Bietigheim-Bissingen Die politische Landschaft geprägt

Von Jörg Palitzsch
Claus Weyrosta (links) im Gespräch mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs Erwin Teufel. Foto: /Hans Kumpf

Der ehemalige Sozialdemokrat und Abgeordnete des Landtags Claus Weyrosta wäre heute 100 Jahre alt geworden.

Claus Weyrosta, geboren am 15. März 1925 im Breslauer Vorort Klein-Mochbern, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Der engagierte Sozialdemokrat prägte die politische Landschaft Baden-Württembergs maßgeblich mit. Über mehrere Legislaturperioden hinweg war er Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg und setzte sich insbesondere für soziale Gerechtigkeit, die Förderung kultureller Einrichtungen und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein.

Seine Mitstreiter beschrieben ihn als einen bodenständigen, idealistischen und dennoch pragmatischen Politiker, der die Menschen stets in den Mittelpunkt seines Handelns stellte. Weyrosta war überzeugt davon, dass Demokratie nicht nur in Parlamenten, sondern auch im alltäglichen Zusammenleben gelebt werden muss. Dieses Ziel verfolgte er sein Leben lang. Mit aller Härte gegenüber dem politischen Gegner und auch mit aller Härte gegen sich selbst.

Moderation des Bietigheimer Tags

Nicht nur auf Landesebene, auch auf kommunaler Ebene war Weyrosta unermüdlich aktiv. Über drei Jahrzehnte hinweg moderierte er den „Bietigheimer Tag“, eine Veranstaltung, die den Dialog zwischen Kirche und Sozialdemokratie förderte. Diese Plattform trug wesentlich zur Verständigung und Kooperation zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bei. Schon damals warnte Weyrosta, der den „Bietigheimer Tag“ immer auch als politische Bühne verstand, vor einer zunehmenden Individualisierung, einer Auflösung traditioneller Werte und Bindungen, die in eine Orientierungslosigkeit münde. „Mehr Demokratie in neuen gesellschaftlichen Formen und bessere politische Führung, also Mut zur Politik“, so sein Credo. 1993 übergab er die Moderation des „Bietigheimer Tages“ an den damaligen Bundestagsabgeordneten Hans Martin Bury aus Bietigheim-Bissingen, blieb der Veranstaltung jedoch als engagierter Teilnehmer stets treu verbunden.

In den 1980er-Jahren setzte sich Weyrosta verstärkt für die politische Bildung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Er organisierte unter anderem eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der ehemaligen Nikestation in Sachsenheim sowie ein Fußballturnier zur Stärkung des Gemeinschaftssinns.

Vielfältiges Engagement

Sein Engagement war vielfältig. Er war neben seiner politischen Arbeit im Landtag Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und während er nach seiner Tätigkeit als parlamentarischer Geschäftsführer zum zweiten Mal, bis 1984, stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Landtag wurde, nahm er auch den Vorsitz der Landesgruppe der Deutsch-Polnischen Gesellschaft an. Schon in den 1950er-Jahren trat er offen für den Bestand der Oder/Neiße-Grenze als „friedenssichernde Tatsache“ ein – und wurde dafür als „Heimatverräter“ beschimpft. Der Einsatz für Polen brachte Weyrosta zwar den abfällig klingenden Namen „Der Pole von Landtag“ ein, gleichwohl wurde sein Rat und seine Expertise auch von politischen Gegnern in der Sache geschätzt.

Besonders setzte er sich für wirtschaftliche Belange ein. Er forderte die Späth-Regierung auch dazu auf, eine „aktive Beschäftigungspolitik“ zu betreiben und nicht an die „Wunderkräfte der immer wieder naiv interpretierten freien, sozialen Marktwirtschaft“ zu glauben. Mit ihm startete die SPD eine ganze Reihe von parlamentarischen Initiativen, um ihre Standpunkte deutlich zu machen. Themen der Anträge im Stuttgarter Landtag waren die Regionalisierung der Wirtschaftsentwicklung, die wirtschaftspolitischen Entwicklungsfelder im Lande, Zuschüsse für kommunale Investitionstätigkeiten, die Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und der Ausbau des Informationssystems zur Europäischen Gemeinschaft.

„Große politische Begabung“

In der Nacht zum 1. Juni 1996 lief um 24 Uhr das Landtagsmandat von Weyrosta aus. Er verstarb nach langer Krankheit und zahlreichen Klinikaufenthalten am 27. September 2003. Er war leidenschaftlich und überzeugend sowie „eine Persönlichkeit mit großer politscher Begabung, mit einem feinen Sensor für die Nöte und die Anliegen der Menschen“, so der damalige Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen Manfred List bei der Trauerfeier in der Stadtkirche.

Claus Weyrosta betonte stets seine grundsätzliche Bereitschaft zur politischen Arbeit: „In mir schwingt da immer ein bisschen Preußisches mit, nämlich auch das Dienen-Können, wobei nie die Frage der Karriere eine Rolle spielt. Ich möchte vielmehr meiner politischen Auffassung und der Sache im Allgemeinen dienen.“

 
 
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