Betreuungssituation in Bietigheim-Bissingen Rund 150 Kinder ohne Kita-Platz

Von Rena Weiss
Die Stadt Bietigheim-Bissingen hofft, dass die Kita Gustav-Rau-Straße über dem Lidl Entlastung bei den Kita-Plätzen bringt. ⇥ Foto: Martin Kalb

Im Sachstandsbericht über die aktuelle Situation in den Kindertageseinrichtungen wird deutlich, dass trotz neuen Kitas und Erweiterungen weiterhin zahlreiche Plätze fehlen.

Die Vergabe der Kita-Plätze für das laufende Jahr 2020/21 ist weitgehend abgeschlossen. Vereinzelt gebe es noch freie Plätze, die jedoch zeitnah an die bisher nicht versorgten Kinder vergeben werden, heißt es in der Sitzungsvorlage zum Sachstandsbericht über die aktuelle Situation in den Kindertageseinrichtungen in Bietigheim-Bissingen, der am Dienstag im Gemeinderat vorgestellt wurde. Laut Bericht sind 66 Kinder im Ü 3-Bereich auf der Vormerkliste und rund 100 Kinder im U 3-Bereich haben bislang noch keinen Platz.

Gründe für fehlende Plätze

„Die Platzvergabe gestaltet sich infolge gestiegener Kinderzahlen schwieriger als in den Vorjahren“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Die Platzsituation im Ü 3-Bereich werde sich im Kita-Jahr 2021/22 noch verschärfen. Zum einen wird durch die stufenweise Vorverlegung des Einschulungsstichtags vom 30. September auf den 30. Juni ab dem Kita-Jahr 2022/23 rund ein Viertel des Jahrgangs (bis zu 100 Kinder) in den Einrichtungen bleiben. Im laufenden Kita-Jahr sind dies circa 25 bis 30 Kinder. Zum anderen sind die Jahrgänge deutlich stärker als in den Vorjahren. So fehlen derzeit rund 170 Plätze – das empfindet der gesamte Gemeinderat wie auch die Stadtverwaltung als unbefriedigend.

Thomas Reusch-Frey, SPD-Fraktionsvorsitzender, findet, dies komme in einer Zeit, in der Familien mit kleinen Kindern hochgradig belastet seien und inzwischen fast alle am Limit. „Unsere Kita-Plätze sind teilweise einfach zu wenig. Wir reden hier nicht über Einzelfälle.“ Es bleiben in den nächsten Jahren viele Kinder unversorgt. Diese Meinung vertritt auch Traute Theurer, GAL-Fraktionsvorsitzende: „Momentan reichen unsere Kapazitäten nicht aus. Unser begonnenes Ausbau- und Neubaukonzept, um den dringend benötigten Platzbedarf zu begegnen, passt weiterhin.“ Damit spricht sie eine mögliche Entlastung an.

Mögliche Entlastung

Die Stadt setzt stark auf die neue Kita in der Gustav-Rau-Straße (die BZ berichtete). Karin Wittig, CDU-Stadträtin, dazu: „Ein Teil kann sicher mit der neuen Kindertagesstätte in der Gustav-Rau-Straße abgedeckt werden, die in diesem Sommer starten soll.“ Drei weitere Erweiterungen werden jedoch erst 2023 fertig sein (Neubau Kita Gerokstraße, Erweiterungen der Kitas Metterzimmern und Breslauer Straße). „Auch mit der zeitlichen Umsetzung unseres Ausbauprogramms sind wir im Rückstand und damit nicht zufrieden“, betont Reusch-Frey. Seine GAL-Kollegin Traute Theurer hofft auf Entlastung durch die Domino-Kita sowie die Erweiterung der Kita Fliederweg um eine Gruppe, die für Ende 2021 angedacht ist. „Es sind Tropfen auf den heißen Stein“, fügt sie jedoch hinzu.

Alle Beteiligten – Mitglieder des Gemeinderats, der Stadtverwaltung sowie der freien Träger, der Tagespflege sowie auch Elternbeirat sollen sich zusammensetzen und Ideen entwickeln, empfiehlt die SPD.

Gruppengrößen anpassen

Karin Wittig bittet indes die Verwaltung erneut bei der Landesregierung anzufragen, ob die Gruppengröße vorübergehend um ein Kind erhöht werden könne. Dies könne bis zur Fertigstellung der Kitas eine Entlastung bringen. „Ich denke, wir sollten an der Stelle vorsichtig agieren“, findet jedoch die SPD und ihr Vorsitzender Thomas Reusch-Frey. Wozu gebe es denn Qualitätshandbücher und pädagogische Konzepte? Zudem mache dies die Stadt als Arbeitgeber nicht gerade attraktiv. Eva Jahnke, CDU, betont indes, dass es sich hierbei nur um eine vorübergehende Anpassung handelt, sodass die Kinder betreut werden und die Eltern arbeiten können. Bis dahin müssen die fehlenden Plätze überbrückt werden, so Wittig. „Bleibt die Frage verbunden mit der Hoffnung, dass dann auch alle neu entstehenden Stellen zu besetzen sind, da es zur Zeit bereits 15 offene Stellen gibt.“

Personal

Dies ist ein Dauerthema in der gesamten Republik, sagte Oberbürgermeister Jürgen Kessing. Private Träger können auch ausländisches Personal anstellen, öffentliche Einrichtungen dürften dies nicht, so Kessing.

Mit den angebotenen Ausbildungsprogrammen sei die Stadt indes auf dem richtigen Weg, findet die GAL, die jedoch die angespannte Lage aufgrund des Fachkräftemangels nicht unterschätzt und sie vor allem bei der Sprachförderung, die unbedingt notwendig sei, bemängelt. Inga Mollerus, Leiterin des Amts für Bildung, Jugend und Betreuung, ist zumindest bei der neuen Kita Gustav-Rau-Straße zuversichtlich. Es wurden Gespräche geführt und ein Teil des Personals konnte bereits gefunden werden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen können“, sagt sie über die restlichen Stellen.

Rechtsanspruch

Das Kindertagesbetreuungsgesetz verpflichtet die Kommunen für alle Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt einen Platz in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen. Bei Nichterfüllung können Entschädigungsansprüche beim örtlichen Jugendhilfeträger, dem Landkreis Ludwigsburg, geltend gemacht werden. „Wir haben es momentan immer geschafft, mit der Tagespflege teilweise auch über Bietigheim-Bissingen hinaus den Rechtsanspruch abzuwenden“, erklärt Mollerus. Ein Pflegeangebot außerhalb der Stadt annehmen zu müssen, mache die Eltern nicht glücklich, wisse sie, doch der Rechtsanspruch gehe gegen den Landkreis und solange im Landkreis noch ein Platz gefunden werde, greife der Rechtsanspruch mit Schadensersatz nicht. „Für die Dreijährigen schaffen wir es in der Regel mit etwas Verzögerung.“ Das habe Priorität, bevor Kinder U 3 aufgenommen werden.

Teststrategie für Kitas

„Ein Anliegen von uns ist, dass wir in unserer Stadt eine Teststrategie für die Kitas auf den Weg bringen und umsetzen. Wir müssten dabei freilich wissen, welche Kosten da auf uns zukommen würden“, so Reusch-Frey. Nach Ostern werde das Personal zweimal die Woche mit Selbsttests getestet, sagt Mollerus. Kinder zu testen habe beispielsweise Heilbronn versucht. Doch hier zeige sich, dass es nur mit Kindern ab viereinhalb Jahren funktioniere. Die Erfahrung in den Schulen haben gezeigt, dass es ohne Verbindlichkeit keinen Sinn mache, so Kessing. Zudem habe die Stadt schon Mitte Februar angefangen, das Personal zu testen.

 
 
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