Der Norweger Fridtjof Nansen versuchte bei seiner Fram-Expedition (1893–1896) den Nordpol zu erreichen. Er wollte sich mit seinem Forschungsschiff, der „Fram“, vom Packeis einschließen lassen und die natürliche Eisdrift des Arktischen Ozeans nutzen. Als sich abzeichnete, dass man den Nordpol verfehlen würde, scheiterte auch der Versuch, den Rest des Weges auf Skiern zurückzulegen. Nansen und die Besatzung der Fram, kehrten wohlbehalten 1896 nach Norwegen zurück.
Bietigheim-Bissingen Die Arktis bestimmt das lokale Klima
Der Polar- und Klimaforscher Professor Dr. Markus Rex sprach im Kronenzentrum über seine Expedition und die Notwendigkeit des lokalen Klimaschutzes.
130 Jahre später, im September 2019, startete mit der „Polarstern“ die größte Arktisexpedition aller Zeiten. Auf der „MOSAiC“-Expedition erforschten Wissenschaftler aus 19 Nationen die zentrale Arktis im Jahresverlauf. Sie überwinterten, ebenfalls getragen von der natürlichen Eisdrift, in einer Region, die in der Polarnacht nahezu unerreichbar ist. Der Expeditionsleiter, Polar- und Klimaforscher Prof. Dr. Markus Rex berichtete im Kronenzentrum unter dem Titel „Faszination Arktis und der lokale Klimaschutz“ in der „Klimawerkstatt“ vom Alltag unter den extremen Bedingungen, von den logistischen und planerischen Herausforderungen sowie von den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Eis.
„Klimakrise begegnen“
Oberbürgermeister Jürgen Kessing sagte zuvor in seiner Begrüßung, er habe in einer Wohlstandsgesellschaft stets dafür geworben, diese Gesellschaft stabil zu halten und die Bürgerschaft auf den Weg in eine bessere Zukunft so gut es geht mitzunehmen. Aber alles Wissen und aller Einsatz reiche jetzt nicht mehr aus, der Klimawandel müsse verstärkt angegangen werden. Auch in Bietigheim-Bissingen gebe es Hochwasser, heiße Sommer und Trockenheit. Man habe die Wahl der Klimakrise zu begegnen oder man könne untätig bleiben – um dann die Konsequenzen zu tragen. „Es geht darum, was die Erkenntnisse aus der Arktis mit unserer Stadt und uns allen zu tun hat“, so Kessing.
Und diese Erkenntnisse lieferte Markus Rex in seinem Vortrag in einem umfangreichen Maße. So hat sich seit Nansens Expedition vor 130 Jahren viel verändert. Es ist in der Arktis zehn Grad wärmer geworden und das Eis nur noch halb so dick. In der Zwischenzeit zählt die Arktis zu der Region der Erde, die sich am schnellsten erwärmt und es gibt Rückkopplungseffekte vom Wetter in der Arktis, , mit dem Wetter vor Ort. Im „Epizentrum der Erderwärmung“, so Rex, erfolge die Erwärmung vier Mal schneller als der globale Mittelwert. Wo man 1992 noch ausgedehnte Skitouren auf einermeterdicken Eisfläche unternommen habe, sei jetzt ein offener Ozean. Die Abbruchkanten von landaufliegendem Eis rücken kilometerweit zurück und indigene Bevölkerungsgruppen, die früher mit Hundeschlitten unterwegs waren, könnten sich heute nicht mehr organisieren.
Rex gelang es , mit anschaulichen Grafiken, Fotos und kleinen Filmsequenzen die Probleme der Erderwärmung als auch die Forschungsarbeit mit ihren gewaltigen Schneestürmen, extremer Kälte unter minus 40 Grad und der Begegnungen mit neugierigen und gefräßigen Eisbären, denen in den Sommermonaten der Eisboden unter den Füßen weggezogen wird, kurzweilig darzustellen.
Die Erwärmung erklärte der Polarforscher damit, dass in der Arktis weiße Schneeflächen durch dunkle Wasserflächen ersetzt werden und sich damit schneller erwärmen. Es stelle sich daher die Frage, ob der Kipppunkt schon überschritten sei, ab dem das Eis durch selbstverstärkende Effekte von selbst verschwinde. Rex verneinte diese Frage – allerdings nur, wenn der CO2-Ausstoß weiter reduziert werde. Seit 1990 seien zwar 40 Prozent weniger Treibhausgase emittiert worden, bei CO2 müsse es in Richtung Netto-Null gehen.
Um dieses Ziel zu erreichen, so der Wissenschaftler, kann man auch vor Ort vieles tun, was auch der für den Klimaschutz zuständige Bürgermeister Michael Wolf, der seine Geburtstagsfeier für den Vortrag ausfallen ließ, aufmerksam zur Kenntnis nahm. Etwa den bedarfsgerechten Ausbau des ÖPNV, innerstädtische Radrouten, der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur und nachhaltige Fernwärme, so der Aufgabenkatalog.
„Festkleben oder Lebensmittel auf Kunstwerke zu schmeißen ist der falsche Weg“, so Markus Rex. Jörg Palitzsch