Bietigheim-Bissingen „Das wäre Gift für den Zusammenhalt“

Von Petra Neset-Ruppert und Yannik Schuster
Straßensperren wie hier beim Silvesterlauf sind bei größeren Veranstaltungen mittlerweile Standard. Für private Organisatoren bedeutet dies einen hohen Aufwand. Aus diesem Grund sagten die Aktiven Unternehmer zuletzt das Osterbrunnenfest in Bietigheim ab. Foto: /Martin Kalb

Nach der Absage des Osterbrunnenfestes gilt es Lösungen für die Sicherheitsauflagen zu finden. Der Städtetag sieht auch das Land in der Verantwortung.

Überraschend kam für viele die Absage der beliebten Veranstaltungen zur Osterzeit in Bietigheim und Bissingen. Die Aktiven Unternehmer Bietigheim-Bissingen erklärten, dass es mit den erhöhten Sicherheitsauflagen für sie sowohl personell als auch finanziell nicht mehr machbar sei (die BZ berichtete). Die Brunnen werden zwar in der ersten Aprilwoche österlich geschmückt in der Altstadt, doch die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen könne man nicht leisten, so die Aktiven Unternehmer.

Konkrete Auflagen fehlen

Das Problem der veränderten Sicherheitsauflagen betrifft nicht nur Veranstalter in Bietigheim-Bissingen, auch in Ludwigsburg sei man an dem Thema Sicherheitsauflagen dran: „Das größte Problem bei Veranstaltungen aller Art ist momentan, dass es im Grunde überhaupt keine konkreten Auflagen oder auch Aussagen zum Thema Sicherheit gibt“, erklärt Citymanager Markus Fischer.  Ihm fehlen zum Beispiel konkrete Angaben, welche Fahrzeugarten für welche Straßengrößen als adäquate Sperre angesehen werden, da es dabei eben auch um Stellungswinkel und das Gewicht des Fahrzeugs gehe.

Doch das Märzklopfen am kommenden Wochenende findet statt. Wie es mit weiteren Veranstaltungen aussehe müsse man nun besprechen. „Die Sicherheitsbehörden müssen sich zwingend zeitnah positionieren. Und final sehe ich dann die Städte in der Pflicht, auf mögliche Empfehlungen zu reagieren, beispielsweise mit fest installierten Pollern. Solch eine Lösung kostet natürlich Geld, aber ich sehe keine anderen Möglichkeiten“, so Fischer.

Würden die Veranstalter weiterhin sich selbst überlassen werden mit dem Thema Sicherheit, dann könne es sein, dass kleine Feste gestrichen werden. „Das wäre Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn wir uns nicht mehr bei den gewohnten Festen und Anlässen treffen können, da diese nach und nach abgesagt werden“, betont Fischer.

Austausch mit Ordnungsämtern

Dieses aufkommende Problem sieht auch Sebastian Ritter, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg: „In den letzten Monaten sind Fragen zur Sicherheit bei Veranstaltungen stärker in den Fokus gerückt.“ Gerade das Thema Schutz vor Fahrzeuganschlägen bei Veranstaltungen sei zentral. „Wir beabsichtigen, uns hierzu in den nächsten Wochen mit den Ordnungsämtern der Städte auszutauschen“, so Ritter.

Allerdings verweist er auch darauf, dass dieses Thema nicht allein die Städte und Gemeinden lösen können. Die Frage sei wie man tradierte Veranstaltungen beibehalten könne. So stelle das Land bereits jetzt Mittel zur Verfügung mit denen neue Konzepte für Feste mit verkaufsoffenen Sonntagen zwischen 30.000 und 50.000 Euro Zuschüsse einmalig erhalten können.

Ritter könne sich vorstellen, dass man so etwas auch für Traditionsfeste zur Verfügung stelle. „Auch zentrale Sicherungselemente für Zufahrten, die zum Beispiel bei der Polizei verwaltet werden oder bei den Städten könnte man vorhalten, um sie den Veranstaltern dann zur Absicherung zur Verfügung zu stellen.“ Doch das koste eben Geld und die Frage ist, wer das bezahlen soll.

Der Städtetag Baden-Württemberg sei im vergangenen Jahr bereits mit Städten in den Austausch gegangen, um das Thema Sicherheitskonzepte zu besprechen. „Wie gelingt es einer Stadt, dass diese Veranstaltungen jetzt nicht ausfallen?“, sei nun eine zentrale Frage gerade auch mit Blick auf die anstehende Festsaison. „Für die Diskussion wäre eine Differenzierung zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Veranstaltungen hilfreich“, erklärt Ritter. Gerade bei nicht-kommerziellen Veranstaltungen könnte man die Frage aufwerfen, ob es unterstützende Maßnahmen der öffentlichen Hand braucht, damit diese Veranstaltungen stattfinden können. „Adressat einer solchen Forderung sollten aber nicht in erster Linie die Städte sein. Denn auch die meisten Städte müssen das technische Equipment für die Sperrung von Zufahrten mieten“, so Ritter weiter.

Sorgfalt aber auch Augenmaß

Und dann sei eben auch die Frage was diese verstärkten Maßnahmen mit den Besuchern von Veranstaltungen machten, wenn am Eingang des Festbereichs schon Panzersperrungen stünden und überall Messerverbotsschilder stünden. Das nehme eben auch die Freiheit im öffentlichen Raum. Auch Citymanager Markus Fischer ist sich sicher: „Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, das war so, ist so und wird immer so bleiben.“

In Bietigheim-Bissingen werde man jedenfalls von allen Veranstaltern größerer Feste gleichermaßen Sicherheitskonzepte abfordern, sagt Presseamtsleiterin Anette Hochmuth. So hatten zuletzt auch die Fasnetsvereine beim Rathaussturm die Zufahrten zu sichern. „Selbstverständlich sieht die Verwaltung die Bedeutung solcher Veranstaltungen.“

Der Sicherheit widme man sich deshalb mit der notwendigen Sorgfalt aber auch Augenmaß. So wurden die Aktiven Unternehmer beispielsweise nicht verpflichtet, professionelle Security für die Absperrungen zu bestellen, sondern hätten dies mit eigenen Mitteln durchführen können.

Der erste Vorsitzende der Aktiven Unternehmer Sven Schaller kritisiert hingegen: „Die Verantwortung, präventive Schutzmaßnahmen zu ergreifen, kann nicht allein bei unseren Werbegemeinschaften als ehrenamtlicher Veranstalter liegen – sie ist eine Kernaufgabe von Stadt, Land und Staat.“ Die im Grundsatz richtige Verschärfung der Sicherheitsvorgaben der vergangenen Jahre hätte immense Herausforderungen für Vereine und private Veranstalter zur Folge. Selbst wenn der organisatorische und finanzielle Aufwand bewältigt werde, bleibe das größte Problem bestehen: „Die endgültige Haftung liegt bei den Organisatoren.“

Schaller geht dabei auch die Stadtverwaltung scharf an: Seit Monaten befinde man sich im Austausch und ersuche um „klare Vorgaben“. Erhalten habe man nun kurzfristig einen Plan, an welchen Stellen Straßensperren vorgegeben sind. „Ist es wirklich die Aufgabe von Ehrenamtlichen, in ihrer Freizeit Sicherheitskonzepte zu erarbeiten und Bedrohungen abzuschätzen? Wir wissen nicht, wie schwer und groß die Straßensperren sein müssen, welcher kinetischen Energie sie standhalten müssen.“ Hier benötige man ein Gesamtkonzept, das definiert, unter welchen Rahmenbedingungen Veranstaltungen künftig überhaupt noch stattfinden können. Schaller kritisiert weiter: „Warum eigentlich muss die Haftung für einen Ostermarkt eine Privatperson übernehmen, während die Stadt Bietigheim-Bissingen jährlich den Sternlesmarkt oder kürzlich den Krämermarkt organisiert und verantwortet?“

Tatsächlich prüfe die Stadtverwaltung aktuell ein allgemeines Sicherheitskonzept für die Stadt mit all ihren Veranstaltungen, welches in den kommenden Monaten ausgearbeitet werde, so Anette Hochmuth. „Wenn sich daraus Möglichkeiten ergeben, zum Beispiel mit mobilen Absperranlagen oder fest installierten Pollern die Handlungsmöglichkeiten aller Beteiligten zu erweitern oder zu vereinfachen, so wird die Stadt diese Investitionen nicht scheuen“, sagt Hochmuth.

Grundsätzlich gelte jedoch: „Die Veranstalter von Festen bleiben gleichwohl immer selbst verantwortlich für ihre Veranstaltungen. Eine solche Verantwortung kann die Stadt niemanden abnehmen. Durch die abgestimmten Sicherheitskonzepte wird aber die Verantwortung darauf begrenzt, die im Sicherheitskonzept genannten Bedingungen umzusetzen. Damit sind die Veranstalter von einer Verantwortung für Attacken, die dennoch geschehen können, befreit.“ Ein Gespräch mit den Aktiven Unternehmern und der Stadt findet am kommenden Freitag statt.

 
 
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