Vor 500 Jahren wurde es unruhig im Herzen von Württemberg, in der Region, die heute der Landkreis Ludwigsburg ist. Vom nördlichen Landkreis aus ging im April 1525 der Demonstrationszug von Matern Feuerbacher aus Bottwar, genannt der „Christliche Helle Haufen“, los.
Bauernaufstand im Kreis Ludwigsburg Die Keimzelle der Bauernaufstände
In einer Serie beleuchtet die BZ den Zug der Württembergischen Aufständischen, auch Demonstrationszug genannt, in der Region.
Unter der Leitung des Bottwarer Wirts Feuerbacher zogen die Aufständischen nach einer Versammlung auf dem Wunnenstein in Richtung Stuttgart. Auf dem Weg sammelten sie in den Ortschaften und Städten immer mehr Männer um sich, nicht nur Bauern, sondern Handwerker, einfache Bürger, niedrige Adelige. Zudem zogen sie auch die Ortschaften und Städte auf ihre Seite.
Vogte wurden auf Burg Weinsberg durch die Spieße geschickt
„Heute weiß man, dass Auslöser für den Zug der württembergischen Aufständischen die sogenannte Weinsberger Bluttat war“, erklärt Sophie Froehlich, Archivarin im Kreisarchiv in Ludwigsburg, die sich mit dem Bauernaufstand im Kreis und im Speziellen mit Matern Feuerbacher intensiv beschäftigt hat.
Auf der Burg Weinsberg hatten Aufständische aus dem Odenwald dort versammelte Vogte „auf grausamste Weise durch die Spieße geschickt“, wie Froehlich sagt, unter anderem den Obervogt des Amts Bottwar, Dietrich von Weiler von der Burg Lichtenberg.
Um eine blutige Revolution zu verhindern und auch die „ausländischen Aufständischen“ in Zaum zu halten, mischte sich der Wirt in das Geschehen und organisierte auf dem Wunnenstein am 17. April 1525 eine Versammlung. Der ehrbare Wirt, der das Vertrauen der Leute hat, wird zum Hauptmann gewählt. Feuerbacher will die Aufständischen dazu bringen friedlich zu bleiben.
Zuerst überredet er die Beilsteiner, sich der Rebellion anzuschließen, dann führt er die Verhandlungen mit den Abgesandten aus Stuttgart auf dem Wunnenstein. Als diese die Forderungen des Haufens ablehnen, ziehen die Aufständischen nach Gemmrigheim, wohin die Abgesandten Tage später wieder kommen.
Keine Einigung, also zieht der Demonstrationszug weiter
Es gibt keine Einigung, also zieht der Demonstrationszug weiter, um Städte und Dörfer auf seine Seite zu ziehen und mehr Menschen zu rekrutieren. Es geht den Neckar entlang, nach Lauffen. Hessigheim, Walheim, Besigheim schließen sich widerstandslos an. Ziel ist Stuttgart, wo die Regierung, die österreichischen Statthalter, mit den Forderungen der Aufständischen konfrontiert werden soll.
Am 22. April kommt der sogenannte Helle Haufen in Bietigheim an. Dort vereinigt er sich mit dem Zabergäuhaufen von Hans Wunderer, einem Baumeister aus Pfaffenhofen.
Wunderer ist ganz anders als der gemäßigte Feuerbacher, er ist jähzornig und gewaltbereit, so ist es überliefert. Feuerbacher kann nach der Vereinigung der beiden Haufen Plünderungen nicht mehr verhindern.
Erster raumgreifender Volksaufstand in Deutschland
Die beiden Haufen ziehen die Enz entlang nach Vaihingen, wo weitere Verstärkung aus der Stadt Backnang hinzukommt. Immer weiter geht es über Maulbronn nach Stuttgart-Degerloch, wo Feuerbacher bald mit einer von ihm beauftragten Kanzlei das Land regiert.
Die Kanzlei regelt die gesamte Korrespondenz auf sehr professionelle Art und Weise. Fast der komplette schriftliche Nachlass aus dieser Zeit ist erhalten geblieben. Der Aufstand ist eine demokratische Herrschaft des Volkes. Jeder, der eine Funktion erhalten will, muss vom Bauernrat gewählt werden.
Da der Helle Haufen Feuerbachers nicht der einzige im Land ist, sondern das Aufstandsgebiet von Südtirol über Österreich durch ganz Südwestdeutschland bis nach Baden, das Elsass und den Odenwald, Franken, Thüringen und Sachsen reicht, ist der Bauernkrieg wohl der erste raumgreifende Volksaufstand in der deutschen Geschichte.
Jeder Haufen umfasste Tausende Männer
Einzigartig, so Sophie Froehlich, ist er auch, weil durch die Demonstrationszüge verschiedener Haufen schnell ganze Landstriche revolutioniert wurden.
Jeder Haufen umfasste Tausende Männer, der Haufen von Feuerbacher hatte in seiner Hochzeit 12.000 Teilnehmer und ist damit einer der größten, insgesamt waren mehr als 25.000 Mann beteiligt.
Die flächenhafte Verbreitung ist ein Charakteristikum dieser Rebellion und machte sie so effektiv. Feuerbacher ist der Landesherr, weil es sein Haufen in die Landeshauptstadt geschafft hat.
Böblinger Schlacht markiert das Ende des Bauernkriegs
Die Landesregierung ist derweil nach Tübingen geflohen und wartet, dass ihr der Schwäbische Bund zu Hilfe kommt und die Rebellion niederschlägt. In Böblingen treffen Aufständische in Überzahl auf die Truppen des Schwäbischen Bunds sowie der Regierung.
Der Helle Haufen wird dennoch gnadenlos besiegt. Das ist das Ende des württembergische Bauernaufstands, bei der berühmten Böblinger Schlacht am 12. Mai 1525.
Zunehmende Unzufriedenheit in der ländlichen Bevölkerung führten dazu, dass Bauern, Handwerker, einfache Bürger, aber auch niedere Adlige sich in den sogenannten Haufen zusammentaten, um die Obrigkeit, also die österreichischen Statthalter in Stuttgart, zu bewegen, sie anzuhören.
Gründe für die Unzufriedenheit in der Bevölkerung waren: materielle Belastung der bäuerlichen Bevölkerung, neue Entwicklungen in der Landwirtschaft, Realteilungen oder andere Formen der Vererbung – Konkurrenz/Konflikte durch Verknappung des Bodens. Zudem die Erhöhung und ungleiche Verteilung der Grundabgaben und die Zunahme der Fronforderungen. Die Bevölkerung ärgerte sich über die Zweckentfremdung der Zehntabgaben und Zölle, sie wurde von Jagd und Fischfang ausgeschlossen und die Leibeigenschaft wurde intensiviert. Die bisherige kommunalen Selbstverwaltung wurde durch Herrschaftsausbau der Landesherren verringert, es gab einen verstärkten Zugriff der Herrschaften auf die Gerichte und die Verwaltungsorgane der Gemeinden mit zugleich wachsendem Finanzbedarf. In diesem Kontext gerät die ländliche Bevölkerung massiv unter Druck, wenn Missernten oder Starkwetterereignisse passieren.
Die Forderungen der Aufständischen wurden in zwölf Artikeln zusammengefasst, und hatten die Abschaffung der Missstände zum Ziel. Einzelne Artikel regeln die Punkte Pfarrwahl, Zehnt, Leibeigenschaft, Fischerei und Jagd, Holzungsrechte, Frondienste, Gülten, Frevel, Allmendrechte, Todfallabgaben. Alle Artikel werden mit Bibelzitaten begründet. Die Verweise auf das Evangelium waren möglicherweise der Versuch, auf mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit zu pochen.
Ziele der zwölf Artikel waren die Abschaffung sozialer, politischer und rechtlicher Missstände, eine (Verbesserung Lebensbedingungen, Gerechtigkeit und Freiheit. Die Bevölkerung wollte als Verhandlungs- und Rechtspartner Anerkennung, ordentliche Gerichts- oder Schiedsverfahren und ausgehandelte Verträge mit Herrschaften mit Rechtsverbindlichkeit).
Auf der Versammlung auf dem Wunnenstein wurde festgelegt, dass die Aufständischen die Annahme der zwölf Artikel durchsetzen. Auf dem Wunnenstein wurde auch der Demonstrationsmarsch durch das Herzogtum beschlossen, um die Städte und Dörfer des Landes zu vereinigen und am Ende in Stuttgart zu verhandeln. Da es überall Empörungen gab und Adel, Klöster und Klerus ausgeraubt wurden, wollte der „Helle Haufen“ von Matern Feuerbacher das Herzogtum Württemberg selbst einnehmen, um es zu schützen. Seit Einnahme der Landeshauptstadt Stuttgart am 25. April, verstanden sich die Aufständischen als eigentliche Landschaft Württembergs, also als ein neues Regiment im Land aus den gewählten Hauptleuten und dem sogenannten Bauernrat.