Wer hat länger als 30 Minuten hierher gebraucht?“ Mit dieser Frage begrüßte Oberbürgermeister Jürgen Kessing die Bürgerinnen und Bürger, die seiner Einladung zum Bürgergespräch in die Kelter gefolgt waren – vermutlich in der Annahme, die aktuellen Baustellen auf der B 27 und der L 1125 in Richtung Sachsenheim würden zum dominierenden Thema des Abends werden. Tatsächlich aber nahm dieses vergleichsweise wenig Raum ein, während andere Belange den Bürgerinnen und Bürgern stärker unter den Nägeln brannten.
Bietigheim-Bissingen „Die Differenz tragen alle anderen“
Beim Bürgergespräch beantwortete OB Kessing Fragen zu den Kita-Gebühren, dem Verkehr und anderen Infrastrukturprojekten.
Erhöhung der Kita-Gebühren
Die Finanzierung des Ganztagsanspruchs durch eine absehbare Erhöhung der Kita-Gebühren stößt bei vielen Eltern auf Kritik. So kritisierte eine junge Mutter, dass gerade Familien mit unterem mittlerem Einkommen, die gerade so aus der Berechtigung für den Familienpass herausfallen, besonders leiden würden und sich im Zweifel überlegen müssten, ob sie ihr Kind überhaupt noch in die Betreuung geben können.
Kessing sagte, dass die Gebühren, die zuletzt im vergangenen Jahr erhöht wurden, früher für einen längeren Zeitpunkt festgelegt wurden. Dies habe eine bessere Planbarkeit geschafft, die man auch wieder anstrebe. Auch nach einer weiteren Erhöhung werden die Gebühren noch niedriger sein als anderswo, sagte er. Ein Kostendeckungsgrad durch die Eltern von 20 Prozent ist der Richtwert, an dem sich Kommunen laut den kommunalen Verbänden orientieren sollten. Aktuell liege man in Bietigheim-Bissingen bei acht Prozent, angestrebt werden zwölf Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet das: Drei Millionen Euro tragen derzeit die Eltern, knapp acht Millionen schießt das Land zu, die Stadt übernimmt rund 23 Millionen Euro für die Betreuung.
Wenn die Nutzer nicht stärker beteiligt werden sollen, müsste das Geld an anderer Stelle reinkommen, etwa durch Steuererhöhungen. „Dann trifft es alle“, so Kessing. Und weiter: „Einen guten Zeitpunkt für die Gebührenanpassung wird es nie geben. Wir sind uns bewusst, dass wir uns damit keine Freunde machen.“ Eine soziale Komponente, etwa durch den Familienpass oder ein kostenfreies drittes Kind soll die Belastung jedoch abmildern, versicherte der OB.
Ein Vertreter des Gesamtelternbeirats lobte die Stadt einerseits für den transparenten Prozess und die stattgefundenen Gespräche, bemängelte jedoch, dass aus seiner Sicht Möglichkeiten, an anderer Stelle die Gebühren zu erhöhen, nicht gleichermaßen in Betracht gezogen würden. Aus Sicht der Eltern fühle sich die Belastung überproportional an. Kessing betonte erneut: „Die Differenz, die die Eltern nicht tragen, tragen alle anderen.“
Erreichbarkeit von Friedhöfen
Die langjährige Vorsitzende der Aktiven Senioren Renate Wendt lobte die Stadt für die angebotenen Leistungen für Senioren. Ein Bedarf fehle jedoch: Hinterbliebene, die im Alter das Autofahren aufgegeben haben, hätten es schwer, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Friedhöfen St. Peter und Bissingen zu gelangen. Ein Bus fahre zwar, doch wann und wie sei nicht bekannt. OB Kessing versprach, in der Angelegenheit mit dem Busunternehmen Spillmann zu sprechen.
Der Verkehr in der Stadt
Hunderte Hinweise würden täglich bei der Stadt eingehen, wenn es um die Sanierung der Bundesstraße und die Umleitungsstrecken geht, sagte Kessing. Gemeinsam mit dem Regierungspräsidium werde man an der ein oder anderen Stelle nachjustieren – etwa was die Verkehrsführung von der Schwarzwaldstraße kommend anbelangt. Über das Abbiegeverbot nach Metterzimmern würden sich viele Autofahrer hinwegsetzen und sich damit einer erhöhten Unfallgefahr aussetzen. Auch die Situation in Untermberg behalte man im Blick.
Ob die Stadt noch über die Option einer neuen Umgehungsstraße nachdenke, wollte ein Bürger wissen. Man habe dies in mehreren Varianten untersucht, allerdings würde ein solches Projekt einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingen und vor allem den auswärtigen Autofahrern zu Gute kommen, argumentierte Kessing. Die aktuelle Situation zeige, dass die Ortsdurchfahrt auch unter erschwerten Bedingungen noch funktioniere.
Weitere Infrastrukturprojekte
Ob es Neues gebe, zum geplanten Sporthallenprojekt „The Crown“, erkundigte sich eine Bürgerin. Kessing sagte, der Investor befinde sich in Gesprächen mit möglichen Betreibern, „möglicherweise tut sich in den kommenden Monaten etwas“.
Ein Bürger fragte sich, wie es mit der Ruine des ehemaligen Parkhotels im Buch weitergeht. Darin werde gearbeitet, so Kessing. Die Baugenehmigung für ein neues Hotel liege dem Investor aus Marbach vor, auch wenn die Sanierung im derzeitigen Tempo wohl noch ein paar Jahre dauern dürfte. Der Bedarf nach einem Hotel, in dem auch größere Gruppen Platz finden, sei in der Stadt jedenfalls gegeben, so Kessing.
Ob die Pläne für ein neues Hallenbad hinter dem Ballkult noch weiterverfolgt werden, interessierte eine Bürgerin. Der OB betonte, dass das perspektivisch weiter eine Option sei, derzeit aber weder für die Stadtwerke noch die Stadt finanzierbar sei.
Eine Frage zur Konzeption des Geländes des ehemaligen Paulaner-Biergartens an der Enz beantwortete Kessing mit der Information, dass man überlege, dort mobile Angebote zu schaffen – Strom und Wasser sei immerhin bereits vorhanden.