Bietigheim-Bissingen Energiegeladenes Musikkabarett

Von Oliver Gerst
Lucy van Kuhl trat zum vierten Mal im Kleinkunstkeller in Bietigheim-Bissingen auf. Foto: /Martin Kalb

Lucy van Kuhl begeistert mit ihrem neuen Programm „Geschickt verpackt“.

Um das Ende des Abends vorwegzunehmen: Es gab lang anhaltenden Applaus, Jubelrufe, und die Zuschauer erklatschten sich gleich zwei Zugaben von Lucy van Kuhl, die am Samstag im Bietigheimer Kleinkunstkeller zusammen mit der Band „Es-Chord“ auftrat. Im Gepäck hatte sie ihr neues und damit fünftes Programm.

Mit allen vier Vorgängern war sie ebenfalls schon hier im Gewölbe und nicht wenige Handzeichen im Publikum signalisierten, wer bei allen Konzerten dabei war – Lucy van Kuhl hat in Bietigheim eine durchaus treue Fangemeinde. Vom ersten Lied an, „Geschickt verpackt“, das auch Namensgeber für Album und Programm ist, zieht die Entertainerin ihre Gäste in den Bann. Dabei entlarvt sie halb mit Luft gefüllte Chipstüten genauso wie manipulative Werbesprache. Und nutzt diese selbst, um auf die „kommunikative Zusatzleistung“ ihres Konzerts hinzuweisen – die 20-minütige Pause.

Mit scharfzüngigem Wortwitz

Energiegeladen zelebriert van Kuhl ihre kreativen Songs mal kräftig, mal zart verpackt, mal ironisch, mal nachdenklich, oft mit einem Augenzwinkern. Sie provoziert feinsinnig und scharfzüngig mit Wortwitz, der sich für sie aus dem Leben ergibt, wie sie in der Ankündigung ihres „sehr, sehr bunten Programms“ im Mai in der Abendschau (BR) erzählte. Und Lucy van Kuhl hat nicht zu viel versprochen, sie präsentiert eine abwechslungsreiche Folge von unterhaltsamen und fantasievollen Liedern, Texten mit überraschenden Wendungen und kabarettistischen Überleitungen und Anekdoten.

Was dabei Wahrheit und was Dichtung ist, durfte jeder für sich selbst herausfinden. Lucy van Kuhl, die mit bürgerlichem Namen Corinna Fuhrmann heißt, drückt es so aus: „Ich habe ein reales Ich und ein lyrisches“. In ihrem Song „Deutsche Bahn – der Weg ist das Ziel“ zum Beispiel dürfte ihr lyrisches Ich die Urheberin der willkommenen Meditationsgelegenheit während 30 Stunden Fahrzeit sein. Das reale Ich nutzt solche Slots im ICE, um Songtexte zu schreiben.

Ansonsten dichtet van Kuhl in ihrem Haus in der Provence zusammen mit ihrer Katze „Lucy van Katz“. „Da habe ich Ruhe“, freut sich die Künstlerin, außer wenn sie von Besuch belagert wird – dem sie einen eigenen Song gewidmet hat. Beim Schreiben assoziiert sie Themen wie bei „Punkte sammeln“, wo sie den Bogen schlägt von der Rabattaktionsflut in Supermärkten über Punkte in Flensburg bis zu „Punkt, Punkt, Punkt“ als offenes Ende ihres Songs.

Ihr breit gefächertes Spektrum beobachtet Senioren, die auf einer Ü-80-Party „rocken, bis die Gebisse fliegen“, entlarvt Kräuter der Provence als die wahren Zutaten des Zaubertranks von Miraculix, präsentiert in „Hochzeitstag“ ein Ehepaar, das sich nicht mehr ausstehen kann oder macht einen vergeblichen Versuch ihren Neffen in „Gamer-Sprache“ zu erreichen. Ihren persönlichsten Song schrieb Lucy van Kuhl mit „Im Himmel brennt noch Licht“ in einer Art Vorahnung kurz vor dem Tod ihres Vaters.

Die studierte Musikerin begleitet sich virtuos und mit Leichtigkeit selbst am Flügel, singt und spricht dazu und bleibt immer mit Blicken und Gesten im Kontakt mit ihren Gästen – und mit ihrer Band: Schlagzeuger Lorenzo Riessler, der das Publikum mit einem fulminanten Solo fesselte, kennt sie, seit sie als Teenagerin seine „Babysitterin“ war. Cellist Nenad Uskokovic lernte sie vor fünf Jahren kennen, seither spielt das Trio zusammen. Van Kuhl tritt aber gerne auch alleine auf, „als Solistin habe ich mehr Freiheiten“, lacht sie im Gespräch vorab, aber „der Mix macht‘s“!

 Oliver Gerst

 
 
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