Es kommt öfters vor, dass Alexander Bentz gefragt wird, was sich auf seinem Feld in Metterzimmern denn so tut. Denn dieses sticht mit seinen blauen Blüten in der hiesigen Kulturlandschaft hervor. Dabei waren in früheren Zeiten solche blauen Blütenteppiche durchaus gang und gäbe, doch in der Nachkriegszeit gerieten die Pflanzen, die hier gedeihen, in Vergessenheit. Bentz, dessen Familie in fünfter oder sechster Generation in Metterzimmern Landwirtschaft betreibt, seit den 1970er-Jahren im Nebenerwerb, hat den Anbau von Lein quasi aus der Versenkung geholt.
Bietigheim-Bissingen In Metterzimmern blüht es blau
Der Landwirt Alexander Bentz baut Lein an, eine Pflanze, die in den 1950er-Jahren in Vergessenheit geriet. Mit im Boot sind lokale Bäckereien als Abnehmer.
Der 33-Jährige ist Maschinenbauingenieur, hat aber zusätzlich noch eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht. Dabei wurde er im Rahmen eines Projekts auf den Leinanbau aufmerksam. Ein Thema, das ihn nicht mehr losgelassen hat.
Leinsamen statt Chiasamen
Der Lein oder Flachs, der als Fasergrundstoff für Kleidung und andere Stoffe dienen oder zur Gewinnung von Speiseöl verwendet werden kann, sei eine uralte Pflanze, erzählt der Nebenerwerbslandwirt. In den 1950er-Jahren sei der Anbau hierzulande aber erloschen. Ein Anbauschwerpunkt beim Lein liegt mittlerweile in Osteuropa, wo es riesige Flächen gibt. Die hiesige Gegend könne hier nicht wirtschaftlich mithalten, so Bentz.
Dass der Lein nun dennoch seit einigen Jahren in Metterzimmern wieder wächst, liegt an der Zusammenarbeit mit örtlichen Bäckern, die die Samenkörner verwenden. Er habe das Projekt gestartet, indem er Leinsamen für die Bäckerei Clement mit Sitz in Sachsenheim lieferte, erzählt Alexander Bentz. Inzwischen ist die Bietigheimer Bäckerei Stöckle als weiterer Abnehmer hinzugekommen. Wirtschaftlich sei der Anbau nur, wenn dafür ein Mehrpreis gezahlt werde, so Bentz.
„Wir setzen auf Regionalität“, begründet Steffen Mahl, der Chef der Bäckerei Stöckle, warum er Leinsamen aus Bietigheim-Bissingen verwendet. Hinzu komme, dass Leinsamen, die reich an Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Proteinen sind und auch Vitamine und Mineralien enthalten, als heimische „Superfood“ gelten. Warum also Chiasamen aus Südamerika als Körner in Brot und Brötchen verwenden, wenn es eine gleichwertige Alternative vor Ort gebe, sagte sich Mahl – und ersetzte Chiasamen durch Leinsamen.
Die Fläche, auf der bei Alexander Bentz der Lein wächst, umfasst durchschnittlich zwei Hektar. Wobei die Pflanzen, die ohne Einsatz von Pflanzenschutz heranreifen, nur alle sechs Jahre auf dem gleichen Acker angepflanzt werden können. Geerntet wird Anfang August. Das geschieht mit dem Mähdrescher, danach wird die Ernte gereinigt und sortiert. Dabei treffe uralte Technik auf Hightech, sagt Bentz, indem Siebe, aber auch Druckluft zum Einsatz kommen, um Fremdpartikel zu entfernen.
Der 33-Jährige, der sich als jemand beschreibt, der Freude am Tüfteln und Ausprobieren hat, macht das auch noch für andere Betriebe, zum Beispiel bei Linsen. Was den Lein betrifft, liege die Schwierigkeit bei der Ernte darin, dass es sich um eine Faserpflanze handelt. Bentz hat deshalb Sorten mit wenig Stroh ausgewählt. Es gehe dabei eben nicht nach einem bestimmten Schema.
Letzteres gilt auch für Schälsonnenblumen, die der Metterzimmerer Landwirt als weiteres Projekt im vergangenen Jahr erstmals angepflanzt hat. Diese werden ebenfalls nicht für die Ölproduktion genutzt, sondern dienen zur Gewinnung von Speisesonnenblumenkernen, denen gesundheitliche Vorteile zugeschrieben werden. Auch hier ist die Bäckerei Stöckle als Abnehmer im Boot.
Schlechte Ernte bei Sonnenblumen
Die Sonnenblumenkerne sorgten bei Brot und Brötchen für einen nussigen Geschmack, der durch nichts zu ersetzen sei, sagt Steffen Mahl. Generell machten Körner die Produkte wertiger.
Die Ernte 2024 sei allerdings miserabel gewesen, berichtet Bentz, es sei zu nass gewesen und es habe zu viele Schnecken gegeben. Aber auch hier ist er am „Rumtüfteln“, wie er den Anbau optimieren kann – getreu nach dem Motto, dass ein Landwirt insgesamt 40 Versuche habe: jedes Jahr einen.