Konzentriert beugen sich Ulrich Sebrantke und Gerhard Schwarzenbeck im ehemaligen Bahnhof von Besigheim über einen kleinen Aktenvernichter aus Plastik, der vor einiger Zeit seinen Geist aufgegeben hat. Mit Schraubenzieher und Geschick wollen ihm der studierte Elektrotechniker und der frühere Radio- und Fernsehtechniker wieder Leben einhauchen.
Besigheimer Zukunftswerkstatt Reparaturen an der Umwelt
Die Zukunftswerkstatt und ihre Ziele: Was Repair-Café, der Enzpark und Bebauungspläne gemeinsam haben.
Sebrantke und Schwarzenbeck sind nur zwei von einem halben Dutzend Fachleuten, die sich an diesem Tag um kaputt gegangene Gestände kümmern. Nebenan versuchen ihre Mitstreiter, einen kleinen Tischgrill mit Hilfe eines Lötkolbens wieder in Gang zu setzen und ein kleines Tablet dazu zu bringen, dass es wieder Daten verarbeitet.
All diese Gegenstände wären vermutlich auf dem Müll gelandet, gäbe es nicht das Repair-Café der Besigheimer Zukunftswerkstatt, das dieser Tage bereits zum 58. Mal stattfand. Es ist das sichtbarste Beispiel der Arbeit der Zukunftswerkstatt, die sich 2014 in der Stadt gebildet hat. Das Repair-Café sei ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität in der Gesellschaft, sagt Sabine Kumkar, die Sprecherin der Zukunftswerkstatt. Sie ist weder eine Bürgerinitiative noch ein Verein, eher schildert Kumkar die Zukunftswerkstatt als einen Zusammenschluss von Menschen mit ähnlichen Zielen.
Dieser Interessengemeinschaft gehe es um mehr als um die Reparatur von Alltagsgegenständen, betont sie. Ihr Ziel sei ein „schonender und achtsamer Umgang mit den Lebensbedingungen“, mit der umgebenden Natur und mit der Fläche, die immer weiter bebaut wird. Und nicht zuletzt steht das Miteinander im Vordergrund, die „soziale Komponente“, wie Kumkar sagt.
Wie lässt sich das konkretisieren? Bei Filmen und Vorträgen, wie sie im früheren Wartesaal des Bahnhofs angeboten werden, soll es jedenfalls nicht bleiben. Seit 2017 wird eine Pflanzentauschbörse organisiert. Aus der Zukunftswerkstatt heraus hat sich ein Arbeitskreis gebildet, der sich aktiv in die Diskussion um die Gestaltung des südlichen Enzparks eingebracht hat. Nicht immer zur Freude der Planer und Entscheidungsträger auf dem Rathaus. „Wir waren dagegen, dass der Enzpark so monströs und teuer geworden ist“, sagt Kumkar. Und so viele Bäume und Sträucher weichen mussten. „Es hätte uns besser gefallen, wenn er mehr in die bestehende Natur integriert worden wäre.“
Gescheitert ist die Zukunftswerkstatt mit ihrem Wunsch nach einem Stadtgarten im Enzpark. Um dafür zu werben, hatte sie sogar 2019 am Winzerfestumzug teilgenommen. Die Idee eines öffentlichen Gartens im Enzpark sei von der Stadt aber mit Verweis auf den Hochwasserschutz in dem Gelände abgelehnt worden.
Aktuell bringt sich die Zukunftswerkstatt in die Diskussion um die Bebauung des früheren Ziegelei-Areals ein. Und auch die Planungen für den nördlichen Teil des Enzparks wird sie laut Kumkar ebenso im Blick halten wie die Bebauungspläne für das Schimmelfeld. Mit dem BUND und Attac gemeinsam hat sie Stellung genommen gegen die Planungen für das Gewerbegebiet Benzäcker in Mundelsheim, woraus sich in Mundelsheim eine Initiative entwickelt habe, die versuchen will, das Projekt noch zu bremsen oder abzumildern. Sie unterstützt einen Volksantrag von Naturschutzverbänden und Landwirtschaftsverbänden, der unter anderem gesetzliche Obergrenzen für den Flächenverbrauch festschreiben will.
Was in Besigheim fehlt, seien Gelegenheiten für ein soziales Miteinander, meint Kumkar, die dabei an Gemeinwesenzentren denkt, wie es sie in anderen Orten gibt. Bis auf die Begegnungsstätte gebe es keine öffentlich zugänglichen Räume, in denen sich Menschen treffen könnten. Auch dafür will sich die Zukunftswerkstatt einsetzen. Michael Soltys