Knapp zwei Wochen vor den Europa- und Kommunalwahlen am 9. Juni hatten sich die CDU des Landkreises und die CDU-Mittelstandsvereinigung Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, eingeladen. Sie sprach in den Räumen des Autohauses Weller in Bietigheim-Bissingen über die Zukunft des Autos.
Bietigheim-Bissingen Aus Sicht des VDA läuft vieles schief
Hildegard Müller, Präsidentin des Automobilverbandes, sparte nicht mit Kritik an der deutschen und europäischen Politik.
Doch was die Lobbyistin, einst Vorsitzende der Jungen Union und Staatsministerin unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, zu sagen hatte, sollte unter den Gästen vor allem den CDU-Europaabgeordneten Rainer Wieland und Andrea Wechsler, Spitzenkandidatin der CDU in Baden-Württemberg, nachdenklich gemacht haben: Deutlich warnte sie vor einer Spirale von gegenseitigen Strafzöllen mit China. Wichtige Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und Südamerika (Mercosur) seien in der EU blockiert. Bürokratisierung, hohe Abgaben, hohe Energiepreise und hohe Steuern führten zum Bedeutungsverlust des Standortes Deutschland. Für den Ausbau der Netze zur Ladung von Elektroautos fehle es an einem überprüfbaren Plan. Von plakativem Wahlkampf also keine Spur, zu viel läuft schief aus Sicht des VDA. Für Müller steht fest: „Wir stehen in großen Konflikten und erleben eine Plattenverschiebung.“ Die jüngst erlassenen Strafzölle der USA auf Elektroautos aus China seien ein erster Warnschuss. Europa gerate damit in Gefahr, in die Zange genommen zu werden. Denn prompt werden in der EU ebenfalls Strafzölle diskutiert, Vorschläge der EU-Kommission liegen auf dem Tisch.
China bleibt bedeutender Markt
Schon bald könnten die Zölle erhöht werden. Doch China bleibe ein bedeutender Markt für Deutschland, das drei seiner vier hier produzierten Autos exportiere. „Die Märkte müssen offen bleiben“, sagte sie, auch wenn China seine Autoproduktion massiv subventioniere.
Eine Spirale gegenseitiger Zölle helfe nicht weiter, die Handelsbeziehungen dürften nicht schwieriger werden. Für dringend notwendig hält sie neben den Handelsabkommen auch Energiepartnerschaften, um den Bedarf an Rohstoffen für die Absicherung der Energiestrategie abzusichern. Damit sprach sie die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen an, die auch nach 2035 erlaubt sein werden, um Verbrennermotoren zu betreiben.
In Ländern Lateinamerikas und im Nahen Osten werden Standorte für die Herstellung solcher Kraftstoffe angeboten, doch diese Chancen werden vorerst nicht genutzt. „Mit jedem nicht abgeschlossenen Handelsabkommen erreichen wir gar nichts“, sagte sie: „Wir brauchen Druck auf diese Themen.“
Synthetische Kraftstoffe zu teuer
Deutschland müsse im Spiel bleiben, seine Position in der Welt rühre aus seiner Innovationskraft. Noch seien synthetische Kraftstoffe viel zu teuer, aber das gelte für jede neue Technologie. Auch nach 2035 seien Lösungen für den Bestand der millionenfachen Flotte von Verbrennerautos notwendig, sollen Klimaziele erreicht werden. „Weder Brüssel noch Berlin darf diese Komplexität unterschätzen.“
Auch die Komplexität des Ausbaus der Ladeinfrastruktur sprach sie an. Es fehle an einer jährlichen Überprüfung der Ziele. Und es fehle an Netzen, um die Ladestationen selbst mit Strom versorgen zu können. Hierzulande müsse der Ausbau verfünffacht werden, forderte sie. Handelsabkommen, Energiepartnerschaften, eine Strategie der Infrastruktur: Dies alles sei notwendig, „um Industriepolitik und Klimapolitik in eine Balance zu bringen“. Für notwendig hält Müller aber auch „eine neue Spitze der EU-Kommission“. Auch wenn sie keine Namen nannte: Bekanntlich steht auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Wahl.
Aus dem Publikum musste sich Müller Kritik anhören, dass die Autoindustrie selbst in ihren strategischen Entscheidungen schwankt. Autobauer hätten sich erst massiv für die Elektromobilität ausgesprochen, jetzt sei wieder ein Umdenken erkennbar. Unter den Herstellern und Lieferanten habe es je nach Ausrichtung eine bunte Fülle von Auffassungen gegeben, entgegnete Müller. Der Verband VDA habe gegen das Verbot der Neuzulassung von Verbrennerautos gekämpft. Unternehmerische Entscheidungen seien nicht immer die Entscheidungen der Industrie. Michael Soltys