Schon seit zehn Jahren seien Überlegungen da, „mal etwas zusammen mit der Künstlerin Doris Graf zu machen“, sagt Dr. Isabell Schenk-Weininger. Leiterin der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen beim Presserundgang durch die neue Studioausstellung „XPlacesToBe“. Nun ist ein Anlass gefunden: die Fusion von Bietigheim und Bissingen vor 50 Jahren. Denn Doris Graf stellt nicht nur ihre Werke aus, sie erschafft im Auftrag der Stadt auch eine Werkreihe für Bietigheim-Bissingen. In einem Partizipationsprojekt soll aus Stadt Kunst werden. Denn das ist Grafs Art, Kunst zu erschaffen.
Bietigheim-Bissingen Doris Graf erschafft Stadtporträts aus Bürgersicht
Bis 28. September ist die partizipative Kunst „XPlaces ToBe“ in der Studioausstellung der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu sehen. Auch die Stadt wird bald Teil davon.
Das „CityX“-Projekt
„Meine Arbeit ist vor allem durch das „CityX“-Projekt bekannt geworden“, berichtet Graf. Und das funktioniert so: Doris Graf sucht sich eine Stadt aus, sucht Kooperationspartner vor Ort und interagiert mit Einwohnern der Stadt. Dafür gibt sie Blätter aus, auf die ein Kästchen gedruckt ist, das mit einer Blei- und Buntstiftzeichnung zur eigenen Stadt befüllt wird. Auch ist Erklärtext dazu möglich. Was verbindet man mit der eigenen Stadt? Was ist schön, was stört? „Es geht um die Idee dahinter, nicht darum, ob es toll gezeichnet ist“, sagt Graf. Hat sie genügend Eindrücke zusammen („Unter 500 gehe ich nicht nach Hause“), fängt ihr Schaffensprozess an.
Sie schaue in ihrem Studio die Blätter durch, lasse sich konzentriert auf die Bilder ein, sortiere thematisch, fertige erste Skribbels an. Später arbeitet sie am Computer. „Es geht dabei nicht um meine Sicht auf eine Stadt, sondern den Blick der Menschen“, sagt sie. Das Medium Kommunikation sei für sie das Bild. Außerdem erklärt sie: „Mein Werkzeug ist nicht der Pinsel, sondern Computer und Maus.“
Das fertige Kunstwerk sind quadratische Platten aus Acrylglas, die an Schilder erinnern. Es gibt sie in matt, glatt oder auch beides kombiniert. Bewährt habe sich das Format 70 x 70 Zentimeter, sagt Graf. Das Endprodukt lässt sie dann produzieren. Die Farben ergeben sich aus dem, was die Menschen gezeichnet haben, ebenso die Motive, die an Piktogramme erinnern. Persönliche Eindrücke werden durch die Künstlerin allgemeingültig dargestellt. „Sie haben auch einen Appell-Charakter“, sagt Schenk-Weininger in Bezug auf die Schilder-Ästhetik, damit spiele Graf. „Es steht für viele, nicht nur für mich“, sagt die Künstlerin.
Oftmals handelt es sich bei den „CityX“-Reihen um Auftragswerke von Städten, zum Teil langfristig angelegt. „Ich, Ulm“ beispielsweise war ein Jahresprojekt, für das sie vorab mehr als 3000 Eindrücke der Bewohner der Stadt gesammelt hat. „Fremde Leute anquatschen kann ich mittlerweile echt gut“, sagt Graf und lacht. Die Offenheit der Menschen fuße auf dem Kunstkontext, trotzdem sei es natürlich sehr viel Arbeit vorab, das Projekt jedem einzeln zu erklären. Aber: „Ich liebe meine Arbeit, dafür brenne ich. Und das kann ich auch vermittelt“, sagt die Künstlerin bestimmt.
Den Anfang der „CityX“-Reihe machte übrigens Stuttgart 2012/15, wo Graf, die aus Krumbach (Schwaben) kommt, seit 1995 auch lebt. Allerdings heißt das Stuttgart-Projekt „Signs of Stuttgart“. Aus der Stuttgart-Reihe sind in der Städtischen Galerie vier Platten zu sehen. Thematisch geht es um Shopping in der Königsstraße, Feinstaub, den VfB und die großen Firmen Porsche, Bosch, Mahle und Mercedes. Zwar seien auch hier positive und negative Seiten der Stadt dargestellt, jedoch sei das natürlich kein Vergleich zu beispielsweise Maputo, der Hauptstadt Mosambiks in Afrika (siehe Foto), wo neben den positiven Themen wie Einkaufen und Tourismus auch Überschwemmungen, Beschneidungen und Autounfälle dargestellt werden.
Doris Graf war schon in Dutzenden Städten unterwegs: Rio de Janeiro, Istanbul, Maputo, São Paulo, Havanna, Ostfildern und vielen weiteren. In Kürze wird auch Bietigheim-Bissingen Teil des „CityX“-Projekts werden (siehe Infobox).
Gleiches Konzept, ohne Stadt
Ihr Kunst-Konzept funktioniert jedoch auch ohne Stadt-Bezug. „Über was möchten wir die Menschen nachdenken lassen“, fragt Graf. Dazu sind in der Galerie in einem Raum Werke zum Projekt „Ich, Bonhoeffer“ (2021/22) zu sehen, das sich mit dem Wirken des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer befasse sowie „Ich, Quarantäne“, das während der Corona-Pandemie entstand.
„XPlacesToBe“ in Bietigheim-Bissingen
Zum Stadtjubiläum 50 Jahre Bietigheim-Bissingen führt Doris Graf vor Ort das Partizipationsprojekt „XPlacesToBe“ durch. Menschen werden gebeten, ihren persönlichen Lieblingsort in Bietigheim-Bissingen zu zeichnen, wo man sich gern trifft und warum.