Biber Herrmann stimmt noch einmal kurz die Gitarre nach, blickt nach oben und beginnt sein rund zweistündiges Programm mit „Got My Mojo Working“ des Blues-Altmeisters Muddy Waters. Wenn „Biber“, der seinen Kosenamen aus der Kindheit mitgebracht hat, spielt und singt, scheint er die Welt um sich herum vergessen zu haben. Gitarre, Mundharmonika und Stimme werden zu einer Einheit, zu einem eigenen Kosmos.
Bietigheim-Bissingen Eingängige Rhythmen, erdiger Sound
Einen blendenden Start für die Reihe „Sommerfeeling“ legte der Bluessänger und Poet Biber Herrmann im vollbesetzten Rathaushof hin.
Verehrung der alten Blues- und Folkgrößen
Der Musiker verehrt die alten Blues- und Folkgrößen aus den 1920er- und 1930er-Jahren und erweist ihnen durch die virtuos-poetische Wiedergabe ihrer unsterblichen Songs seine Reverenz. Erstaunlich ist nicht nur sein höchst gekonntes Gitarrenspiel, auch die Stimme ist ausdrucksstark, markig und herrlich „blue“.
Biber Herrmann jedoch als Cover- oder Tribute-Sänger zu bezeichnen, wäre völlig verkürzt. In seinen eigenen Balladen und Blues-Folk-Rock-Titeln lässt er das klassische zwölftaktige Bluesschema weit hinter sich und fördert knackige, eingängige Hooks zutage, die aufhorchen lassen. Auch die Texte sind nicht null-acht-fünfzehn, nein, sie offenbaren den feinsinnigen Beobachter, der das wahre Leben in den Blick nimmt und Geschichten erzählt, die nicht selten auf eigene Erlebnisse und Erfahrungen zurückgehen.
Im Blues, den die Nachfahren der schwarzen Sklaven in den USA vor gut einhundert Jahren hervorgebracht haben, fand schon immer alles Platz: Diskriminierung, Liebe, Liebeskummer und Leid, Heimweh, Krankheit und Tod. Der Blues musste langsam sein und traurig wirken. Die „blaue Terz“ machte den Blues zu dem, was er ist: Musik afrikanischer Abstammung.
Gelegentlich Bottlenecks aus Metall im Einsatz
Robert Johnsons „Come Into My Kitchen“ gerät bei Biber Herrmann zu einer Verneigung vor einem Altvorderen jener neuen Musikrichtung, die als Jazz, Soul, Funk, Rock’n’Roll, Pop und Rock ihre ruhmreiche Fortsetzung finden sollte. Gerade bei klassischen Bluesnummern kommen gelegentlich Bottlenecks aus Metall zum Einsatz. Der Sound wird dadurch härter, greller, erdiger. Blitzschnell gleitet Biber über die Saiten, die nicht immer ganz heruntergedrückt, sondern nur berührt werden. „In Wahrheit sind fünf Bandmitglieder auf der Bühne, auch wenn sie nur mich sehen“, witzelt der Gitarrenprofi und demonstriert, wie ein einziges, sechssaitiges Instrument ausreicht, zugleich eine Bassline, einen Rhythmus und eine Melodielinie zu simulieren. Das ist ganz großartiges, weit arriviertes Gitarrenspiel – ohne Tricks wie Looping.
„Maggie’s Farm“ erinnert an den jungen Bob Dylan, danach folgen eigene Kompositionen: „Northern Light“, entstanden auf einer winterlichen Skandinavien-Reise, und das urkomische „Toddy’s Toad Migration“.
Nach der Pause hat der atmosphärisch wunderbare Rathaushof noch mehr Zuhörer vom Krämermarkt angezogen. Manche bleiben stehen und hören mit einem Glas Wein in der Hand versonnen zu. Der Abend ist ein charmanter Auftakt zu einigen „Hot Summer Nights“, die – veranstaltet vom städtischen Kulturamt – kulturelle Vielfalt mit der lebendigen, liebenswerten Atmosphäre der Stadt verbinden.