Bietigheim-Bissingen Die Stadt wieder stärker wahrnehmen

Von Yannik Schuster
Eberhard Blatter im Gespräch mit der BZ. Nach 33 Jahren schloss er Ende 2022 sein Café Blatter. Jetzt ist er als Berater tätig und hilft anderen Bäckereien. Foto: /Oliver Bürkle

Ein Jahr nach der Schließung des Café Blatter spricht Eberhard Blatter mit der BZ darüber, wie es ihm seitdem privat wie beruflich ergangen ist.

Vor gut einem Jahr ging in Bietigheim-Bissingen eine Ära zu Ende. Die vierte Inhaber-Generation des Café Blatters sollte die letzte sein. 33 Jahre, nachdem Eberhard Blatter das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte, gingen in der Stuttgarter Straße die Lichter aus. Mit der BZ spricht Blatter darüber, wie es ihm seitdem ergangen ist, was er privat wie beruflich mit der frei gewordenen Zeit anzufangen weiß und wie er rückblickend auf die Schließung blickt.

„Ich bin sicherlich ein wenig wehmütig, es war eine schöne Zeit“, sagt Blatter, der sich vor allem an die positiven Aspekte erinnert. Als er das Café zum letzten Mal hinter sich verriegelte, sei das ein bewegender Moment gewesen, der sich gleichzeitig aber auch befreiend angefühlt habe. „Es war eine Chance, neu anzufangen.“

Jetzt in beratender Funktion

Mit seiner Branche habe er aber nicht abgeschlossen. So betreibt Blatter seit März 2023 die Blatter Beratungs UG und berät Bäckereien, Konditoreien und den Lebensmitteleinzelhandel. Er besuche weiter Fachmessen und nutze seinen großen Erfahrungsschatz, um Kollegen beratend zur Seite zu stehen, etwa bei Problemen mit Arbeitsprozessen, in der Produktion, mit dem Sortiment, aber auch Kennzahlen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Sein Arbeitspensum habe er gewaltig heruntergeschraubt. Das zeigt Wirkung: Während Blatter früher selten mehr als vier bis sechs Stunden pro Nacht geschlafen habe, könne er mittlerweile durchschlafen. „Der Druck ist nicht mehr da und das schlechte Gewissen, wenn man mal verreist ist.“ Bereut habe er die Aufgabe seines Cafés nicht, auch wenn jede Menge Herzblut in das Geschäft geflossen sei. Am meisten vermisse er den Kontakt zu den Kunden. So sei er auch früher regelmäßig aus der Backstube ins Café gekommen und habe das Gespräch gesucht. Auch heute pflegt er noch Kontakt zu einigen Weggefährten.

Mehr Zeit für Familie und Kultur

Blatter hatte die ersten 30 Jahre seines Lebens in dem Haus an der Stuttgarter Straße verbracht, ehe er mit der Familie vor 23 Jahren in den Aurain zog. Nach der Räumung des Cafés hatte Blatter sich zunächst eine vierwöchige Auszeit genommen. Auch jetzt nimmt er sich mehr Zeit für das, was ihm wichtig ist: Familie, Reisen, Fitness und Sport. Zuvor hatte sich der 56-Jährige auf Individualsport beschränkt, lief hier und da einen Marathon oder ging beim Bietigheimer Silvesterlauf an den Start. 2023 habe er sich wieder beim Tennisverein angemeldet und will dieses Jahr nach überstandener Verletzung neu angreifen. Privat genießt er es mit seiner Frau zu kochen, Zeit mit den Kindern und dem Hund zu verbringen und Freundschaften zu pflegen. Auch seine Reiselust könne der leidenschaftliche Motorradfahrer wieder mehr ausleben.

Sein Traumziel: Die Himalaya-Region mit Aufstieg bis zum Basislager des Mount Everest. „Es gibt viele Plätze – nicht nur in Bietigheim-Bissingen – die ich sehen möchte und mir jetzt ermöglichen kann.“

Vermisst habe Blatter zudem die Teilhabe am kulturellen Leben. „Wir haben in Bietigheim-Bissingen so ein gutes Angebot.“ Jetzt gehe er abends mal in den Bürgergarten oder besuche Konzerte. „Ich kann die Stadt und die Region wieder viel stärker wahrnehmen“, sagt Blatter. Zum ersten Mal überhaupt konnte der gebürtige Bietigheimer in diesem Jahr so auch der Neujahrsmatinee der Stadt beiwohnen. Für die Arbeit im Gemeinderat habe er ebenfalls deutlich mehr Zeit. Im Juni will Blatter erneut für den Gemeinderat kandidieren.

Doch ganz hat Blatter das Backen nicht aufgegeben. Nach wie vor stellt er Pralinen her und übernimmt das Catering für ausgewählte Vernissagen oder andere Veranstaltungen. Auch Auftragsarbeiten nimmt er gelegentlich an. Einem langjährigen Kunden habe er etwa zu dessen 100. Geburtstag eine Schwarzwälder Kirschtorte gebacken. „Das mache ich immer noch gerne.“ Schwierig sei es für ihn, in kleinen Mengen zu backen. Blatter lacht: „Statt einer Torte backe ich dann gleich sechs.“

Engagement als Schöffe

Der Bietigheimer engagiert sich zudem bei den Aktiven Unternehmern, um gegen die Nachwuchsprobleme des Handwerks und des Handels anzukämpfen. Dazu kommt sein neuestes Projekt: Die Arbeit als ehrenamtlicher Schöffe am Landgericht Heilbronn in der Jugendgerichtsbarkeit.

Ambitionen, seine Beraterfirma auszubauen, hat Blatter indes keine. „Ich habe mein Geschäft nicht beendet, um direkt in die nächste Tätigkeit zu gehen.“ Mit der Nachnutzung seines Café Blatters sei er glücklich. Das Konzept der Malteser im Treffpunkt M findet er gelungen. „Das ist eine gute und sinnvolle Nachnutzung, mit der man sich wohlfühlt.“

 
 
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