Bietigheim-Bissingen Ein Künstler, der Stellung bezieht

Von Sandra Bildmann
Heinz Rudolf Kunze im Kronenzentrum. Foto: Oliver Bürkle

Heinz Rudolf Kunze gastierte mit seinem Programm „Wie der Name schon sagt“ im Bietigheimer Kronenzentrum.

Es war der Nachholtermin des Nachholtermins, sein aktuelles Soloprogramm hätte Heinz Rudolf Kunze dem Bietigheim-Bissinger Publikum eigentlich längst präsentiert. Aber es wäre nicht dasselbe gewesen. Unter dem Titel „Wie der Name schon sagt“ ist das Programm im Kronenzentrum das gleiche. Aber eben nicht dasselbe.

Kunzes Programm folgt stets einem einheitlichen Schema, bei dem sich Moderation und Musik abwechseln. Seine Worte verstehen sich jedoch nicht als Anmoderation, nicht als Erklärung oder gar Rechtfertigung seiner Lieder; nicht als kabarettistische Einlagen. Mit zuweilen humorvoller Ernsthaftigkeit lässt er seinen Gedanken zu gesellschaftlich und politisch zeitgenössischen Themen freien Lauf. Seine Worte setzen ein ordentliches Maß an Informiertheit voraus: Das Publikum muss politisch und gesellschaftlich up-to-date sein, um Kunzes Flughöhe zu erreichen. Sein Programm fordert Wachsamkeit. Seele baumeln lassen ist nicht.

Trotzdem entspringt seinem Auftritt ein Frohsinn, der den Saal flutet; der zeigt, warum es gerade in Krisenzeiten wie diesen jene Kunst(-form) unabdingbar braucht, um über die Kultur aktuelle Geschehnisse zu verarbeiten. „Wir fallen von einem Ausnahmezustand in den nächsten“, sagte Kunze, Corona und Krieg vor Augen. Er sang von der Zeit, „wenn es vorbei ist“ und „Wir werden leben, egal, was kommt. Und unser Blick geht nur nach vorn.“

So war es also am Samstagabend das gleiche Programm wie 2020, als er damit an den Start ging, doch es war nicht dasselbe. Heinz Rudolf Kunze begann den Abend im Kronenzentrum mit der Geschichte des kürzlich 96-jährig verstorbenen Borys Romantschenko, der als Russe gebrandmarkt Hitlers KZ überlebte und nun von den Russen als Einwohner Charkiws getötet wurde. „Wir dürfen das niemals vergessen“, mahnte Kunze. Vielfach in seinem fast Zweieinhalb-Stunden-Programm bezog er Stellung, mahnte, warnte und erzählte, durchaus auch mal zum Schmunzeln.

Der studierte Germanist und Philosoph stellte die großen Fragen nach dem Glück und der Liebe, moralischer Stärke und den vielen Beobachtungen, deren Verstehen außerhalb der menschlichen Fassbarkeit siedelt. Bei ihm dominiert das Wort die Musik, doch auch die ist große Kunst. Gitarren und Klavier beherrscht er meisterhaft, seine Stimme ist sein kraftvollstes Element.

Stehender Applaus

Heinz Rudolf Kunzes größter Erfolg in seiner 41 Jahre währenden Bühnenkarriere ist „Dein ist mein ganzes Herz“ – der 65-Jährige kann Herzschmerz, singt auch in Bietigheim nicht nur in „So wie du bist“ und „Ich hab‘s versucht“ von der Liebe. Doch zu einer besonders eindringlichen und berührenden Liebeserklärung wurde jene an „die ganz normalen Menschen, die den Betrieb am Laufen halten“ – ein Lied, das er erst vor wenigen Jahren schrieb.

Trotz der klaren Rollenverteilung von Künstler und Publikum wirkte Kunzes Auftritt oftmals wie ein Dialog. Ein Gespräch mit dem Publikum, das nicht diskutierte, aber reagierend Anteil nahm. Mehrfach an diesem Abend zeigte es sich hingerissen, applaudierte rhythmisch, am Ende stand der Saal. Heinz Rudolf Kunze bedankte sich mit drei Zugaben; das Publikum für 140 Minuten reine Spielzeit.

 
 
- Anzeige -