Rot leuchten die Haare von Renate, obwohl am Donnerstag keine Sonne scheint. Renate Geippel ist erste Zunftmeisterin bei der Narrenzunft Schalksteinnarren in Besigheim. Auf ihrem Rücken hockt die Hex’ als Zeichen ihrer Narrenmacht. „Die Wurmberghexe und der Schalksteinnarr sind unsere Symbolfiguren“, erklärt Renate Geippel einmal mehr.
Besigheim Narrentaufe mit fürchterlichem Festmahl
Die Schalksteinnarren erobern das Rathaus, das vom neu gewählten baldigen Bürgermeister Florian Bargmann nicht verteidigt werden kann.
„Otto“ kann das Rathaus nicht vor den Narren retten
Um sie herum grinsen die Fratzen vieler Wurmberghexen auf dem Besigheimer Marktplatz. Dass die Zunftmeisterin aufgeregt ist, wie vor jedem Rathaussturm in Besigheim merken nur die, die sie gut kennen. Gerade eben sind die Schalksteinnarren mit lautem Getöse die Kirchgasse herauf gerannt und setzen an zum Rathausturm wie an jedem schmotzigen Donnerstag.
Zögerlich kamen schon um halb fünf, eine halbe Stunde, bevor der Sturm losbricht, die ersten Kinder auf den Rathausplatz und „Otto“ geht in Position: Mit Schwert und Schild mimt „Otto“, alias Andreas Melzer, den Beschützer des Rathauses in der Kluft eines Kreuzritters samt Helm ins Visier - ein eindrucksvolles Bild.
Kaum einer würde wagen jetzt das Rathaus zu stürmen. Die Schalksteinnarren reiben sich siegessicher die Hände und wippen zur Partymucke mit, denn wie in jedem Jahr wird das Rathaus nicht einfach nur gestürmt. Der Witz und die Würze des Sturms liegen in den Wettkämpfen auf dem Marktplatz – ein Vergnügen für alle Umherstehenden.
Der Schultes und seine Mitarbeiter sollen gegen die Schalksteinnarren antreten im Sackhüpfen, im Würstelschnappen und im Dosenwerfen. „Wir sind gespannt auf den neuen Schultes, ob der auch so brav alles mitmacht wie unser Steffen Bühler?“, fragt sich die Zunftmeisterin und sagt leise: „Ganz schrecklich werden wir den vermissen.“ Schnell stellt sich heraus, dass „Otto“ im Kreuzrittergewand so groß und bierbauchig er auch sein mag, sehr leicht bestechlich ist. Schnell zeigt sich auch, dass der neue Bürgermeister von Besigheim, Dr. Florian Bargmann, ein echter Spaßvogel ist, der jede Gaudi mitmacht.
Er kokettiert mit „Otto“ an der Rathaustür, und der öffnet doch glatt die Schleuse. Der neue Schultes muss als Erster ein mit scharfem Senf bestrichenes Würstchen verspeisen, nach dem er blind schnappt, während dem Schalksteinnarr auf der anderen Seite ein zartes Saitenwürstle ohne Senf um die Nase weht.
Florian Bargmann ist bis Aschermittwoch die „Hex“
Es regnet Bonbons vom Balkon herab, und Kinder heben sie hastig auf. Bargmann kriegt groß das Wort „HEX“ auf die Stirn gemalt als Zeichen für sein neues Amt bis Aschermittwoch.
Zum Rathaussturm gehört als letztes Ritual die Narrentaufe. Dieses Mal sind es sechs erwachsene Narren, die nach einem Schnupperjahr den großen Schritt tun. „Die neuen kriegen bei uns Salzwasser zu trinken und etwas zum Schlecken. Da müssen sie durch“, erklärt Renate Geippel. Danach sind sie offiziell eine Hex’ oder ein Narr. „Den Kinder geht es bei der Taufe hervorragend. Die kriegen Süßigkeiten. Am besten lässt man sich bei den Schalksteinnarren schon als Kind taufen“, sagt die Chefin der Narrenzunft.
Die kleinen Narren schauen bei der Taufe der großen zu und essen Schaumküsse. Claudia Schmelzle von den Schalksteinnarren ist für den furchtbaren Eintopf zuständig, den die großen Narren herunterwürgen müssen. „Heute gibt es leckere Zwiebelsuppe mit Kapern, Rosinen, Schokostreuseln und Sirup“, verkündet sie. Doch das ist nur die Vorspeise. Als zweiter Gang serviert sie Haferschleim mit Sardellen und Pilzen. Allen Täuflingen fällt bei diesen Aussichten die Kinnlade hinunter.