Bietigheim-Bissingen Brandstifter mit „wahnhaften Störungen“

Von Petra Häussermann
Nach dem Brand im September 2024 ist die Sanierung des Hauses noch immer nicht abgeschlossen sind Foto: /Martin Kalb

Im Verfahren um den schweren Brand in einem Mehrfamilienhaus in der Gartenstraße in Bietigheim im September 2024 hatten am Freitag die Gutachter das Wort.

Mit versteinerten Mienen blickten die beiden Nebenkläger auf die übergroßen Fotos, die im Gerichtssaal des Landgerichts Heilbronn auf zwei Leinwänden ein Bild der Verwüstung boten: zu sehen waren schwarz verkohlte und nicht mehr zu identifizierende Gegenstände, völlig verrußte Wände, Fenster und Türen in der Wohnung des Angeklagten, der dort in der Nacht zum 9. September einen Brand gelegt hatte.

Brandexperte: Drei Bewohner in deutlicher Lebensgefahr

Dem Brandexperten zufolge schwebten die drei schlafenden Bewohner im Obergeschoss in „deutlicher Lebensgefahr und ihre Selbstrettung hätte sehr schnell unmöglich werden können“. Ein Anruf der Vermieter, die den Brand bemerkten, weckte die Familie noch rechtzeitig und ermöglichte ihre Flucht über das Treppenhaus.

In der Anklage wirft die Staatsanwaltschaft dem 50 Jahre alten Mann aus Syrien versuchten Mord, gefährliche Brandstiftung und Körperverletzung vor, weil er das Feuer aus Ärger über die Vermieter absichtlich gelegt und somit das Leben mehrerer Hausbewohner gefährdet hat. Am Abend vor dem Brand hatte der Angeklagte in einem Streitgespräch den Vermietern vorgeworfen, dass sie zum wiederholten Male unerlaubt seine Wohnung betreten hätten. Dagegen erinnerten ihn die Hausbesitzer daran, dass sie den im August 2025 auslaufenden Mietvertrag nicht verlängern werden.

Das Ehepaar war vor 30 Jahren aus dem Irak gekommen und hatte sich im Bietigheimer Stadtteil Buch eine neue Existenz aufgebaut, Freunde gefunden und Wurzeln geschlagen. Doch nun, Monate nach der Tat sitzen die psychischen Folgen des Geschehens immer noch tief und die Beiden schließen eine Rückkehr nach Bietigheim kategorisch aus.

„Durch den Vollbrand im Wohnzimmer und Rauchaustritt aus mehreren Fenstern platzte Fassadenputz ab, brannte die Außenisolierung über dem Fenster bis zum Dachfirst und verursachte dort Risse und Veraschung im Holz“, erläuterte der Brandsachverständige des Landeskriminalamtes Stuttgart, Tobias Jenne, den Prozessbeteiligten. „Ein brennendes Handtuch isoliert auf einem Laminatboden abgelegt, verursacht nicht so einen Brand.“ Der Angeklagte hatte einmal in diese Richtung argumentiert.

Liegt das Handtuch jedoch nahe an der Couch im Wohnzimmer ist der Vollbrand in diesem Raum der Wohnung erklärbar, denn das Material der Sitzpolster sei oft schnell entflammbar. Für den Sachverständigen ist jedoch eindeutig, dass es davon unabhängig mindestens eine weitere Brandstelle in einem anderen Zimmer gab. „Ohne die Feuerwehr wäre die ganze Wohnung in Flammen gestanden und der Brand wäre schnell auf das Dachgeschoss übergegangen.“ Generell besteht akute Lebensgefahr, zum einen „schon durch wenige Atemzüge von giftigen Rauchgasen, aber auch durch Kontakt des Körpers mit Flammen.“

Experte dämpft Erwartungen an eine erfolgreiche Behandlung

Solche Handlungen des Angeklagten sind jedoch nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters Dr. Thomas Heinrich aus Weinsberg erneut zu erwarten. Der Angeklagte hat dem Gutachter zufolge paranoide Wahnvorstellungen, lebt in einem regelrechten Wahnsystem und dies kann ein Leben lang andauern. „Die Menschen leben in falschen Überzeugungen und lassen sich auch nicht korrigieren“, sagte der Experte und dämpfte Erwartungen an eine erfolgreiche Behandlung, „denn diese krankhafte seelische Störung spricht nur schlecht auf Medikamente und Therapien an.“

Von der Angst, verfolgt und beobachtet zu werden, berichteten auch einige der Zeugen, die an diesem Verhandlungstag gehört wurden. So hatte der Angeklagte rund ein Jahr vor der Tat bei einem Gespräch mit der Familienhelferin von versteckten Botschaften gesprochen, die Drohungen enthielten, und erzählt, Leute, die er kenne, verfolgten ihn und beobachteten seine Wohnung. Der Serviceleiterin im Restaurant eines Möbelhauses, in dem er eine gern gesehene Arbeitskraft war, berichtete er einmal in einer Rauchpause, ein bestimmtes Auto fahre ständig vor dem Möbelhaus hin und her. Ernst habe sie das nicht genommen, gab die junge Frau unumwunden zu.

Wenn die Kammer zweifelsfrei zu dem Urteil kommt, dass der Angeklagte bei der Brandlegung vermindert schuldfähig war und es sehr wahrscheinlich ist, dass er auch in Zukunft Straftaten aufgrund der krankhaften psychischen Störung begehen wird, kann der 50-Jährige zeitlich unbefristet in einer psychiatrischen Klinik.  Petra Häussermann

 
 
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