Benedikt Röcker beendet seine Karriere Vom Löchgauer Kunstrasen auf die große Fußball-Bühne

Von Claus Pfitzer
Der Löchgauer Benedikt Röcker hat es in seiner Karriere mit dem dänischen Spitzenverein Bröndby IF sogar in die Europa League geschafft.  ⇥ Foto: Gonzales Photo/Thomas Rasmussen via www.imago-images.de

Benedikt Röcker muss seine Karriere aufgrund einer Knieverletzung mit 31 Jahren beenden. Mit Bröndby IF spielte der Innenverteidiger sogar international.

Ein Knorpelschaden im Knie zwingt Benedikt Röcker seine Profikarriere zu beenden. Schweren Herzens hat sich der 31-jährige Löchgauer nach dem Auslaufen seines Vertrags beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden dazu entschieden. „Es gibt auch ein Leben nach dem Fußball. Meine Gesundheit und die Lebensqualität wären gefährdet. Ich habe zwölf Jahre lang immer auf Topniveau gespielt. Ich habe keine andere Möglichkeit. Mein Körper hat mir die Signale gegeben. Das muss ich akzeptieren“, berichtet Röcker, der mit seiner Familie in Löchgau im neuen Eigenheim wieder sesshaft geworden ist. „Ich möchte auch weiterhin zum Skifahren und mit meinem Vater noch Tennis spielen“, will er seine anderen sportlichen Vorlieben und seinen Alltag nicht aufs Spiel setzen wegen „vielleicht noch ein paar Fußballspielen mehr“.

Auch im Amateurbereich plant er zumindest aktuell nicht, nochmals die Kickstiefel anzuziehen. „Auch wenn es mir sehr schwer fällt: Wo eine Tür zugeht, geht eine andere auf“, sagt der Ex-Profi. Fest steht für ihn, dass er im Fußballgeschäft bleiben wird. Trainer, Manager oder Spielerberater wären Optionen. Gemeinsam mit seiner Berateragentur Fair Sports aus Aspach wird er sich nach einem geeigneten Tätigkeitsfeld umschauen.

Keine Profi-Ausbildung

„Mein NLZ war 16 Jahre lang der Kunstrasenplatz in Löchgau, aber davon möchte ich kein Jahr missen“, erzählt er schmunzelnd und ist stolz auf seine Karriere, die er auch ohne in einem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eines Profivereins ausgebildet worden zu sein, hingelegt hat. Damit ist der 1,96 Meter große Innenverteidiger in der heutigen Zeit schon eine Ausnahme. Mit seinen Qualitäten wie Zweikampf- und Kopfballstärke und seinem Spielaufbau, Willenskraft und Ehrgeiz schaffte er es von Löchgau aus bis in die Bundesliga.

Dabei hatten auch zwei Trainer entscheidenden Anteil, die mehrfach seinen Weg kreuzten: Alexander Zorniger und Rüdiger Rehm. Seine Kinder- und Jugendzeit verbrachte Röcker beim FV Löchgau, für den er zwei Jahre lang auch bei den Aktiven spielte. Er absolvierte in der Zeit eine kaufmännische Lehre in einem Bietigheim-Bissinger Autohaus.

Bei einem Landesligaspiel des FVL beim FC Heilbronn beobachteten der damalige Großaspacher Trainer Jürgen Hartmann und dessen Co-Trainer Rehm das Löchgauer Abwehrtalent. Der ehemalige Bundesligaspieler Hartmann (VfB Stuttgart, Hamburger SV) und Rehm erkannten das Potenzial und holten ihn im Juli 2009 zum Regionalliga-Aufsteiger SG Sonnenhof. Hartmanns Zeit war dort bald wieder abgelaufen, Rehm übernahm interimsmäßig, bis zur Saison 2010/11 Zorniger als Coach kam.

Herzensverein sticht Bayern aus

Nach starken Spielen im Dress der SG nahm Röckers Karriere mächtig Fahrt auf. Auch der FC Bayern München war auf den Löchgauer aufmerksam geworden und wollte ihn im Januar 2011 für seine zweite Mannschaft verpflichten. „Wir waren uns mündlich einig, dann kam mein Herzensverein dazwischen. Da gab es für mich keine andere Entscheidung“, erzählt er von einem Angebot des VfB Stuttgart, der den Abwehrmann für seine in der Dritten Liga spielende zweite Mannschaft verpflichtete.

Ein Jahr später rückte er in den Profikader auf und folgte seinem Cousin Julian Schuster in die Bundesliga, der beim SC Freiburg zum Kapitän aufgestiegen war und dessen Wurzeln ebenfalls beim FV Löchgau liegen. Röcker absolvierte unter Trainer Bruno Labbadia drei Bundesligaspiele und gehörte zum Aufgebot des VfB beim Pokalendspiel im Berliner Olympiastadion gegen den FC Bayern (2:3). Im Januar 2014 unterzeichnete er einen Vertrag beim Zweitligisten Spvgg Greuther Fürth. Ein Highlight seiner Zeit in Franken waren die Relegationsspiele gegen den HSV. Mit einem 0:0 in Hamburg und einem 1:1 daheim verpassten die Greuther Fürther knapp den Bundesliga-Aufstieg und Röcker die Rückkehr ins Oberhaus.

Ab der Saison 2016/17 folgte für drei Jahre das Engagement beim dänischen Erstligisten Bröndby IF. Dorthin hatte es Zorniger nach seinen Zeiten beim VfB Stuttgart und RB Leipzig verschlagen. Auf der Suche nach einem Innenverteidiger erinnerte er sich an den Schlaks aus seiner Großaspacher Zeit und holte Röcker nach Kopenhagen. Der dänische Pokalsieg, Spiele in der Europa League und eine knapp verpasste Meisterschaft waren eine tolle Bilanz für Röcker, der bei Bröndby die Mannschaft auch als Kapitän aufs Feld führte.

Wiesbaden als letzte Station

Der Zeit in Dänemark folgte 2019 die Rückkehr nach Deutschland und zum gerade in die Zweite Liga aufgestiegenen SV Wehen Wiesbaden. Auch bei seinem ehemaligen Mitspieler und Co-Trainer in Großaspach war Röcker in Erinnerung geblieben, zumal der Kontakt zum Heilbronner Rehm nie abgerissen war. Am Ende der Saison reichte es für das Team aus Hessen nicht zum Klassenerhalt.

Röcker, mit einem Zweijahresvertrag ausgestattet, wollte mithelfen, in der Dritten Liga eine stabile Abwehr zu stellen. Dazu kam es nicht. „Ich habe mich am 17. August 2020 verletzt und danach alles versucht, wieder fit zu werden“, sagt er im Rückblick. Auf eine Operation verzichtete er, schuftete in der Reha täglich viele Stunden und hatte gegen Ende des Jahres derart Fortschritte gemacht, dass ein Comeback möglich schien. Doch er erlitt einen Rückschlag und hatte auch im normalen Leben Probleme mit dem Knie.

Sein Fazit fällt positiv aus. „Ich habe mich auf allen Stationen wohlgefühlt und immer 100 Prozent gebracht. Mit dem FV Löchgau, der SG Sonnenhof Großaspach und der Spvgg Greuther Fürth hatte ich familiäre Vereine“, blickt der bodenständige Ex-Profi auf seine Karriere zurück.

 
 
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