Bietigheim-Bissingen Ein neues Leben für das „Alte Kino“

Von Oliver Gerst
Premiere im „Alten Kino“ in Bissingen, mit Tenor Holger Ries und Lothar Lemcke (rechts). Foto: /Martin Kalb

Premiere einer neuen Kulturreihe: Holger Ries und Lothar Lemcke präsentierten musikalische Urlaubsträume.

Über 70 Jahre lang befand sich auf dem Bissinger Spickel-Grundstück das Dorfkino der Familie Graf mit zwei Vorführsälen: „Olympia“ mit Zugang von der Steigstraße und „Enzlichtspiele“ beziehungsweise später „Paradies“ mit Einlass an der Bahnhofstraße. Noch bis vor drei Jahren wurden hier Filme gezeigt. Dann renovierten und sanierten die neuen Besitzer Tufan und Kristina Çenberoglu zusammen mit Boris Kolman das Gebäude. Im Erdgeschoss gibt es jetzt wieder einen großen – auch mietbaren – Saal für Veranstaltungen, der noch mit den originalen roten Sesselreihen bestückt ist. „Altes Kino“ heißt die Adresse als Reminiszenz an das ehemalige Lichtspieltheater. Zu neuem Leben erweckt, wird hier ab sofort jeden zweiten Samstag im Monat ein kulturelles Highlight geboten, organisiert durch die Agentur „Artisthof“ aus Sersheim.

Premiere mit Holger Ries

Die offizielle Premiere am vergangenen Samstag gestaltete Tenor Holger Ries in Begleitung von Pianist Lothar Lemcke am E-Piano. Das Programm als „musikalische Urlaubsreise um die Welt“ begann in einem Sehnsuchtsort mit dem titelgebenden Song von Udo Jürgens „Ich war noch niemals in New York“ und endete auch dort mit „New York, New York“ (Liza Minnelli, Frank Sinatra).

Die knapp zweistündige Reise bot eine Mischung aus alten Schlagern wie „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“, „Berliner Luft“ oder „Ganz Paris träumt von der Liebe“, Melodien aus Musicals („Miss Saigon“, „Evita“) und Operetten („Das Land des Lächelns“, „Die Csardasfürstin“). Ries als klassisch ausgebildeter Tenor überzeugte dabei das Publikum mit dem Volumen seiner Stimme, die den Saal auch bei einem kurzfristigen Mikrofon-Ausfall erfüllte. Teils heiter, teils nachdenklich, teils leidenschaftlich interpretierte er Lieder in perfektem Französisch („Aux Champs Elysées“), Spanisch („Besame Mucho“) oder Italienisch („O sole mio“) auf seine Art und dennoch immer dicht am Original. Und zu jedem Stück gab‘s eine kleine Geschichte als Einführung oder Überleitung. Die Besucher, die nahezu alle 110 Plätze im „Alten Kino“ belegten, waren von Anfang an in den Bann der beiden Musiker gezogen, klatschten und summten mit und schwelgten in ihren eigenen Erinnerungen. Mit der Zugabe „Tonight“ („West Side Story“) entließen Holger Ries und Lothar Lemcke ihre Gäste in die Nacht.

Erinnerungen an erste Filme

Durch die Musik, aber auch durch das Ambiente fühlte sich das Publikum in die Vergangenheit zurückversetzt und erinnerte sich in atmosphärischer Dichte an die ersten Filme, die es hier gesehen hat wie zum Beispiel „Eis am Stiel“ oder „Ein toller Käfer“. Der gebürtige Bietigheimer Tufan Cenberoglu als neuer Chef des „Alten Kinos“ hat damals mit „Die Supernasen“ seinen ersten Kontakt zum Kino gehabt. Am Samstag war er über das große Interesse an der Premiere gleichermaßen erfreut und überrascht. Mit „viel Liebe, Herzblut, Schweiß und ein paar Tropfen echtem Blut“, habe sein Team die Renovierung vorangetrieben, obwohl so mancher das Vorhaben für verrückt erklärt hätte. Bereits am 8. November folgt der nächste Gig mit dem „George Bailey Trio“. Poetry Slam, Open Stage, Kabarett und vieles mehr sollen folgen.

Im ehemaligen privaten Wohnbereich der Grafs unterm Dach können sich die Künstler backstage aufhalten neben Übungsräumen für Musiker und Bands. Außerdem entstehen im Kellergeschoss bis Anfang 2026 weitere Multifunktions- und Übungsräume. Hinter dem Gesamtprojekt steht die „Zeitraum GbR“ als Betreiberin, deren Gesellschafter Tufan Çenberoglu und Boris Kolman sind.  Oliver Gerst

 
 
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