Besigheimer Gastronomiegeschichte Verlockende Schilder am Wirtshaus

Von Erwin Ruff
Das Wirtshausschild des früheren Gasthaus Krone in der Besigheimer Hauptstraße 67. In diesem Gebäude ist heute die Außenstelle des Landratsamts untergebracht. Foto: /Erwin Ruff

Reise in die Vergangenheit: Gute Gastlichkeit war am Gasthausschild zur erkennen. Erwin Ruff vom Geschichtsverein Besigheim hat in Akten des Staatsarchivs geblättert.

Schildwirtschaft und Schildgerechtigkeit sind Begriffe, mit denen heute die Wenigsten etwas anfangen können. Erwin Ruff vom Geschichtsverein Besigheim hat in alten Akten des Staatsarchivs Ludwigsburg geblättert und ist dabei auf Besigheimer Gasthäuser gestoßen, die berechtigt waren, ein Wirtshausschild, einen so genannten Ausleger, aufzuhängen. Heute ist es selbstverständlich, dass es Gasthäuser und Hotels gibt, die Gäste beherbergen und verköstigen.

Ein Blick zurück zeigt, dass das Beherbergen und Bewirten in Deutschland erst an der Schwelle vom Hochmittelalter zum Spätmittelalter entstanden ist. Zuvor galt das private Gastrecht. Ab dem 12. Jahrhundert entstanden Gaststätten in steigender Zahl. Neben Tavernen, die Speisen und Getränke verkauften, gab es Herbergen, in denen die Übernachtungsgäste ihre Verpflegung selbst mitbringen mussten. Der vollausgebildete Typ des Gasthauses, in dem gegen Entgelt sowohl Beherbergung als auch Verpflegung geboten wird, entstand um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert.

Strenge Unterscheidung

Nachdem das badische Besigheim im Jahr 1595 durch Kauf württembergisch geworden war, galt nun nicht mehr die Durlach’sche Wirtsordnung von 1541, sondern das württembergische Recht. Damals wurden bei den Wirtschaften zwei Arten streng unterschieden, nämlich die Gastgeb- oder Schildwirtschaften und die Gassen-(Schank-, Zech-)Wirtschaften. Die württembergische Wirtsordnung von 1584 besagte hierzu: „Wer Wirtschaft anfahren will, soll es zuerst bei der Obrigkeit anbringen und einen Schild, Kranz oder Reif aushängen, sobald er Konzession hat. Er soll vier angerichtete Bettstatten halten, acht Pferde stellen können im Stall.“ Schildwirtschaften waren somit die ersten Wirtschaften in der Stadt. Ihre Besitzer gehören zur städtischen Obrigkeit. Die Gassenwirte, beständige wie unbeständige, durften neben dem Trank nur Brot und Käse reichen. Beiderlei Wirte „dürfen nur mit Vorwissen Wirtschaft treiben und ist die Stadt jederzeit befugt, ihnen aufzukündigen.“

Kein Schild für Schänken

Schildgerechtigkeit ist ein Begriff, der zu Beginn der Neuzeit im 16. Jahrhundert das von der Obrigkeit vergebene Recht bezeichnete, eine Gastwirtschaft mittels Anbringung eines Schilds als solche kenntlich zu machen und als öffentliches Gewerbe in Ortschaften und an Hauptstraßen zu betreiben. Eine Schildwirtschaft besaß ein Schild und einen Namen. Schank- und Gassenwirtschaften durften kein Schild aushängen. Mit der Verleihung der „Schildwirtschaftsgerechtigkeit“ wird „das Haus von nun an ein Gast- und Schildwirtschaftshaus sein und bleiben“ und dem Inhaber und seinen Nachfolgern gestattet, „ein öffentlich Schild auszustecken“. Damit hatte der Schildwirt „die kräftigste Verpflichtung für sich,
 seinen Erben und künftigen Besitzern des Hauses“ übernommen, „sich je und allzeit zu befleißigen, den einkehrenden Gästen nach Standesgebühr mit Höflichkeit und Aufwartung zu begegnen, dieselben mit guter Speis und Trank und reinlicher Herberge zu versehen“, auch „den Gästen kein sittenloses, ärgerliches Gehetz und verbotswidriges Wesen und Schlägereien zu gestatten, noch fremde verdächtige Personen wissentlich zu beherbergen.“ Die Wirte waren verpflichtet, die Obrigkeit über Zahl, Namen und Herkunft der Gäste, sowie über Vergehen und verdächtige Reden zu informieren.

Orientierung für Ortsunkundige

Durch das Schild wurde der Name des Gasthauses bildlich umgesetzt, auch ein Entgegenkommen an die oft des Lesens unkundigen Einwohner. Vom Schild erhielt das Wirtshaus seinen Namen, wobei christliche Symbole, Tiernamen, landschaftliche Bezeichnungen, Standorte oder alte Häusernamen hierfür Pate standen. Da man bis Ende des 18. Jahrhunderts keine Straßennamen und Hausnummern hatte, waren die Schilder zugleich Wegweiser und Orientierungspunkte für Ortsfremde.

In den historischen Unterlagen wird das Haus Bügelestorstraße 2 als „Natterische Herberge“ bezeichnet, wo Hans Christoph Natterer 1569 die „Beherbergung fremder Leut und Raichung warmer Speiß“ gestattet wurde. Um 1640 übernahm der spätere Besigheimer Bürgermeister Caspar Hägele die Herberge und richtete dort die Wirtsherberge und Schildwirtschaft „Zur Krone“ ein. Sie war lange Zeit die erste Gastgebwirtschaft. Die 1735 neben der Enzbrücke erbaute „Sonne“ lief der „Krone“ aber bald den Rang ab. Die „Krone“ sank immer mehr von ihrer früheren Höhe herunter und wurde 1801 geschlossen. Eine neue Schildwirtschaft „Krone“ des Johann Jacob Gräber entstand 1820 am Kronenberg.

Renommierteste Wirtschaft

Die „Sonne“ war dann lange die renommierteste Schildwirtschaft Besigheims. An der Ecke des Gebäudes direkt beim Eingang hing eine große goldene Sonnenscheibe. Die Flößer, die vom Schwarzwald her die Enz herunter kamen, übernachteten oft in der „Sonne“. Nicht von ungefähr bekam das Gasthaus den Beinamen „Flößerstube“. In der Zeit der alten Gastlichkeit trafen sich hier Honoratioren des Oberamtsstädtchens. Später wurde die „Sonne“ das Standquartier der Künstler und Maler, die am Flussufer vor ihrem Motiv saßen und sich nach der künstlerischen Arbeit in der gemütlichen Gaststube stärkten. 1969 wurde das Gebäude abgebrochen.

Im Jahr 1825 gab es vier Schildwirtschaften, am 1. Januar 1892 waren es fünf, ebenso am 1. Januar 1932. Nachdem die alte Schildgerechtigkeit gestrichen wurde, durften nun auch andere Gasthäuser ein Schild aufhängen. Künstlerisch geprägte schmiedeeiserne und teils vergoldete Wirtshausschilder zierten damals die „Sonne“, das „Waldhorn“, die „Krone“, den „Adler“, das „Lamm“.

 
 
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