Petra Rieger beurteilt die Geschäftsaussichten realistisch. „Über Jahrzehnte hat es gut funktioniert, jetzt bröckelt es“, sagt die Inhaberin der Buchhandlung Beurer in der Besigheimer Kirchstraße. Seit 38 Jahren bedient sie Kunden in dem Schreibwarengeschäft, das im ersten Stock als Buchhandlung fungiert, erst als Angestellte in Teilzeit, später, ab 2008, als Inhaberin. Und immer zusammen mit dem heute 86 Jahre alten Jürgen Beurer. „Wir sind praktisch zwei Generationen“, sagt sie.
Besigheim Wechsel-Welle in der Kirchstraße
Zum Jahresende schließt mit dem Schreibwarenladen Beurer ein Kunden-Magnet in der Altstadt. Weitere Wechsel stehen an, Interessenten soll es geben.
Doch damit ist Schluss am Ende des Jahres, schon seit Wochen ist klar, dass Rieger ihr Geschäft schließen wird. Der Ausverkauf läuft bereits. Die Gründe sind vielfältig: Es sei nicht allein ihr Alter von 66 Jahren, dass sie zur Schließung bewogen habe, sagt Petra Rieger. Das Geschäft „bröckelt“ wegen der zunehmenden Konkurrenz durch den Internet-Versandhandel, aber auch wegen des Angebots, dass Vollsortimenter und Drogerien an Schreibwaren für die Kunden bereithalten, erläutert sie. Kostenlose Retouren lassen die Hemmschwelle für Bestellungen sinken. In der Drogerie greift man schnell einmal zu, auch wenn es dort teurer ist als im Fachgeschäft an der Kirchstraße, sind die Erfahrungen der Geschäftsinhaberin.
Wechsel von Anbietern
Die Schließung der Buchhandlung ist das augenfälligste Signal für einen grundlegenden Wechsel von Anbietern in der Altstadtstraße. Gleich neben der Buchhandlung stehen zwei Läden leer, das frühere Spielwaren- und Farbengeschäft Schober und „Nenekiki“, früher ein Geschäft für Kindermoden. Weiter unten in der Kirchstraße kündigen Plakate vom Ausverkauf eines Geschäfts für Brautmoden. Das „Labyrinth“ in der Entengasse hat angekündigt, seinen Geschäftsbetrieb zum 20. Dezember einzustellen. Dem Betreiber der Automaten in der Kirchstraße 21 soll zum Jahresende gekündigt worden sein. Weiter oben in der Kirchstraße steht das frühere Büro eines Immobilienmaklers leer.
Drohen damit langfristig Leerstände in den Ladengeschäften der Altstadt? Oder gelingt es, interessante Handelsgeschäfte in die Altstadt zu locken? Die Antworten von Bürgermeister Florian Bargmann und Maria Casella, der Vorsitzenden des Marceting Concept Besigheim, MCB, wie sich die Vereinigung der Ladenbesitzer nennt, fallen sehr differenziert aus. Die Eigentümer des Hauses „Farben Schober“ suchen einen neuen Besitzer. Schon seit Monaten stehen die Hausnummern 27 und 29, direkt am Marktplatz, in Internet-Portalen zum Verkauf, der Preis ist bereits deutlich herabgesetzt worden. Das Problem laut Bargmann: Ein Investor müsste hohe Summen in die Renovierung von Laden und Haus stecken. Für das „Labyrinth“ sei noch kein Nachfolger gefunden, berichtet Maria Casella. Auch dieses Haus soll vor dem Verkauf stehen.
In anderen Fällen deutet sich eine Lösung ein. In das frühere Brautmodengeschäft wird laut Casella ein Friseur einziehen, der bisher in der oberen Kirchstraße sein Geschäft hat. Petra Rieger, die in Absprache mit ihrer Verpächterin handelt, hat die Hoffnung, einen „adäquaten Nachfolger“ für die Buchhandlung Beurer zu finden. Die Besitzerin bevorzuge ein Handelsgeschäft. Rieger selbst hält es für wichtig, dass Schreibwaren in der Innenstadt im Angebot bleiben. Zuversichtlich sind die Akteure auch, dass wieder jemand in den Laden von „Nenekiki“ einzieht. Die Häuser der Buchhandlung Beurer und von „Nenekiki“ sind im Besitz derselben Person. Casella selbst hat erst vor kurzem den „Anker“ in der Kirchstraße übernommen. Für ihren früheren Feinkost-Laden in der Hauptstraße sei sie mit einem Nachfolger im Gespräch.
Es sei eine „Herausforderung, dass so viele Läden auf einmal schließen“, sagt Bürgermeister Bargmann, der das Thema Ladenschließungen im Januar auch in seinem Wahlkampf angesprochen hatte. Die Stadt sehe sich als Vermittler. In seinem Sekretariat fungiert Simone Majdandzic, die frühere Geschäftsführerin des MCB, jetzt als Ansprechpartnerin für Interessenten und Vermieter. Bargmann ist zuversichtlich: Besigheim sei für Ladenbesitzer nicht unattraktiv. „Es kommen viele auf uns zu, ohne dass wir Werbung machen müssen.“
Casella dagegen sieht weiteren Handlungsbedarf, sowohl beim MCB, dessen Vorsitzende sie seit Oktober ist, als auch bei der Stadt. Die Stadt hätte durchaus früher reagieren können, meint sie, die Infos über die Schließungen seien bekannt gewesen, jetzt renne die Zeit davon. „Die Stadt muss sich bei Interessenten bewerben“, fordert sie. Es gehe darum, den Handel nach vorne zu bringen und in der Altstadt nicht nur auf Gastronomie zu setzen. Sie strebt an, ein gemeinsames Konzept für die Akquise zu erarbeiten, mit Anzeigen, Flyern und vielleicht auch einem Film, um zu zeigen, welche Vorteile Besigheim zu bieten hat. Dafür müsste auf der Internet-Seite der Stadt und auf der des MCB stärker geworben werden.