Menschen strömen an diesem kalten Wintertag zum Einkaufen in das Hofmeister-Erlebnis-Wohnzentrum, aber direkt gegenüber auf dem Parkplatz des Bietigheimer Forstes ist es sehr still: Hier beginnt die zweimal im Jahr stattfindende Trauerwanderung, betreut von der Seelsorgerin Ulrike Prießnitz und der ehrenamtlichen Trauerbegleiterin Gerlinde Losch.
Bietigheim-Bissingen Gemeinsam durch die Trauer
Wenn man einen geliebten Menschen verliert, scheint die Welt stillzustehen. Das Hospiz hat Angebote zur Trauerarbeit.
„Der Hintergrund ist der, dass man gemeinsam unterwegs ist, dass man sich bewegt und nicht nur zu Hause ist“, so die Trauerbegleiterin. Trauern ist ein individueller Vorgang, manch einer möchte gern reden, ein anderer zieht sich komplett zurück, und nicht immer kann das Umfeld von Familie und Freunden ausreichend helfen. Alles hat dabei seine Zeit, betont Ulrike Prießnitz. Zeit daheim in den eigenen vier Wänden zu trauern, aber es tut eben auch gut rauszugehen: „Weil in der Natur ganz viele Symbole sind, die mit Trauer ganz eng verbunden sind.“
Und das fängt schon mit der jeweiligen Jahreszeit an, dem Kreislauf in der Natur, vom Wachsen im Frühjahr bis zum Absterben im Winter. Dieses Trübe, Niedergeschlagene, das mit dem Winter verbunden wird, das erleben Trauernde sehr häufig, weiß Ulrike Prießnitz: „Dass sie ein Stück ihres Lebens absterben sehen, wenn sie einen Partner verloren haben und auch bei sich selber merken sie, dass da auch etwas stirbt.“
Am Rondell geht es los
Vorn auf dem Parkplatz befindet sich ein kleines, mit Holzpfosten markiertes Rondell, und hier kommen die Teilnehmer der Trauerwanderung zusammen. Es gibt eine kleine Vorstellungsrunde und anschließend startet die zwischen sechs und acht Kilometer lange Wanderung. Ein Gewaltmarsch ist es aber keinesfalls, sondern ein ruhiger Spaziergang, aufgeteilt in einzelne Stationen, und das Team des Hospizes ist immer bereit, auf Bedürfnisse einzugehen – sei es eine Pause oder nicht aufschiebbare Gedanken: „Beim Fürstenstand hat man einen tollen Blick ins Tal und das ist dann auch so ein Ort, wo man überlegen kann, wie sieht denn meine Zukunft aus“, erklärt Ulrike Prießnitz.
Die Last loswerden
Denn auch wenn es nie wieder wie früher wird und Wunden bleiben, so verändert sich die Trauer doch mit der Zeit und ganz langsam gelingt ein zuversichtlicher Blick in die eigene Zukunft. Dazu soll eben auch die Trauerwanderung mit ihren einzelnen Elementen beitragen. So werden an einer Station alle aufgefordert, einen Gegenstand vom Boden aufzuheben, sei es ein Stein oder ein Stock. Diese Last wird dann einige Zeit getragen als Symbol für den eigenen Schmerz und schließlich in einen Teich geworfen.
Trauerbegleiterin Gerlinde Losch erinnert sich in diesem Zusammenhang noch gut an eine Dame, die bei der ersten Trauerwanderung teilnahm: „Sie hatte sich einen besonders großen Ast genommen, diesen mit voller Kraft ins Wasser geworfen und sie meinte hinterher, dass das so guttat“. Genau das ist auch das Ziel der Trauerwanderung: Es soll den Trauernden am Ende ein Stück besser gehen.
Geschichten werden gelesen
Dazu wird auch mal die ein oder andere Geschichte gelesen, wie zum Beispiel die von den zwei dicht beieinanderstehenden Bäumen. In einen schlägt der Blitz ein und der andere Baum bemerkt die kahle Stelle, die er nun mit seinen Ästen versucht neu zu füllen. Das ist vor allem für Ehepaare, bei denen einer verstorben ist, ein hilfreiches Bild: „Was der Verstorbene gemacht hat, muss nun der überlebende Ehepartner übernehmen, muss sich zuerst hineinfinden in die neuen Aufgaben“, erklärt Gerlinde Losch dazu.
Während es Stück für Stück durch den Wald geht, besteht immer Raum für Gespräche – sei es in der Gruppe oder auch untereinander. So geben sich die Trauernden gegenseitig Halt und gehen seelisch gestärkt zurück in ihren Alltag.