Bietigheim-Bissingen Fernwärme aus innovativen Quellen

Von Uwe Mollenkopf
Stadtwerke-Geschäftsführer Richard Mastenbroek auf dem Dach der Energiezentrale Mitte. Vorne sind Wärmetauscher zu sehen, im Hintergrund die Solarthermieanlage. Foto: /Martin Kalb

Die neue Energiezentrale Mitte der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen auf dem ehemaligen DLW-Areal ist seit dem Jahreswechsel in Betrieb. Ein Blick in die Anlage.

Jonathan Kiemle blickt auf einen Bildschirm im Kontrollraum. 1500 Kilowatt (kW) sind es, die gerade durch Wärmepumpen in der neuen Energiezentrale Mitte der Bietigheim-Bissinger Stadtwerke erzeugt werden, stellt der Projektingenieur fest. Und das zu 100 Prozent erneuerbar, wie Stadtwerke-Geschäftsführer Richard Mastenbroek hinzufügt. Die Verantwortlichen sind mit der neuen Anlage zur Erzeugung von Fernwärme auf dem früheren DLW-Gelände zufrieden, die seit dem Winter 2023/24 in Betrieb ist.

Erst wenige Kraftwerke dieser Art

Die Stadtwerke haben damit Neuland betreten. Solche iKWK-Anlagen gibt es noch wenige, wie zum Beispiel die im Juli 2023 eingeweihte Anlage in Heidelberg. Im Landkreis Ludwigsburg existieren bislang noch gar keine, sagt der Geschäftsführer, allerdings sind in Ludwigsburg und Pattonville zwei Anlagen im Bau. iKWK steht für innovative Kraft-Wärme-Kopplung, dabei wird vom Grundsatz her eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK-Anlage) mit innovativen erneuerbaren Wärmequellen und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden.

Ein Element zur Erzeugung dieses Wärmemixes in der Anlage im Dreieck zwischen den Bahnlinien Sachsenheim/Mühlacker und Besigheim/Heilbronn sieht man, wenn hinauf aufs Dach steigt. Dort befindet sich auf einer Fläche von 400 Quadratmetern zur Wärmeerzeugung eine Solarthermieanlage. Daneben wurde eine iKWK-Wärmepumpe installiert, bestehend aus sechs großen Luft-Wärmepumpen. Diese nutzen die Umgebungsluft zur Wärmeerzeugung.

Größtes BHKW in der Stadt

Im Inneren der Anlage befindet sich jede Menge weiterer Kraftwerkstechnik. Ein Elektrokessel dient dazu, in Zeiten, in denen zu viel Strom im Netz ist, wie mit einem Tauchsieder Strom in Wärme für die Fernwärme-Versorgung umzuwandeln, erklärt Jonathan Kiemle. Hinzu kommen ein Heizkessel, der mit Gas betrieben wird, aber jetzt im Sommer, wenn nicht geheizt wird, Pause hat. Er kommt bei Ausfall eines anderen Wärmeerzeugers und in extremen Spitzenzeiten zum Einsatz. Nicht im Betrieb ist jetzt auch das große, gasbetriebene Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Erzeugung von Strom (knapp 2000 kW) und Wärme (rund 2300 kW). Es ist damit das größte in Bietigheim-Bissingen. Ein kleines daneben soll Strom für den Eigenbedarf liefern.

Mastenbroek verweist auf eine Abwärmepumpe, welche die Abwärme innerhalb des Kraftwerks zur Wärmeerzeugung nutzt. Zum Konzept gehören zudem fünf große Wärmespeicher mit einem Fassungsvermögen von 1000 Kubikmetern in Summe. Das Wasser dafür wurde vor Ort aufbereitet, man habe dafür die Zuleitung zum alten DLW-Kraftwerk genutzt, berichten Kiemle und Mastenbroek.

Das stillgelegte Kraftwerk steht direkt neben der neuen Anlage, der alte Schornstein überragt mit 65 Meter den neuen (33 Meter). Apropos Schornstein: In der neuen Energiezentrale sorgt eine Harnstoffeindüsung wie das AdBlue bei Dieselmotoren zur Milderung der Emissionen.

Die Kosten für das neue „Kraftpaket“ der Stadtwerke belaufen sich auf rund 15 Millionen Euro. Es gibt aber Fördermittel: Diese sollen circa neun Millionen Euro betragen und fließen über einen Zeitraum von 13 Jahren.

Die Energiezentrale Mitte verfügt über eine innovative Steuerungstechnik und läuft vollautomatisch. Die Mitarbeiter der Stadtwerke kommen aber regelmäßig zur Kontrolle oder bei Störungen. Am Anfang habe man „Kinderkrankheiten“ beheben müssen, sagt Kiemle, es habe aber keinen gravierenden Ausfall gegeben. Es sei ein Prozess des Lernens und Optimierens, bis alles bestmöglich laufe.

Bindeglied im Wärmenetz

Die Energiezentrale dient als Bindeglied und neue Erzeugungseinheit für die Fernwärmeversorgung zwischen den bestehenden Heizkraftwerken Buch und Kreuzäcker/Innenstadt. Der Anschluss ans Kraftwerk im Buch ist bereits erfolgt, derjenige an das Kraftwerk Kreuzäcker steht noch aus. Knackpunkt dabei ist die Querung der Bahntrasse und der B 27. Die Energiezentrale soll künftig die neuen Wohngebiete rund um den Bahnhof mit Wärme versorgen.

Durch den Verbund mit den bestehenden Kraftwerken erhalte man eine hohe Versorgungssicherheit und könne den Energiemix optimal dosieren, sagt Geschäftsführer Mastenbroek. Und im Innern der Anlage ist vor dem Hintergrund des weiteren Ausbaus der Fernwärme genug Platz für weitere Kraftwerkstechnik.

 
 
- Anzeige -