Benzäcker und Klärschlamm: Einmischung in kommunale Belange? Blockade aus Besigheim

Von Michael Soltys
Das Kraftwerksgelände der EnBW in Walheim. Das Gerangel um den geplanten Bau einer Klärschlamm-Verbrennung geht weiter. Foto: /Werner Kuhnle

Das Nein im Besigheimer Gemeinderat zum Flächennutzungsplan betrifft die Nachbargemeinden direkt. Dort spricht man von Einmischung in die eigenen Belange.

Sitzungen des Gemeindeverwaltungsverbandes von Besigheim waren in der Vergangenheit eine eintönige Angelegenheit. Die Themen waren in den Gemeinderäten der Mitgliedsgemeinden, dies sind Besigheim, Gemmrigheim, Walheim, Mundelsheim, Löchgau, Freudental und Hessigheim, vorberaten. Die Mitglieder des Gremiums waren von den Weisungen ihres Heimat-Gemeinderates abhängig, die Entscheidungen fielen einstimmig. Nach wenigen Minuten war oft alles vorbei.

Rat stellt sich quer

So hätte es im Juli auch bei der Beratung des Flächennutzungsplans (FNP) laufen sollen. Doch dieses Mal stellte sich der Besigheimer Gemeinderat quer: Nach mehr als vier Jahren Vorberatung verweigerte er die Zustimmung zum Entwurf des Planwerks, an dem die Kommunen für die nächsten 15 Jahre ihre Baupolitik ausrichten (die BZ berichtete). Dahinter steckt der Versuch, das von der EnBW geplante Klärschlammwerk in Walheim mit den Mitteln des FNP zu verhindern. Gleichzeitig will das Besigheimer Gremium Einfluss nehmen auf die Gestaltung des regionalen Gewerbegebiets Benzäcker in Mundelsheim.

Doch auch ein interner Konflikt mit Bürgermeister Steffen Bühler spielt eine große Rolle. Drei Fraktionen des Gemeinderats, CDU/WIR, BMU und der SPD drückten Formulierungen in den Flächennutzungsplan, die eine Klärschlamm-Anlage ausschließen sollen. Die Bestimmungen des FNP für das Kraftwerks-Gelände in Walheim gelten allerdings schon seit Jahrzehnten. Das Vorgehen der drei Fraktionen sei rechtlich nicht erlaubt, konterte der Bürgermeister und widersprach dem Beschluss. Unterstützung für diesen Weg bekam er von der Kommunalaufsicht.

Vermittlungsversuche in einer Folgesitzung blieben ohne Ergebnis, gipfelten sogar in persönlichen Angriffen von Achim Schober, Fraktionschef von CDU/WIR auf Bühler. „Die rechtliche Situation ist nur der Aufhänger“, räumte Schober ein. „Unser Planungswille ist ein anderer“, machte er in der Sitzung deutlich, deshalb müsse der Flächennutzungsplan geändert werden.

In Walheim, Gemmrigheim und Mundelsheim, den drei direkt betroffenen Gemeinden der Besigheimer Beschlüsse, hat man eine andere Sicht der Dinge. In Gesprächen mit der BZ machten die Walheimer Bürgermeisterin Tatjana Scheerle und ihr Kollege Jörg Frauhammer in Gemmrigheim deutlich, dass aus ihrer Sicht die regionalen Vorgaben für die Entscheidung über das Klärschlammwerk von Bedeutung sind und eben nicht der Flächennutzungsplan. In beiden Gemeinden gibt es heftigen Widerstand gegen die Pläne der EnBW. Der Walheimer Gemeinderat sei allerdings vom Mut der Besigheimer beeindruckt gewesen, berichtete die Bürgermeisterin. Er wird in seiner Sitzung am Montag, 8. September, noch einmal darüber beraten, wie er seine Ablehnung zum Ausdruck bringen kann. In Gemmrigheim ist dies in Form einer Protokollnotiz zum Flächennutzungsplan geschehen, so Jörg Frauhammer, der Plan selbst wurde wie in Walheim auch verabschiedet.

Reizthema Benzäcker

Was Frauhammer, Scheerle und mit ihnen auch Boris Seitz, den Bürgermeister von Mundelsheim, erstaunt, ist der Versuch des Besigheimer Gemeinderates, sich in Belange auf Gemarkung der Nachbarn einzumischen. Diese Frage entzündet sich in Mundelsheim am Thema Benzäcker. Die Region drängt auf die Ausweisung des interkommunalen Gewerbegebietes, die Mundelsheimer haben sich in einem Bürgerentscheid dafür ausgesprochen. Dass Besigheim jetzt den Willen der Nachbarn blockert „gehört sich nicht“, sagt Boris Seitz.

Der Besigheimer Stadtrat Edgar Braune von der Fraktion CDU/WIR hatte dieses Vorgehen im Gemeinderat mehrfach begründet: Der Gemeindeverwaltungsverband sei dazu angelegt, solche übergreifenden Themen vorab zu diskutieren. „Das wurde bisher nicht so gemacht“, stellte Braune fest. Mit anderen Worten: Statt in den Sitzungen die vorab gefassten Beschlüsse aus den einzelnen Gemeinden nur abzunicken, sollte im Verwaltungsverband ernsthaft über allgemeine Belange diskutiert werden.

Und wenn jeder so handeln würde, fragte sich Seitz? Wenn Mundelsheim sich in die Ausweisung von Wohngebieten in Besigheim einmischte, weil dann in den weiterführenden Schulen Besigheims Kapazitäten für Schüler aus Mundelsheim fehlten? Oder wenn Mundelsheim die Planungen in Walheim nicht passen, weil eine Klärschlammanlage den Lkw-Verkehr auf Mundelsheimer Markung nach sich zieht? So zu handeln hieße, „ein großes Fass aufzumachen“, sagte der Mundelsheimer Bürgermeister. Etwas zurückhaltender drückt es Jörg Frauhammer: Die Zusammenarbeit im Gemeindeverwaltungsverband habe bisher gut funktioniert. „Das soll jetzt aufgeweicht werden“, sagte er.

Doch welche direkten Folgen hat die Blockade aus Besigheim? Boris Seitz sieht sich jedenfalls nicht unter Zeitdruck. Bis zur Realisierung der Benzäcker seien noch viele Hausaufgaben zu machen, angefangen beim Grunderwerb. In dem folgenden Bebauungsplan könnte doch jeder seine Bedenken äußern, argumentiert er. „Warum also jetzt?“

Interesse an Gewerbesteuer

Das gilt auch für den Zweckverband, der für die Benzäcker gegründet werden soll. Die potentiellen Beteiligten neben Mundelsheim sind Gemmrigheim, Hessigheim, Neckarwestheim, Walheim und eben auch Besigheim, das wie alle anderen Interesse an weiteren Einnahmen aus der Gewerbesteuer haben dürfte. Für Jörg Frauhammer aus Gemmrigheim geht es angesichts der Beschlusslage in der Region und in Mundelsheim gar nicht mehr um die Ausweisung selbst. „Die Planungshoheit liegt bei der Region und in Mundelsheim“, sagt er. Es gehe vielmehr um die Fragen der Ausgestaltung des Zweckverbandes, um die Höhe der Beteiligung und um die Mitbestimmungsrechte. Darüber werde ernsthaft verhandelt werden müssen. Argumente, die auch Bürgermeister Steffen Bühler in Besigheim in ähnlicher Form vorgebracht hatte, ohne allerdings die Fraktionen überzeugen zu können, ihre Bedenken bis dahin zurückzustellen..

Weitere Gespräche Mitte September

Seit mehr als 
vier Jahren wird der Flächennutzungsplan für den Gemeindeverwaltungsverband Besigheim vorbereitet. Darin legen die Städte und Gemeinden ihre beabsichtigte bauliche Entwicklung für die nächsten 15 Jahre dar, Um ihn verabschieden zu können, fehlt jetzt der Beschluss des Besigheimer Gemeinderats. Bis der Plan jetzt rechtsgültig wird, dürfte es noch Monate dauern. Bei einer Sitzung Mitte September wollen sich die Vertreter der beteiligten Gemeinden darüber austauschen, wie es jetzt im Verband weitergeht.

 
 
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