Bietigheim-Bissingen Eine Selbsthilfegruppe nur für Frauen

Von Petra Neset-Ruppert
Andie R. möchte mit der neu gegründeten Selbsthilfegruppe Frauen im Haus der Diakonie einen Raum geben, in dem sie in einem sicheren Rahmen über ihre Suchterkrankung sprechen können. Foto: /Martin Kalb

Die neue Selbsthilfegruppe „Frauenzimmer am Japangarten“ richtet sich gezielt an weibliche Erkrankte und Angehörige. Das neue Angebot in Bietigheim-Bissingen soll Frauen einen geschützten Raum bieten sich über ihre Erkrankung auszutauschen. Andie R. entschloss sich die Gruppe selbst zu gründen da ein solches Angebot im Kreis Ludwigsburg bisher gefehlt habe.

Ich habe Alkohol gezielt eingesetzt, um bestimmte Dinge auszuhalten und irgendwann hat der Alkohol übernommen“, erzählt Andie R. Die Bietigheimerin hat Anfang April eine Selbsthilfegruppe für suchtkranke und angehörige Frauen ins Leben gerufen. Der BZ hat sie erzählt, wie sie den Weg aus der Sucht fand und weshalb eine spezielle Gruppe nur für Frauen ein wichtiges Angebot im Kreis sei.

Haus, Job, Kind, Verantwortung für die Eltern, all diese Aufgaben können schon mal zu einem so großen Aufgabenberg werden, dass man das Gefühl hat, er sei nicht mehr zu bewältigen. „Und dann sucht man nach einem Mittel, mit dem man das Ganze aushalten kann“, sagt Andie R. In ihrem Fall war es der Alkohol. Sie merkt, dass sie Gefahr läuft, die Kontrolle zu verlieren. „Ich hatte Angst, alles zu verlieren, und hab mir Hilfe gesucht“, erinnert sich die Bietigheimerin.

Zuerst ging es in eine Selbsthilfegruppe für Suchterkrankte, dieser Schritt sei für sie machbar gewesen, und von dort über die Suchtberatung hin zu einer stationären Rehamaßnahme im Juni 2023. „Die Reha war ausschließlich für Frauen und da habe ich gemerkt, dass wir anders mit unserer Suchterkrankung umgehen“, erinnert sich R. Sie habe die Atmosphäre sehr genossen und später, als sich die ambulante Reha fortsetzte, gemerkt, dass ihr der Raum, mit Frauen über ihre Sucht zu sprechen, fehlte. „Ich habe das auch von den Therapeutinnen gesagt bekommen, dass viele Frauen sich in den Gruppen mit Männern nicht so wohlfühlen“, sagt R. Häufig seien die Männer in der Überzahl in den Selbsthilfegruppen und diese hätten einen anderen Ansatz über ihre Erkrankung zu sprechen. „Mir fehlten da häufig die Emotionen“, sagt R.

Schnell Förderung beantragen

Dann machte sie sich auf die Suche nach einer Gruppe, doch fand sich kein passendes Angebot im Kreis. „Ich habe mich Anfang des Jahres dann eingelesen, was man so alles für eine Selbsthilfegruppe braucht, und habe alles zusammengestellt“, erinnert sie sich. Schnell gehen musste es zum Schluss dann doch, denn Selbsthilfegruppen werden von Krankenkassen gefördert. „Die Förderung musste ich allerdings bis zum 31. März beantragen.“ Das sei eine etwas hektische Zeit gewesen, doch nun sei alles angelaufen. Die Selbsthilfegruppe „Frauenzimmer am Japangarten“ trifft sich dienstags von 18 bis 19.30 Uhr im Haus der Diakonie, Am Japangarten 4.

Hier finden die Frauen einen Raum, um sich auszutauschen, Halt zu geben und sich einem sehr gewichtigen Thema in der Sucht, der Einsamkeit, zu stellen. „Wir Frauen stehen zusammen, stärken uns miteinander und gehen gemeinsam voran“, betont die Gründerin. Die Gruppe ist offen für Frauen jeden Alters und auch diverser Süchte, nicht nur die Alkoholsucht, haben im Frauenzimmer ihren Platz. Da eine Sucht eine lebenslange Erkrankung darstellt, sei es wichtig, sich immer wieder damit zu beschäftigen, betont R. Da könne eine Selbsthilfegruppe ein guter Weg sein.

In Erkenntnis bestärken

In der Reha habe sie gelernt, die eigenen Grenzen besser wahrzunehmen und den Riesen-Problemberg in kleine einzelne Probleme aufzuteilen, die man Stück für Stück angeht. Über die Therapieerfahrung könne man sich auch in der Selbsthilfegruppe austauschen. So könne man sich in den eigenen Erkenntnissen bestärken – und das ganz vorurteilsfrei und unter Frauen.

Ab Herbst beginnt Andie R. dann auch noch eine Ausbildung zur freiwilligen Suchthelferin, um die Frauen in ihrer Gruppe noch besser unterstützen zu können. Aber schafft man sich damit nicht wieder einen großen Aufgabenberg, der auch zur Last werden kann? „Nein, ganz im Gegenteil, dank der Reha kann ich meine Grenzen ganz klar benennen und weiß wie weit ich gehen kann“, sagt sie und lacht. Aber der Raum für suchterkrankte Frauen sei ihr eben ein großes Anliegen.

Für die Zukunft kann sie sich vorstellen, dass auch zusätzlich zu den wöchentlichen Treffen vierteljährlich besondere Termine wie Klangschalenmeditation oder gemeinsame Picknicks stattfinden. „Aber das wird sich mit der Zeit finden. Ich möchte, dass die Frauen gemeinsam entscheiden, was wir in der Gruppe brauchen“, sagt R.

„Einfach mehr Lebensfreude“

Die Gruppe soll den Frauen helfen, mit der Suchtkrankheit leben zu können. „Mein körperlicher und mentaler Zustand hat sich seit ich nicht mehr trinke stark verändert: ich schlafe besser, ich bin fitter, ich kann mich besser konzentrieren, ich kann die Dinge klarer sehen, ich bin lebensfroher, kreativer und habe einfach mehr Lebensfreude. Diese Veränderung ist einer der wichtigsten Gründe für mich, dass ich diesen Schritt immer wieder gehen würde.“

Hier gibt es Hilfe für Suchterkrankte und Angehörige

Die Diakonie bietet in ihrem Haus, Am Japangarten 6, eine Suchthilfe Beratung an. Von montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr, so wie montags, dienstags und donnerstags zusätzlich von 14.30 bis 16.30 Uhr ist die Beratungsstelle geöffnet. Die offene Telefonsprechstunde der Erwachsenennberatung (für Erwachsene ab 27 Jahren) gibt es dienstags von 14.30 bis 16.30 Uhr, Telefon (07141)  689 39 21 50.

Alle Informationen zur Selbsthilfegruppe für Frauen gibt es unter www.frauenzimmer-am-japangarten.de.

 
 
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