Free Öcalan“ ist derzeit in der Kreuzstraße in Bissingen zu lesen. In schwarzer Schrift hat hier offensichtlich ein Anhänger des Führers der kurdischen PKK, Abdullah Öcalan, der in der Türkei in lebenslanger Haft sitzt, seine Botschaft hinterlassen. Viele andere Graffiti, die in der Stadt auftauchen, haben keine politische, wenn überhaupt eine Botschaft. In jedem Fall stellen die Schmierereien eine Straftat dar und verunstalten das Erscheinungsbild der Stadt. Dagegen kämpft in Bietigheim-Bissingen der Verein „Saubere Stadt“ an – seit mittlerweile 25 Jahren und mit einigem Erfolg.
Bietigheim-Bissingen Damit die Sprayer die Lust verlieren
Den Verein „Saubere Stadt“ gibt es mittlerweile seit 25 Jahren in Bietigheim-Bissingen. Auch nach dem Tod der früheren Hauptakteure geht die Arbeit weiter.
Gegründet im Mai 1999
Gegründet wurde der Verein im Mai 1999 von Karlheinz Krell, der auch Vorsitzender wurde, zusammen mit dem seinerzeitigen Oberbürgermeister Manfred List und Mitgliedern des Gemeinderats sowie der Verwaltung und anderen Unterstützern. Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Helmut Ulmer kümmerte sich Krell über Jahrzehnte hinweg um die Beseitigung von Schmierereien in Bietigheim-Bissingen. Krell starb 2022, Ulmer 2023, doch es fanden sich Nachfolger, welche für diese einsprangen.
„Wir halten den Verein für eine Erfolgsgeschichte, weshalb nach dem Tod der Hauptakteure Krell und Ulmer nicht gezögert wurde, die Arbeit – soweit nach dem Verlust möglich – fortzusetzen“, sagt Thomas Höfel, der frühere langjährige Ordnungsamtsleiter von Bietigheim-Bissingen, der nun den Vereinsvorsitz übernommen hat. Gewissermaßen der Nachfolger von Helmut Ulmer wurde Bernd Holsten, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die aufgesprühten Botschaften zu beseitigen, wenn sie sich nicht abwischen lassen. Der Verein habe aktuell 35 Mitglieder aus Stadtverwaltung, städtischen Gesellschaften, Privatfirmen und Privatpersonen, berichtet Höfel. Natürlich sei auch die Polizei vertreten. Weitere Helfer und Mitglieder seien willkommen.
Bernd Holsten fährt regelmäßig das Stadtgebiet ab. Wenn er Schmierereien entdeckt, versucht er, sie gleich oder in naher Zukunft zu beseitigen. Wenn nötig, erhält er Unterstützung vom städtischen Bauhof oder einer Firma bei der Reinigung. Das Arbeitspensum ist beträchtlich: In den vergangenen zwölf Monaten hat Holsten an rund 180 Tagen Schmierereien beseitigt, also quasi jeden zweiten Tag im Jahr.
Sprungartige Abnahme
Vereinsvorsitzender Höfel sieht gleichwohl einen Erfolg: „Seit Mai 2023 haben die Schmierereien sprungartig um circa 50 Prozent abgenommen.“ Nämlich von rund 2200 im Vorjahr auf 1100 im vergangenen Jahr. Und: „Es werden deutlich weniger Wände, Gebäude und Brücken sowie glücklicherweise auch Flächen aus Naturstein beschmiert.“ Die letzteren seien besonders schwierig zu reinigen. Die „Hotspots“ der Schmierereien seien die Umgebung des Buchzentrums, der Bahnhof mit den angrenzenden Parkhäusern sowie die Wege vom Bahnhof zur Altstadt.
Insgesamt sei die Stadt Bietigheim-Bissingen vor dem Hintergrund ihrer Größe relativ arm an Schmierereien, so Höfels Einschätzung. Es gebe allerdings „fleißige Fans“, primär der Steelers, des VfB und der Stuttgarter Kickers, die immer wieder Aufkleber im Stadtgebiet, vorzugsweise an Laternen, Signal- und anderen Masten, verteilten.
„Wir glauben nicht, dass die Täter durch unser Tun abgeschreckt werden“, meint der frühere Ordnungsamtsleiter. „Sie werden aber möglicherweise nicht animiert, bei vorhandenen Schmierereien noch selbst ihren Teil beizutragen.“ Wie beobachtet werde, hinterlassen Sprayer in der Regel nur einmal ihre Kennung.
„Wir vermuten, dass bei zeitnaher Entfernung die Herrschaften die Lust verlieren, erneut aktiv zu werden“, sagt Höfel. Wenn dies tatsächlich zutreffe, sei dies exakt das Ziel, „das uns bereits vor 25 Jahren geleitet hat, den Verein zu gründen“.