„Was denken Sie, was die große Geschichte unserer Zeit ist?“, fragte Jonas Tögel. Für ihn und andere Forscher ist es, die Gefahr, einen Menschen zu „hacken“ – so viele Daten über eine Person zu sammeln, dass man mehr weiß über sie als sie selbst – und sie entsprechend manipulieren kann.
Berufliches Schulzentrum Bietigheim-Bissingen Die Tricks gegen die Demokratie kennen
Eingeladen von der Vaihinger Demokratie-Initiative wurde das Thema mediale Beeinflussung diskutiert.
Junge Menschen sind von sozialen Medien beeinflusst
Wie junge Menschen, Schülerinnen und Schüler wählten, das sei auch für ihn ein Thema, gestand Schulleiter Stefan Ranzinger, in dessen Berufsschulzentrum sich die gut 80 Besucher am vergangenen Freitagabend versammelt hatten: Wenn sie keine etablierten Parteien mehr wählten und immer stärker von sozialen Medien beeinflusst würden – „da mache ich mir schon Gedanken“.
Das Thema des Vortrags war „Demokratie in Gefahr? – Meinungslenkung erkennen und verstehen“. Die Demokratie-Initiative Vaihingen-Enz und Nachbarn Divan lud damit einmal mehr einen Referenten ein, mit ihrem erklärten Ziel, Demokratie zu „fordern und zu fördern“.
Tögel, der am Institut für Psychologie der Universität Regensburg forscht und der es mit seinem Buch „Kognitive Kriegsführung“ in die Bestsellerlisten schaffte, fing in seinem Vortrag ganz grundsätzlich an: „In der Demokratie ist nichts wichtiger als die öffentliche Meinung“, stellte er klar – aber schon im Mittelalter habe man gewusst, wie man künstlich Zustimmung herstellt, etwa, indem man die Kreuzzüge als Gottes Willen verkaufte. Moderne Propaganda begann dann mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, als Massenmedien mit Fortschritten in der psychologischen Forschung zusammenfielen. Edward Bernays, der Neffe Sigmund Freuds, sah die Möglichkeit dieser Erkenntnisse, über die Schwachstelle der Psyche die „Demokratie aufs Kreuz zu legen“.
Die tatsächliche Wirklichkeit wurde so im 20. Jahrhundert so zu einer „stark gefilterten Medienrealität“, Medien selbst zu einem Werkzeug der „Soft Power“: also der Möglichkeit, so Tögel, zu erreichen, dass eine andere Person tut, was man will, ohne Gewalt anwenden zu müssen – mithilfe der Psyche, etwa indem man Empathie weckt.
Soft Power wird immer wichtiger und bekommt durchaus militärische Relevanz: In Afghanistan etwa gelang es der westlichen Allianz nicht, die „Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen“, so Tögel, man setzte auf Hard Power und Drohnenkrieg. Auch die NATO sieht den Mensch und seine Psyche als neuen Kampfplatz, den sechsten, nach Land, Wasser, Luft, Weltall und Internet.
Gräuelpropaganda begleitet jeden Krieg
„Framing“ ist hier ein Schlüsselwort, den „Rahmen“ einer Diskussion setzen, etwa mit dem bürokratischen Begriff der „Kollateralschäden“ für zivile Opfer. Gräuelpropaganda begleite jeden Krieg, so Tögel, um Zustimmung in der Bevölkerung herzustellen: Von amerikanischen Schauermärchen über deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg bis zur Falschmeldung von Massenvergewaltigungen im Ukrainekrieg, die von der Menschenrechtsbeauftragten der Ukraine verbreitet wurde. Der „Kampf der Rahmenerzählungen“ finde in jedem Konflikt statt.
Wie weit die Einstiegsfrage, die Möglichkeit, einen Menschen zu „hacken“ schon fortgeschritten ist, wurde vor Jahren deutlich: eine amerikanische Supermarktkette erkannte werdende Mütter am Kaufverhalten und versandte personalisierte Werbung – ein Vater wurde erst so auf die Schwangerschaft seiner Tochter aufmerksam. Der „Schattentext“, den jeder im Internet hinterlässt, sei ein „Spiegel in die Seele“. Der Experte empfiehlt: „Den Werkzeugkasten kennen“, wissen, wie PR funktioniert. Quellen immer hinterfragen und mehrere nutzen. Schließlich: ein „ehrlicher Umgang miteinander“, zurück zum „Grundgedanken der Demokratie“.
Jonathan Lung