Bietigheim-Bissingen Absage an Kameras sorgt für Frust

Von Uwe Mollenkopf
Überwachungskameras wie diese wird es am Bietigheimer Bahnhof und an der B 27-Unterführung beim Enzpavillon vorerst nicht geben. Foto: Marc Stinger/Imago

CDU, SPD und auch OB Jürgen Kessing beklagten im Gemeinderat, dass die beabsichtigte Videoüberwachung am Bahnhof und in einer Unterführung nicht möglich ist.

Es sei „eine riesengroße Enttäuschung“, sagte CDU-Stadtrat Claus Stöckle. „Nicht nachvollziehbar“, lautete der Kommentar von SPD-Fraktionschef Thomas Reusch-Frey. Gemeint waren die ablehnenden Stellungnahmen der Bundespolizeiinspektion Stuttgart und des Polizeipräsidiums Ludwigsburg zu der von der Stadtverwaltung beabsichtigten Videoüberwachung am Bahnhof Bietigheim-Bissingen und an der B 27-Unterführung beim Enzpavillon (die BZ berichtete). Wobei sich der Ärger am Dienstag im Gemeinderat nicht auf die Polizei bezog, sondern auf die Gesetzeslage, welche diese zu ihrer Einschätzung gebracht habe, namentlich der Datenschutz.

Stöckle (CDU): „Was muss denn noch passieren?“

Der Wunsch der Stadt nach Kameras resultierte aus einer Reihe von Gewalttaten um die Jahreswende 2024/2025, bei der Menschen überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt worden waren. Die Verwaltung hatte in einem Schreiben an die Polizeidienststellen argumentiert, dass damit eine erhebliche Gefahr für die hochrangigsten Rechtsgüter Leben und Gesundheit gegeben sei. Die große Anzahl an Menschen führe im Bereich des Bahnhofs/Busbahnhofs wie auch bei der Unterführung zudem dazu, dass dort Personen unterwegs seien, die Taschen- oder Fahrraddiebstähle verübten, Drogen verkauften oder konsumierten oder sonstige Ordnungsstörungen – von Lärmbelästigungen bis Wildpinkeln – begingen. Dagegen sah die Polizei keine erhöhte Kriminalitätsbelastung, die eine Überwachung rechtfertigen würde.

„Was muss denn noch passieren, dass reagiert wird?“, fragte sich Stöckle vor diesem Hintergrund. Seine Kritik richtete sich dabei an die Landes- und Bundespolitik sowie an das Bundesverfassungsgericht aufgrund eines entsprechenden Urteils. Der Datenschutz sei zu einem „Verhinderungswerkzeug“ geworden, beklagte der CDU-Stadtrat und nannte das Beispiel Tübingen, wo OB Boris Palmer ein ähnliches Problem beim Versuch habe, Kameras am Bahnhof zu installieren. „Ich kann nur den Kopf schütteln“, meinte Stöckle.

Thomas Reusch-Frey, dessen Fraktion sich in einem Antrag für die Videoüberwachung am Bahnhof eingesetzt hatte, pflichtete ihm bei. Eine Videoüberwachung sei sinnvoll, weil sie Straftäter abschrecke, die Strafverfolgung erleichtere und das Sicherheitsgefühl stärke. Die Ablehnung der Maßnahme schaffe Frust, so der SPD-Stadtrat, der eine allgemeine Diskussion über Datenschutz und Sicherheit auf höherer Ebene forderte. Man müsse die Ablehnung akzeptieren, sagte Reusch-Frey, er wolle dann aber auch nicht hören, dass die derzeitige höhere Polizeipräsenz aus Personalmangel zurückgefahren werde. Die SPD werde an dem Thema dranbleiben.

Theurer (GAL): „Uns geht es auch um den Datenschutz“

Dagegen zeigte sich Traute Theurer, die Sprecherin der GAL, froh, dass es in Bietigheim-Bissingen keinen Kriminalitätsschwerpunkt gebe und betonte: „Uns geht es auch um die Einhaltung des Datenschutzes.“ Die subjektive Wahrnehmung bei der Sicherheit unterscheide sich oft von der objektiven, sagte Theurer.

Das solle man demjenigen erzählen, der von fünf Leuten zusammengeschlagen worden sei, erwiderte darauf Stöckle empört in der teils sehr emotionalen Diskussion. Albrecht Kurz (GAL) führte daraufhin die viel höheren Opfer im Straßenverkehr an.

Während sich Dr. Arno Steilner (FDP) für einen Mittelweg zwischen Überwachung und Datenschutz aussprach, sah Axel Westram, der CDU-Fraktionsvorsitzende, auch die angestrebte Verkehrswende gefährdet: Diese klappe nicht, „wenn Leute um 20 Uhr die Hosen voll haben, einen Bahnhof zu betreten“.

Oberbürgermeister Jürgen Kessing, der zur Sachlichkeit mahnte, erklärte zugleich, dass sich in Sachen Sicherheit etwas verschoben habe. „Wir müssen aufpassen, dass der Datenschutz nicht zum Täterschutz wird“, sagte Kessing und verwies auf die liberalen Länder Nordeuropas, in denen Videoüberwachung sehr viel stärker als hierzulande eingesetzt werde. „Wir lassen das Thema nicht aus dem Auge“, versprach der OB. Wenn der Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (CDU), zum Pferdemarkt komme, werde er ja Gelegenheit haben, ihm die Thematik bei der Fahrt in der Kutsche während des Festumzugs zu erläutern, so Kessings Ansage im Gemeinderat.

Bessere Beleuchtung und Arbeitsgruppe beschlossen

Die beiden vorgeschlagenen Alternativ-Maßnahmen der Verwaltung wurden vom Ratsgremium mit einer Gegenstimme beschlossen. Dies ist zum einen die Entwicklung eines Konzepts durch die Verwaltung für den Bahnhof und die B 27-Unterführung beim Enzpavillon zur Optimierung der Ausleuchtung. Davon sollen alle, auch bisher unbeleuchtete Flächen erfasst werden, damit keine „Angsträume“ entstehen. Für die anschließende Umsetzung sollen die Stadtwerke sorgen.

Zum anderen wurde die Verwaltung beauftragt, eine „Sicherheitspartnerschaft Bahnhof Bietigheim-Bissingen“ einzurichten, indem sich eine Arbeitsgruppe zwei Mal im Jahr trifft, um bei Problemen Gegenmaßnahmen zu erarbeiten.

 
 
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