Bietigheim-Bissingen Die Welt im kleinen Maßstab

Von Walter Christ
Die große HO-Modelleisenbahnanlage in der Kammgarnspinnerei begeisterte die Besucher. Foto: /Martin Kalb

Rund 700 Besucher von der 152. Modellbahn-Ausstellung der Eisenbahnfreunde Bietigheim-Bissingen begeistert.

Bietigheim 24“, das Bahnnetz in der „Spinne“, bleibt zugkräftig wie eh und je. Um die 700 große und kleine Fans waren jedenfalls am Dreikönigstag in die Anlage in der Kammgarnspinnerei gekommen.

Der Autoschlange nach, die bis an die Peripherie der Kernstadt reichte, hat dieses Event für die Sinne überregionales Niveau.

Dichtes Gedränge schon am hellen Morgen in der Anlage des 1982 von Alexander Issle, Günter Eberl sowie Karl und Thomas Atzig gegründeten, inzwischen 50 Mitglieder zählenden Veranstalters. Er hatte über 25 Kräfte mobilisiert, um die Besuchermassen zu informieren, zu führen, zu versorgen. Leberkäs‘ und Weißwurst inbegriffen.

Über 600 Wagen und 90 Züge

Was es an den drei Anlagen alles zu sehen gab und auch am 21. Januar und 4. Februar wieder exponiert wird, bringt längst nicht nur mehr Männeraugen zum Glänzen. Jugendleiter Atzig: „Modelleisenbahnen sind zwar nach wie vor eine klare Männer-Domäne, aber wir registrieren, dass immer mehr Familien mit Kindern interessiert sind.“

Über 600 Wagen und 90 Züge in den Maßstäben 1:87 beziehungsweise 1:22,5 flitzten gestern sieben Stunden lang mehr oder weniger rasant, zum Teil digital gesteuert, in wunderschönen Landschaften mit imposanten Details, wie etwa fahrende historische Karussells, über insgesamt 1200 Meter Gleis. Erinnerten beispielsweise auch an Zeiten, als die Polizei noch mit dem „Käfer“ unterwegs war.

Was nun aber macht den Reiz, die Faszination der Mini-Eisenbahn-Freunde – 95 Prozent sollen angeblich maskulin sein – an den Anlagen aus? Manfred Bachmann, Geschäftsführer des vor 60 Jahren gegründeten Bundesverbandes Deutscher Eisenbahn-Freunde, dessen Affinität zu diesem Hobby schon mit zwei Jahren begann: „Die Vielseitigkeit. Man muss ein bissle tischlern können, etwas von Elektrik verstehen und ein fotografisches Gedächtnis haben. Basteln ist dabei am meisten gefragt, das Fahren für die Großen eigentlich eher zweitrangig.“

Abtauchen in eine kleine Extra-Welt

Andere bestätigen diese Einschätzung des Mannes aus Kaufbeuren. Der 54-jährige Andi aus Hessigheim beispielsweise kommt jedes Jahr in die „Spinne“. Er besitzt zuhause selbst eine Anlage. „Hier trifft man Gleichgesinnte, kann sich an vielen Details erfreuen, einfach in eine kleine Extra-Welt abtauchen“ begründet der Fan sein treues Kommen. Die Hoffnung, dass auch seine größeren Kinder vom Bann der Bahn erfasst werden, wolle er keinesfalls aufgeben. In der Corona-Krise haben offensichtlich manche Menschen alte Hobbys wiederentdeckt, was Modellbahn-Herstellern inzwischen boomende Umsatzzuwächse beschert.

Das klassische Sammeln von Objekten, das Tüfteln und das Spiel mit der kleinen Eisenbahn sind demnach nicht nur eine Reise in die eigene Kindheit, sondern auch eine Art Flucht in eine heile Welt. Die wohl teuerste Spielzeug-Eisenbahn der Welt ist übrigens der Spielzeugzug, mit dem wohl nie ein Kind spielen wird. Für den Rekordpreis von 360 000 Mark wurde er einst von einem deutschen Sammler im Londoner Auktionshaus Christie’s ersteigert.

 
 
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