Seit Jochen Daub denken kann, hat es auf seinem familiengeführten Betrieb Milchkühe gegeben. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Untermberger Landwirt zieht sich aus der Milchviehhaltung zurück. Voraussichtlich wird Anfang Dezember die letzte Kuh seinen Hof am Enztalradweg verlassen. Die meisten der derzeit 18 Tiere werden in einen anderen Stall kommen, sagt Daub im Gespräch mit der BZ.
Bietigheim-Bissingen Keine Kühe mehr in Untermberg
Landwirt Jochen Daub zieht sich aus der Milchviehhaltung zurück. Wirtschaftliche Gründe hat seine Entscheidung allerdings nicht.
Keine wirtschaftlichen Gründe
Er betont, dass das keine wirtschaftliche Entscheidung sei. Mit Ausnahme von ein, zwei Jahren, in denen der Milchpreis im Keller lag, habe er immer schwarze Zahlen geschrieben.
Vielmehr sei er gefrustet und aufgerieben, sich regelmäßig rechtfertigen zu müssen. Zu ideologiegesteuert werde die Debatte um eine zukunftsorientierte Landwirtschaft und Viehhaltung geführt – politisch, wie gesellschaftlich. Das reiche vom Qualitätsmanagement, über Forderungen nach bestimmten Haltungsformen bis hin zu Diskussionen über ein Anbindeverbot. „Dabei würde heute niemand mehr einen Anbindestall bauen.“
Es gehe ihm aber nicht darum, bestimmten Gruppierungen oder Parteien den schwarzen Peter zuzuschieben, diese Entwicklung könne man schon seit 20 Jahren beobachten. Auch den Bauernverband kritisiert Daub scharf, da er aus seiner Sicht versuche, Splittergruppen wie den Bund Deutscher Milchviehhalter klein zu halten.
Hohe Arbeitsbelastung
Er nennt ein Beispiel: Seitdem Parkinson für Landwirte als Berufskrankheit anerkannt ist, ist die Berufsgenossenschaft dafür zuständig. Infolge dessen stiegen die Beiträge, die die Landwirte zu entrichten haben. Allerdings hängt die Krankheit direkt mit dem Einsatz von Pestiziden zusammen, Landwirte reiner Ackerbaubetriebe seien demnach einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt als jene in Mischbetrieben mit Viehhaltung. Milchbauern würden daher stärker belastet, die Krankenversicherung indes nicht günstiger, klagt Jochen Daub.
Aber auch die hohe Arbeitsbelastung habe dem 50-Jährigen zu Schaffen gemacht. Bei gesundheitlichen Problemen eines Tieres oder wenn eine Kuh mitten in der Nacht kalbt, dann ist der Landwirt zur Stelle. Vier auswärtige Übernachtungen sind selbst in den Sommerferien das höchste der Gefühle. Weitere 15 Jahre wolle er das so nicht weiter machen, sagt Daub. Dabei habe er in der Vergangenheit schon über eine mögliche Erweiterung nachgedacht, dabei ging es um den Einbau eines Melkroboters für 150.000 Euro. Die Euphorie sei groß gewesen, bis ihm vorgerechnet wurde, dass 30 Prozent mehr Kühe, die zur Auslastung der Maschine nötig gewesen wären, zwar 30 Prozent mehr Arbeit bedeuten, aber unter dem Strich keinen Mehrverdienst erwirtschaften würden. „Ich arbeite zwar gerne und auch viel, aber nicht nur, um zu arbeiten“, sagt er.
Vor ein paar Jahren verkleinerte der Untermberger den Betrieb deshalb bereits, von zuvor 55 auf zuletzt 18 Kühe. „Das hat schon einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität gebracht“, sagt er im Gespräch mit der BZ. Zudem betreibe man im Betrieb zusätzlich auch noch Ackerbau sowie kommunale und private Landschaftspflege.
Was künftig mit dem Stall passiert, stehe noch nicht fest, so der Landwirt. Möglicherweise könne dieser aber zu einer Maschinenhalle umgebaut werden. Daub ist froh, die Entscheidung getroffen zu haben, die Milchviehhaltung aufzugeben. „Wenn der Lidl-Chef seine Milch selbst melken muss, soll er es machen. Mich braucht er nicht mehr zu fragen.“
Kein Einzelfall
Der Betrieb von Jochen Daub ist dabei kein Einzelfall. Schon lange lässt sich in der Milcherzeugung ein Strukturwandel erkennen. Im Zeitraum zwischen 2020 und 2023 sank der Milchviehbestand in Baden-Württemberg laut des statistischen Landesamtes um 4,8 Prozent, die Betriebszahl gar um 18,6 Prozent. Der Durchschnittsbestand machte hingegen einen Sprung von 53 auf 63 Milchkühe je Betrieb. Immer weniger Betriebe halten demnach immer mehr Kühe. 2024 liegen die Rinderbestände bei 305.836, ein Rückgang von rund 5000 Tieren im Vergleich zum Vorjahr.
„Wir kommen aus der Energiekrise und laufen geradewegs in eine Nahrungskrise“, sagt Jochen Daub. Wundern dürfe sich darüber allerdings niemand. Schließlich werde davor bereits seit Jahrzehnten gewarnt – bislang jedoch ohne Erfolg. Er habe sich damit inzwischen abgefunden, sagt er. Resigniert, fast schon emotionslos blicke er auf die Situation. Er habe nicht mehr die Kraft, sich ständig zu rechtfertigen, warum er Manches so mache und nicht anders.