Bietigheim-Bissingen Annäherung an einen Unbekannten

Von Jörg Palitzsch
Die Städtische Galerie zeigt über 40 Werke Bruno Diemers. Foto: /Oliver Bürkle

In der Städtischen Galerie ist eine Werkschau zum 100. Geburtstag des Malers Bruno Diemer zu sehen. Gezeigt werden über 40 Bilder.

Als der 1924 in Brackenheim geborene Bruno Diemer 1950 erstmals Töpfer im französischen Vallauris besuchte, die zum Umfeld von Pablo Picasso zählten, mag er sich im Nachhinein vom Kubismus beeinflusst gefühlt haben. Diemers Bild „Schädelstillleben mit Kerze“, vor allem aber sein „Mädchen mit Sternenkreuz“, beide aus dem Jahre 1950, zeigen Anleihen der von Picasso und Georges Braque begründeten Stilrichtung. Es war freilich eine Nachahmung, eine eigene Bildsprache hatte Diemer zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden. Auch gibt es keinen Beleg eines Zusammentreffens zwischen Picasso und Diemer, wie Dr. Petra Lanfermann, die stellvertretende Leiterin der Städtischen Galerie in Bietigheim, bei einer Führung vor der offiziellen Eröffnung einer Werkschau zum 100. Geburtstag des Künstlers, sagte.

Zwei Jahre später malte Bruno Diemer die Hauptstraße von Bönnigheim, wo er nach dem Tod des Vaters im Elternhaus der Mutter lebte. Hier herrschen große, ineinandergeschobene Flächen vor, während sich 1953 sein charakteristischer gegenständlicher Stil herauskristallisierte. Dennoch bleibt Diemer, der 1962 bei einem Autounfall starb, mit seinem Werk weitgehend ein Unbekannter.

Bis zum 12. Januar zu sehen

Die Galerie wirkt diesem Eindruck mit über 40 Werken entgegen. Nach einer Retrospektive 2002 sind bis zum 12. Januar 2025 die Bilder des Malers aus der Sammlung zu sehen, ergänzt durch eine großzügige Nachlass-Schenkung, die 2023 erfolgte, sowie Leihgaben.

In der Ausstellung lässt sich eine Entwicklung in vielen Phasen ablesen, wie Galerieleiterin Dr. Isabell Schenk-Weininger bei der Führung erläuterte. Diemers ganz frühen Werke, eines davon das eindrucksvolle Bildnis des befreundeten Kunsthändlers Gustav Zigan von 1946, gehen über in die Bilder, die nach dem Vorbild Picassos geschaffen wurden. Gegenstände und Personen in geometrische Facetten unterteilt, die auch den Streit zwischen den Vertretern des Abstrakten und der Gegenständlichkeit kennzeichnet.

Nur: Diemer, von 1942 bis 1944 Kriegsteilnehmer bei der Luftwaffe als Fallschirmspringer, folgte diesem Stil nicht und fand vor allem in Paris, wo er ab 1950 mit Unterbrechungen lebte, eine eigene Handschrift. Und dies in einer Eile, als ob er gewusst habe, dass er nur 37 Jahre alt werden würde, so die Vermutung von Schenk-Weininger. So malte Diemer große Porträts, seltsam drapierte Akte und Stillleben wie einen Spirituskocher, einen Stuhl mit einer übergehängten Jacke sowie einen spröden Kaktustopf, eine seltsam erstarrte Momentaufnahme.

Am Ende des Rundgangs begegnen dem Betrachter streng komponierte Figurenbilder auf rotem Hintergrund. Verschobene, verdrehte Menschenbilder, die scheinbar ohne Halt durch die Welt schweben. Auf einigen kippt die Hintergrundfarbe in eine graue Grundstimmung, vielleicht, so die Vermutung, von den Schrecknissen des Krieges beeinflusste Ausdrucksformen.

„Was wäre gewesen, wenn sich Diemer hätte weiterentwickeln können?“, stellte Isabell Schenk-Weininger als hypothetische Frage in den Raum. Was wäre gewesen, wenn Diemer 1958 Hans von Oppen, Direktor der Hamburger Kunsthochschule, gefolgt wäre, der ihm eine Gastprofessur in Aussicht stellte? Petra Lanfermann ist sich in jedem Fall sicher, Diemer habe in sehr kurzer Zeit ein imposantes Werk hinterlassen.

Sehr persönliche Aufnahmen

So kann man sich Bruno Diemer, der musikalisch war und auch als Tänzer, Boxer und Schauspieler in das Licht der Öffentlichkeit trat, von vielen Seiten nähern, jede Phase seines Schaffens hat ihren eigenen Reiz. Behilflich sind in den einzelnen Räumen Tablets an den Wänden, auf denen sein Stil mit Arbeiten anderer Künstler verglichen wird.

Einen sehr persönlichen Eindruck hinterlassen zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien. Es sind sehr persönliche Aufnahmen aus seinen Ateliers in Paris und Bönnigheim, auf dem ein oder anderen Foto sind Bilder zu erkennen, die in der Galerie gezeigt werden. Am Ende erschließt sich der viel zu früh gestorbene Künstler einem doch.

 
 
- Anzeige -