Die Akustik ist ganz anders als bei einem Diesel“, sagt Nadine Lahouel und dreht den Zündschlüssel. Die Mega-Zugmaschine des Lowliners setzt sich sanft in Bewegung. Lautlos gleitet die Fuhrparkleiterin über den Parkplatz von Lila Logistik. Es ist der vierte Lkw mit Elektroantrieb des Besigheimer Unternehmens. Und es soll nicht der Letzte sein.
Besigheim Wenn aus dem Diesel ein E-Truck wird
Das Unternehmen „Müller – Die lila Logistik“ setzt seit kurzem die vierte Zugmaschine mit Elektroantrieb ein. Fuhrparkleiterin Nadine Lahouel hat die BZ im Fahrerhaus mitgenommen.
Im beladenen Zustand verfügt das Fahrzeug über eine Reichweite von rund 250 Kilometer. Der Motor sitzt unter dem Fahrerhaus, die beiden Lithium-Eisenphosophat-Akkus sind hinter der Fahrerkabine angebracht. Auf den Fahrzeugtüren prangt ein großer Stecker. „Das Fahrzeug war ursprünglich ein Diesel-Lkw von Volvo“, sagt Lahouel. Gefördert durch den Bund wurde er in der Schweizer Manufaktur Designwerk zum E-Truck umgerüstet. Der Verbrauch liegt bei rund 100 Kilowatt (KW) auf 100 Kilometern. Mit Ökostrom fahre der Truck CO2-neutral. Zum Vergleich: Auf der gleichen Entfernung stoße ein konventioneller Lkw rund 60 Kilogramm CO2 aus.
Schnelleres Beschleunigen
Etwa fünf Stunden dauert die Ladung der Akkus an der hauseigenen 70 KW-Ladesäule. Da das Unternehmen in der Region vor allem zum Teil im Pendelverkehr unterwegs ist, um unter anderem die Automotiv-Branche zu beliefern, werden die Fahrzeuge zum Laden nach Schichtende in Besigheim abgestellt.
„Der Anzug ist gleichbleibend, beim Bremsen schiebt er etwas mehr und das Beschleunigen geht sogar schneller als bei einem Diesel“, findet Lauhouel, die „selbst noch ein Diesel-Kind“ war.
Nach einer Ausbildung als Bürokauffrau nahm sie 1997 an einem zehntägigen Ferienführerschein-Kurs für Lkw teil und bestand die Prüfung. „Bei Lila Logistik habe ich die Möglichkeit bekommen, als Fahrerin zu arbeiten“, sagt Lahouel. Ein Jahr lang war sie in Deutschland unterwegs, „dann ging es nur noch nach Italien bis Portugal. Das Gefühl von Herausforderung habe sie geliebt. Wenn es darum ging, einzuparken oder den Trailer zu entladen, seien die Männer reihenweise an der Rampe gestanden, um sie zu beobachten. Doch mit einem Hubwagen und anderen Hilfsmitteln habe sie sich gut behelfen können, sagt die Mutter von drei erwachsenen Söhnen.
„Ich liebe meinen Job“
2013 übernahm Lahouel schließlich die Leitung des Fuhrparks des Familienunternehmens, zu dem allein am Standort in Besigheim rund 110 Fahrer gehören. „Ich kümmere mich um 65 Zugmaschinen und 250 Trailer“, sagt sie. Wann ist die nächste Hauptuntersuchung fällig, reichen die Reifenprofile noch aus und wie steht es um die Sozialvorschriften der einzelnen Fahrer? Neben dem umfangreichen Aufgabengebiet schätzt sie das Miteinander der verschiedenen Kulturen, gelegentlich springt sie aushilfsweise auch heute noch für Touren ein: „Ich liebe meinen Job“, sagt sie.
Lahouel selbst darf Gigaliner von über 25 Metern steuern und andere Fahrer in der Theorie und Praxis des Langtrailer-Fahrens unterrichten. Doch nicht jeder bekommt von ihr sofort ein Zertifikat. Sie muss sich schon sicher sein, dass der Fahrer beim Rangieren mit dem Fahrzeug auch zurecht kommt. „Sonst wird lieber noch einmal auf dem Firmengelände geübt“, sagt sie. Bei den Schulungen kommt ihr zugute, dass sie nicht nur deutsch und französisch spricht, sondern sich auch auf Englisch, Schwedisch und Italienisch verständigen kann. „Die Fahrer haben Respekt vor einem, wenn sie merken, dass man weiß, wovon man redet“, sagt Lahouel.
Neben der neuen E-Zugmaschine setzt Lila Logistik außerdem eine Standardsattelzugmaschine sowie zwei 18 Tonner mit E-Antrieben ein, wobei Reichweiten bis zum 450 Kilometer erreicht werden, erklärt Lahouel.
Fehlende Ladesäulen für Trucks
„Die Ladeinfrastruktur für E-Trucks ist in Deutschland noch sehr dünn“, sagte sie. Öffentliche Ladesäule seien eher ungeeignet für lange Trailer. Nur an einzelnen Tankstellen auf der Autobahn gebe es spezielle Ladespuren für Lkw. Auch die Anschaffungskosten liegen bei einem E-Truck höher als bei einer klassischen Zugmaschine. Doch immer mehr Kunden seien bereit, etwas mehr für den CO2-freien Transport ihrer Ware mit Ökostrom zu bezahlen, da sie damit auch ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele umsetzen.
Zurzeit setzt „Müller – Die lila Logistik“ bei rund 60 Prozent der insgesamt rund 70 Lkw Diesel aus Bioabfällen (HVO100) ein – der relativ neue Kraftstoff aus hydriertem Pflanzenöl zählt zu den paraffinischen Dieselkraftstoffen – sowie einen gasbetriebenen und vier E-Trucks. 35 Prozent der Zugmaschinen haben einen Dieselantrieb. „Ich bin gespannt, wohin der Weg uns noch führen wird“, sagte Fuhrparkleiterin Nadine Lahouel.