Bietigheim-Bissingen Dürr will mit Klimaschutz punkten

Von John Patrick Mikisch
EcoInCure nennt Dürr seine neueste Trocknungsanlage für  lackierte Karosserien. Gegenüber herkömmlichen Anlagen soll sie bis zu 25 Prozent weniger Energie verbrauchen. Foto: /Dürr AG

Der Maschinen- und Anlagenbauer aus Bietigheim-Bissingen will bei seinen Kunden mit energieeffizienten Produkten und Prozessen weiter wachsen. Davon soll auch die Umwelt profitieren.

Passen Industrie und Klimaschutz zusammen? Ja, meint der Maschinenbauer Dürr. Mit moderner Technik, will der Konzern seinen Kunden helfen, Energie und CO2 einzusparen. „Wir sind Enabler für die Nachhaltigkeit unserer Kunden“, sagt Dr. Jochen Weyrauch, Vorstandsvorsitzender des Konzerns. Wie das konkret aussieht, zeigte er am Mittwoch bei einem Rundgang am Standort Bietigheim-Bissingen den CDU-Politikern Andreas Jung, Fabian Gramling und Dr. Dietrich Birk vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Lackieren ist energieintensiv

„Enablen“, also ermöglichen, will Dürr vor allem Energie- und damit CO2 -Einsparungen bei seinen weltweiten Kunden. Viele Automobilwerke seien noch mit Lackierereien ausgestattet, die 15 bis 20 Jahre alt sind. Und die verbrauchten fast die Hälfte der Energie, die beim Bau eines Autos anfällt.

Dürr hat eine umfassende Lösung für eine ressourcensparende Fahrzeuglackierung entwickelt: „Paint Shop of the Future“ heißt dieses ganzheitliche Konzept im Firmensprech. Das Besondere daran: Statt wie bisher in einer Lackierstraße hintereinander weg stehen die Autos in Lackierboxen nebeneinander.

Dadurch können verschiedene Fahrzeugtypen mit unterschiedlichen Bearbeitungsgeschwindigkeiten gleichzeitig bearbeitet werden. Das bedeutet einerseits mehr Flexibilität für die Hersteller, soll im Endergebnis aber auch deutlich klimafreundlicher sein. Der Hauptgrund: die von Dürr entwickelte Lackier- und Trocknungstechnik.

Die Lackierroboter des Weltmarktführers aus Bietigheim-Bissingen glänzen durch zwei Vorteile: minimaler Verlust beim Farbwechsel und hohe Geschwindigkeit. „Nur ungefähr zehn Milliliter gehen verloren“, sagt Frank Herre, Senior Manager Produktentwicklung Applikationstechnik. „Wenn Sie beim Malen einen Pinsel auswaschen, ist das mehr.“

„Beim Lackieren mit der Sprühpistole gehen 70 Prozent der Farbe verloren“, erläutert Herre. Die von Dürr entwickelte Lackiertechnik, bei der ein Roboterarm elektrostatisch aufgeladenen Farbpartikel mit einem Zerstäuber aufbringe, reduziere den Materialverlust hingegen auf 25 Prozent. Für eine Lackschicht (außen und sichtbare Innenteile der Karosse) benötige der Lackierroboter gerade einmal 90 Sekunden.

Auch beim abschließenden Trocknen hat Dürr eine energieeffiziente Lösung parat: „EcoInCure“ nennt der Konzern seine innovative Karosserietrocknung. Hauptmerkmal: Der Aufbau wird durch Strahldüsen von innen heraus getrocknet. Dadurch trocknen Teile wie die massiven Schweller von E-Autos besser, ohne dass dünne Karosseriepartien überhitzen. Die Luft dafür wird zentral erhitzt. Durch Anordnung der Anlage (90-Grad-Winkel statt in Reihe) können Temperatur und Luftvolumen individuell an die jeweilige Karosse angepasst werden. Dass soll das Trocknen um 50 Prozent beschleunigen und ein Viertel der dafür nötigen Energie einsparen, verspricht Dürr. Gut für die Kunden, gut fürs Klima.

70 Prozent CO2 einsparen

Der Konzern hat sich allerdings auch selbst ehrgeizige Klimaziele gesetzt. „Wir bekennen uns zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens“, betonte Jochen Weyrauch. Bis 2030 will Dürr im Vergleich zu 2019 daher 70 Prozent der CO2-Emissionen einsparen, die an den Standorten oder durch zugekauften Strom entstehen. Bis zum Vorjahr hat Dürr nach eigenen Angaben die Emissionen im Vorjahr bereits um 51 Prozent gesenkt. Zum einen habe Dürr die erneuerbare Energie in den eigenen Betrieben deutlich ausgebaut, etwa durch Photovoltaikanlagen, wie Unternehmenssprecher Mathias Christen sagt. Zum anderen kaufe die Firma in Deutschland nur noch Grünstrom hinzu, also Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien.

Die große Herausforderung auf dem Weg zum neutralen CO2-Fußabdruck sind jedoch die Emissionen, die bei den Lieferketten sowie der Verwendung der Produkte beim Kunden entstehen. Um 15 Prozent soll dieser Anteil bis 2030 schrumpfen. Das Problem: Wie die Dürr-Lackierstationen letztendlich benutzt werden und ob Kunden die neueste, klimafreundliche Technik kaufen, hat die Firma nur bedingt in der Hand.

Dürr – ein Unternehmen in Zahlen

Das 1896 in Bad Cannstadt gegründete Familienunternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben heute weltweit 18 700 Mitarbeiter an 123 Standorten in 32 Ländern. Am Unternehmenssitz in Bietigheim-Bissingen arbeiten 2200 Menschen. Der Maschinenbauer erwirtschaftete 2022 einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr sind 4,5 bis 4,8 Milliarden Euro angepeilt. Zum Konzern gehören neben der Marke Dürr auch der Darmstädter Maschinenbauer Schenk sowie die auf Holzbearbeitung spezialisierte Homag aus Schopfloch.

 
 
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