „doch es gab eine hervorragende Förderung durch Bund und Land“. Damals konnten rund 500 Wohnungen gebaut werden, „zum großen Teil im preisgedämpften Mietbereich“. Nach dem Regierungswechsel im Dezember 2021 sei die Bundesförderung etwa über die KfW-Förderung „von heute auf morgen eingestellt worden“, kritisiert Veit. Das habe die Branche kalt erwischt. „Bis heute gibt es vom Bund kein adäquates und verlässliches Ersatzprogramm“, sagt Veit.
Materialengpässe aufgrund des Ukrainekriegs, Zinssteigerungen und Inflation hätten zu weiteren enormen Kostensteigerungen geführt. „Die Zinsen haben sich vervierfacht“, sagt Veit. Auf Landesebene sehe es auch schwierig aus mit der Förderung. Zwar sei die Struktur der Förderkulisse gut, lobt Veit. Doch seit Mai 2023 ist der Fördertopf ausgeschöpft. Seitdem laufen dort die Anträge auf, kaum jemand würde in das Risiko gehen und schon vor einer Förderzusage bauen. Noch ist unklar, wann die Mittel für 2024 freigegeben werden. Bis dahin stehen den exorbitanten Baukosten und hohen Zinsen keine Gegenfinanzierung gegenüber: „Das ist eine Giftmischung“, sagt Veit.
„Viele halten sich beim Bauen zurück“
Stellenstreichungen etwa bei Bosch und Mercedes würden zu weiteren Verunsicherungen beitragen. „Viele halten sich beim Bauen und Kaufen zurück“, sagt Veit. Die großen Verlierer seien diejenigen, die sich kein Eigentum leisten können. Er geht davon aus, dass sich die Situation noch weiter zuspitzen wird. Denn aufgrund der anstehenden Verrentung der Babyboomer-Generation „werden wir noch Zuzug brauchen“, sagt Veit.
Aus dem Förderprogramm des Landes seien in den Jahren 2021 bis 2023 Untersuchungen gefördert worden, die die Innenstadtpotenziale in Besigheim, Bönnigheim, Marbach und Möglingen analysiert hätten. Allgaier hofft auf weitere Unterstützung. Denn angesichts von Fachkräftemangel spielten für den Kreis weiche Faktoren wie die Anbindung an den Nahverkehr und das Angebot an Kita-Plätzen eine große Rolle. Hier sei der Landkreis gut aufgestellt, ist Allgaier überzeugt – anders als beim Wohnen.
„Die Bürgergenossenschaft wird die Wohnungsnot im Kreis nicht beseitigen können“, ist sich Allgaier sicher. Doch gemeinsam mit den Kommunen will sie bezahlbaren Wohnraum schaffen. Die starken kommunalen Wohnungsbau-Gemeinschaften, die es im Kreis gebe, seien schon hilfreich, weil sie nicht nur gewinnmaximierend arbeiten würden. „Das gibt es nicht überall“, sagt Allgaier.
„Jede einzelne Wohnung hilft“
Ziel der Genossenschaft, die 2022 gegründet worden war, ist es, Wohnungen dauerhaft zu erschwinglichen Mieten zur Verfügung zur stellen. Das Prinzip: Kommunen, Kirchen, soziale Träger oder auch Bürger bringen bebaubare Grundstücke oder Bestandsgebäude in die Genossenschaft ein und erhalten im Gegenzug Genossenschaftsanteile. Diese Mitgliedschaft sichert ihnen ein Mitspracherecht bei der Vermietung. Die Genossenschaft baut und bewirtschaftet anschließend die Gebäude. Ziel ist es, möglichst rasch 400 bis 500 Wohnungen dauerhaft zu erschwinglichen Mieten zur Verfügung stellen. „Jede einzelne Wohnung hilft“, ist Veit überzeugt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es schon einige konkrete Projekte: In Bönnigheim soll ein 22-Familien-Haus entstehen, 18 davon gefördert. Der Spatenstich ist im Sommer geplant. Das Grundstück sei schon an die Genossenschaft übertragen. In Remseck übernimmt die Bürgergenossenschaft 13 Wohneinheiten schlüsselfertig, alle werden gefördert. In Tamm entstehen nördlich der Calwer Straße 14 Wohneinheiten und eine Kita. Rund 60 Wohnungen sowie weitere Projekte in Prüfung innerhalb von zwei Jahren „sind keine schlechte Bilanz“, sagt Veit. Dabei hält er das Genossenschaftsmodell für das einzige Modell, das noch funktioniere. „Im Moment schreiben wir eine schwarze Null“, sagt Veit. Er ist zuversichtlich, dass sich die Projekte weiterhin gut entwickeln.
60 Wohnungen innerhalb von zwei Jahren
Landrat Allgaier wies darauf hin, dass die Bürgergenossenschaft Wohnen in Baden-Württemberg als Pionier gelte. Böblingen habe schon Interesse geäußert, dem Beispiel zu folgen. „Es wäre schön, wenn uns das Land mit der Bürgergenossenschaft nicht nur lobend erwähnen, sondern auch unterstützen würde“, sagte Allgaier. Der Landkreis habe die Genossenschaft mit 400 000 Euro angeschoben. „Ein starkes Signal“, findet Andreas Veit. Das Land Baden-Württemberg könnte die Bürgergenossenschaft Wohnen mit einer Millionen Euro unterstützen, sagt Veit. Doch die Ausschüttung sei bisher ausgeblieben, bedauert er.