Manche Autos sind zu Ikonen ihrer Zeit geworden. Der Porsche 55 Spyder etwa, weil James Dean darin 1955 tragisch tödlich verunglückte. Oder der Ford Mustang, der Steve McQueen im Actionfilm „Bullitt“ 1968 noch cooler aussehen ließ als sowieso. Und kaum ein Auto steht so sehr für die deutsche Italiensehnsucht wie der Auto Union 1000, seit Heinz Erhard in „Das kann doch unsren Willi nicht erschüttern“ samt Filmfamilie von Hannover an die Adria fuhr.
Bietigheim-Bissingen Heinz Erhardt hätte es gefallen
Früher fuhr die Familie von Manfred Sernatinger zu fünft mit einem Auto Union 1000 S in den Urlaub. Heute besitzt er selbst so einen urigen Zweitakter
Manfred Sernatinger besitzt seit drei Jahren einen Auto Union 1000 S, Baujahr 1963. Und zwar in der Luxusausführung als Coupé. Und auch für ihn beginnt die Liebe zu dem Wagen mit einer Familienreise, auch wenn die nicht ganz nach Italien führte. „Meine Eltern sind mit uns Kindern immer ins Zillertal gefahren“, erzählt der 66-Jährige aus Bietigheim-Bissingen. Vorne die Eltern, auf der Rückbank Manfred Sernatinger und seine beiden Schwester. 400 Kilometer Strecke, teils über Landstraßen und zwölf Prozent Steigung die Alpen hinauf.
Mit 50 PS die Alpen hinauf
Eine ganz schöne Leistung für einen Zweitaktmotor mit 50 PS. Und eine fahrerische Herausforderung für Manfred Sernatingers Vater, zumal dieser im Zweiten Weltkrieg den linken Arm verloren hatte. „Das war auch der Grund, warum er sich den Auto Union 1000 gekauft hat“, erklärt sein Sohn. Der hatte zwar noch keine Servolenkung. „Aber eine Lenkradschaltung und auch der Hebel für den Blinker und der Scheibenwischerschalter war rechts.“ Aschenbecher und Zigarettenanzünder sitzen hingegen mittig auf der Armatur. Denn im Auto zu rauchen war damals völlig selbstverständlich.
Auch die Vorbesitzerin von Manfred Sernatingers Auto Union 1000 war Raucherin, weswegen ein paar Teile wie etwa Kokosmatten ausgetauscht werden mussten. Auch die Sitze mussten nach mehr 50 Jahren neu gepolstert werden. „Das war einfach Verschleiß“, so Sernatinger. Ansonsten war der Wagen top in Schuss. Denn nach der Erstbesitzerin war das Auto bei einem Schrauber gelandet, der einen Tauschmotor einbaute.
Dass sich die erste Besitzerin das sportliche Coupé 1964 als Sekretärin überhaupt leisten konnte, lag wahrscheinlich am Wetter. „Der Winter 1962/63 war in Deutschland der strengste im 20. Jahrhundert überhaupt“, erzählt Manfred Sernatinger. „Sogar der Bodensee fror zu.“
Endgegner: der Winter 1962/63
Nebeneffekt des Frosts: Die Pleuelstangen des Auto Union 1000 brachen reihenweise durch. „Danach wollte das Auto niemand mehr haben.“ Daimler Benz, dem die Marke damals gehörte, versuchte die Autos durch große Preisnachlässe loszuschlagen. So kam die Vorbesitzerin wohl zu dem luxuriösen Auto, das ursprünglich 11.950 Deutsche Mark (DM) kostete. Das Durchschnittseinkommen in Westdeutschland lag 1964 bei knapp 8.500 DM. Nach dem Frost-Desaster mit den Pleuelstangen trennte sich Daimler Benz von der Marke. VW übernahm sie, später wurde Audi daraus, eine Marke, die mit hoher Innovationskraft wirbt.
Das liegt vielleicht in ihren Autogenen. Denn obwohl der Auto Union 1000 S mit seinem Dreizylinder-Zweitaktmotor zumindest geruchlich an die Abgase eines Mofas erinnert, war der Wagen für seine Zeit fortschrittlich. Er hatte eine Frischöl-Automatik, da Tankstellen immer seltener Zweitaktgemisch anboten, Scheibenbremsen vorne (damals ein Novum) sowie eine Freilaufschaltung. Rund 171.000 Fahrzeuge der Reihe Auto Union 1000 und 1000 S wurden bis 1963 hergestellt. Dann war Schluss. Eines davon fährt nun durch Bietigheim-Bissingen.