Besigheim Mutter oder Mörderin – der ewige Streit

Von Susanne Yvette-Walter
Konflikte in der Frauenarztpraxis (von links): Emily Zundel, Kathrin Sudmann, Helen Pirgl und Hannah Neuner. Foto: /Martin Kalb

Die Studiobühne Besigheim geht mit „Frauensache“ das Thema Schwangerschaftsabbruch an.

Abtreibung oder Schwangerschaftsabbruch - das ist hier die Frage: Altemanze und Gynäkologin Beate Werner, die einzige in 80 Kilometern Umkreis, die mit Rat und vor allem mit Tat Frauen zur Seite steht, die sich gegen die Geburt eines ungewollten Kindes entscheiden, trifft auf eine Kollegin aus der Generation 2000.

Die beiden beschnuppern sich und ihr Tun, weil Beate ihre Praxis abgeben möchte. Hanna, die potenzielle Nachfolgerin, hält sich bedeckt, während Beate in Weinlaune einen Schwank nach dem anderen aus ihrem Politleben als alte 68erin erzählt. Hanna gehört zur nächsten Gynäkologengeneration, ist Abtreibungsgegnerin und nimmt ihre Aufgabe ernst, Frauen, die latente Zweifel haben, zum Abbruch zu raten.

Am Puls der Zeit

Es knistert im Gewölbekeller des Steinhauses am Donnerstagabend. Die neue Inszenierung der Besigheimer Studiobühne greift ein Thema auf, das heikel ist und heikel bleibt. Im kosmopolitischen Weltbild klaffen die Meinungen so weit auseinander wie im Stück „Frauensache“ von Sarah Nemitz und Lutz Hübner. Mit „Frauensachen“ liegen die beiden Autoren am Puls der Zeit, denn in vielen Ländern steht das Recht am eigenen Körper immer noch in Frage.

Ein schlechtes Gewissen bekommen Frauen oft auch hier in Deutschland vom eigenen Frauenarzt eingetrichtert – auch das ist Gegenstand des Stücks und leider Realität. Frauenärzte, die Abtreibungen seit Jahrzehnten vornehmen, entwickeln eine Routine, die ebenso fragwürdig ist. Eine junge Schwangere, die bereits alleinerziehend ist, erzählt davon, wie der sonst so vertraute Frauenarzt zur Hyäne mutierte, als sie beim Gedanken an ein zweites Kind von Überforderung auch nur sprach. Für die Besigheimer Studiobühne ist das Thema wie gemacht: Kathrin Sudmann, erfahrene Schauspielerin aus den Reihen des Ensembles, ist prädestiniert für die Rolle der ehemals flippigen Eigensinnigen, die einst stolz den Slogan “Mein Bauch gehört mir“ auf dem T-Shirt getragen hat. Emily Zundel, immer wieder eine starke Hauptdarstellerin, steht als syrische Sprechstundenhilfe Mira Arjouni solidarisch hinter ihrer Chefin, die ihr Deutsch beigebracht hat.

Die Situation spitzt sich zu: Fanatiker stellen Plakatwände mit Fotos von zerstückelten Embryonen vor der Praxis ab und eine neue Generation entschiedener Christen singt und betet vor dem Fenster, während drinnen die Abbruchärztin ihre Routine auslebt und stolz zu sein scheint auf ihre Monopolstellung in der Region.

Die erfahrene Gynäkologin, die schon längst nicht mehr erwünscht ist im Ort, zeigt ein dickes Fell - die Syrerin nicht. Ihr Mann ist kriegsbedingt im Gastland in der Traumatherapie. Noch mehr Gewalt kann sie sich in ihrem Leben nicht leisten.

Hannah Neuner spielt die junge Nachfolgerin, die so fern von jedem Altemanzentum ihr Studium absolviert hat, mit dem Gedanken Frauen zu unterstützen auf ihrem Weg, Mutter zu werden. Ihr Freund betreibt mit anderen zusammen einen Biohof. Als eine Klientin kommt, die in der zehnten Woche einen Abbruch vornehmen will, nimmt sich die junge Nachfolgerin empathisch ihren leisen Zweifeln an.

Es knistert bis zum Schluss

Die Anspannung auf der Bühne und im Publikum ist bis zum Schluss greifbar. Prägnant: Es spielen nur Frauen in diesem Stück mit, obwohl das Thema Abbruch von ungewollten Schwangerschaften doch beide Geschlechter angeht. Auch damit zeigen die Regisseure, wie die Realitäten liegen.

Facettenreich und feinfühlig öffnet diese Inszenierung den Blick neu für ein Thema, das wohl immer zwei Pole haben wird. Weitere Aufführungen gibt es jeweils freitags bis sonntags vom 9. bis 11. Februar sowie vom 16. bis 18. Februar. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr.  Susanne Yvette-Walter

 
 
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