Die Stadthalle Alte Kelter in Besigheim verwandelt sich in ein Labyrinth aus Pallettenwänden. An den „Wänden“ der Türme hängen nach finnischem Vorbild gewebte und geknüpfte Teppiche und Mosaiken aus Stein und Glas, abstrakt gehalten oder mit erkennbaren Motiven.
Besigheim Auf Tuchfühlung mit den Stelzigs
Spezieller Rundgang durch die Ausstellung „Stelzig23“ für Menschen mit Lebenserfahrung.
Markante Fotografien
Hier stechen Keramikfliesen ins Auge, die im Verbund ein Muster bilden, und markante Schwarz-weiß Fotografien aus einer Zeit, in der die Farbfotografie noch in den Kinderschuhen steckte. Wer bisher nicht achtlos durch das Foyer der Alten Kelter gestolpert ist, vergleicht die Arbeiten unweigerlich mit dem großen ausschweifenden Blütenmosaik am Boden des Foyers.
Die Arbeiten in der Kelter tragen ebenfalls die Handschrift von Fred und Annelies Stelzig tragen. Die Retrospektive über das Besigheimer Künstlerpaar in der Alten Kelter gibt bis 13. April Einblick in das vielseitige Schaffen der beiden, die 2023 genau 100 Jahre alt geworden wären. Deshalb heißt die Werkschau „Stelzig 23“.
Die Ausstellungsbegleiterinnen Regina Ille-Kopp und Ingrid Burger wenden sich bei ihren Führungen an spezielle Zielgruppen. „Kinder haben einen spontanen Zugang zu Formen und Farben. Wir lassen sie hier ein Spiel machen. Jeder zieht einen Gegenstand aus dem Korb und darf ihn einem Kunstwerk zuordnen“, erzählt Ingrid Burger.
Am Dienstagmorgen sind Viertklässler aus der Ottmarsheimer Grundschule gekommen. Sie werden täglich mit Kunst am Bau aus den Händen des Künstlerpaares konfrontiert. Die Stelzigs haben damals bei der Gestaltung der Grundschule in Ottmarsheim mitgewirkt.
Am Dienstagvormittag wendet sich eine zweite Führung gezielt an „Menschen mit Lebenserfahrung“, darunter an Zeitzeugen aus dem näheren und weiteren Umfeld des Künstlerpaares. „Unter Menschen mit Lebenserfahrung verstehen wir nicht nur ältere Menschen“, erklärt Ingrid Burger augenzwinkernd. Tatsächlich sind Menschen gekommen, die eine persönliche Beziehung zu dem Künstlerpaar hatten. Sie orientieren sich genauso wie die Schüler am Zeitstrahl auf dem Mosaikboden im Foyer der Alten Kelter, der Stationen im Leben des Künstlerehepaares festhält.
„Erinnerung an Annelies Stelzig“
Erinnerungen werden wach. „Es ist schon Jahrzehnte her, da war in Bietigheim eine Ausstellung mit Teppichen von den Stelzigs. Frau Stelzig war da und hat uns spontan zu sich nach Hause eingeladen. Fred Stelzig hat uns seine Arbeiten gezeigt. Sie hatte einen Katalog mit Fotos der Wandteppiche. Das war eine sehr nette Begegnung“, erzählt Wolfgang Keller, der damals noch in Ludwigsburg gelebt hat und jetzt seit 40 Jahren im Schwäbischen Wald in Althütte lebt. „Ich kenne die beiden nur vom Sehen, auf der Straße oder beim Einkaufen habe ich sie getroffen. Ich habe 25 Jahre in Besigheim gelebt“, berichtet Margarete Semmler aus Erligheim. „Ich komme aus Bietigheim. Den Namen Stelzig hört man immer wieder. Jetzt war einfach der Anlass gegeben, dieser Spur einmal nachzugehen“, erklärt Hannelore Pfeiffer aus Bietigheim-Bissingen.
Schwarz-Weiß-Fotografien des Mondes wie er das Wasser der Enz zum Schimmern bringt, fasziniert die einen. Die nächsten streichen vorsichtig mit dem Finger über Wandteppiche, die hochflorig in leuchtenden Farben oder mit tiefer gelegenen Stellen eine Landschaft imitieren. Die einen sind geknüpft, die anderen sind gewebt und geknüpft. „Annelies Stelzig hat die Technik des Knüpfens in Finnland gelernt. An einem Knoten finden sich oft fünf Fäden in verschiedenen Farben. Durch die hohe Auftragslage kam sie bald an ihre Grenzen, während ihr Mann lediglich die Entwürfe gezeichnet hat. Bald wurden Knüpferinnen beschäftigt“, lässt Ausstellungsführerin Regine Ille-Kopp wissen. Das Künstlerpaar zeigt in den Teppichen den Übergang zur Popart.
Mit besonderem Interesse verfolgen die Besucher „mit Lebenserfahrung“, darunter auch Paare den gemeinsamen Lebensweg des Künstlerpaares. Fred Stelzig wurde im heutigen Tschechien geboren. Annelies Stelzig war Besigheimerin. Beide hatten sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Die Wirren des Krieges haben das Paar schließlich zusammengebracht. Fred Stelzig verstarb 2006, seine Frau zwei Jahre später.
Susanne Yvette Walter